Nicht mehr Netflixklusiv: Netflix und das Fernsehen
Kurzum: «Orange is the New Black» eignet sich bestens für das Portfolio von ZDFneo, das seit seinem Bestehen gegen den Ruf einer Abspielstation alter ZDF-Produktionen ankämpft. Indem der Spartenkanal immer wieder ambitionierte und gefeierte Serienproduktionen in sein Programm holt, will er seiner selbst gestellten Maxime gerecht werden, „intelligentes und unterhaltendes Fernsehen für die Menschen zwischen 25 bis 49 Jahren zu machen“, wie es 2012 noch von Kanal-Chefin Simone Emmelius hieß. Dennoch stellt der Kauf von «Orange Is the New Black» eine absolute Besonderheit dar. Die Serie stammt nämlich vom Streaming-Dienst Netflix, der seine Eigenproduktionen in der Vergangenheit absichtlich vom Fernsehen fernhielt, um seine Exklusivität zu untermauern.
«Orange Is the New Black» könnte man mit Fug und Recht als Flagschiff-Format des Video-On-Demand-Riesen bezeichnen. Am 11. Juli 2013 feierte die Knast-Dramedy dort ihre Premiere, indem Netflix wie üblich gleich alle 13 Episoden der ersten Staffel auf einmal veröffentlichte. Schnell entwickelte sich ein Hype ums Format, das bis zum heutigen Tag Netflix‘ meistgesehene Original-Serie darstellt. Genau diese Art von Serien nutzte Netflix bis vor kurzem noch um seine Marktposition gegenüber anderen Streaming-Angeboten und dem Fernsehen auszubauen, daher wurde stets betont, dass es sich um Netflix-Produktion und damit um Plattform-exklusive Inhalte handelt, die man anderswo nicht sehen könne. Wollten Serienjunkies also auch in den Genuss von «Orange is the New Black» kommen, musste ein Netflix-Abonnement her.
Zumindest im Falle der von Jenji Kohan produzierten Serie ist damit jetzt Schluss, denn ZDFneo zeigt «Orange Is the New Black» ab dem 20. April immer donnerstags um 23.20 Uhr. Und damit nicht genug: Im Anschluss an die Ausstrahlung im linearen Fernsehen wird «Orange Is the New Black» auch bei der öffentlich-rechtlichen Internetplattform funk zum Abruf bereitstehen. Dort kann dann jeder Deutsche mit einem Internetanschluss das Format streamen. Netflix, das bisher alles unternahm, um sich strategisch und qualitativ vom Fernsehen abzugrenzen, scheint nun also das Fernsehen für sich entdeckt zu haben.
Ganz neu sind Kooperationen mit dem Fernsehen zugegebenermaßen nicht. Zuletzt häuften sich Netflix' Deals mit Fernsehsendern, wonach die Inhalte allerdings nach der Erstausstrahlung im Fernsehen zu Netflix flossen und nicht umgekehrt. So stehen Netflix-Abonnenten beispielsweise die AMC-Serie «Better Call Saul» und FX' «Fargo» oder das The CW-Teeniedrama «Riverdale» schon unmittelbar nach der Erstausstrahlung im Fernsehen zum Abruf bereit. Dass Netflix allerdings seine eigentlich als exklusiv angepriesenen Inhalte ans Fernsehen verkauft, stellte bis dahin ein Novum dar.
Der ZDF-Deal: Netflix‘ Gewinngeschäft?
«Orange is the New Black»-Facts
- Genre: Dramedy
- Schöpfer: Jenji Kohan
- Vorlage: "Orange is the New Black: My Year in a Women's Prison" von Piper Kerman
- Darsteller: Taylor Schilling, Laura Prepon, Michael J. Harney, Michelle Hurst, Kate Mulgrew, Jason Biggs, Uzo Aduba u.w.
- Episodenzahl: 52 (4 Staffeln)
- Produktionsstudios: Lionsgate Television & Titled Productions
- Premiere: 11. Juli 2013 (Netflix)
Der Hype um die Serie abseits der Netflix-Blase war also abgekühlt, allerdings wurden drei weitere Staffeln schon angekündigt. Netflix und Lionsgate Television nehmen mit dem ZDFneo-Deal also sowohl das Geld mit, das der öffentlich-rechtliche Sender für die Ausstrahlungsrechte zahlt, als auch die Zuschauer, die zwar sonst eher aufs lineare Fernsehen setzen, im Rahmen der ersten Staffel aber eventuell Feuer fangen und die Geschichte weiterverfolgen wollen. Und hierin könnte die Raffinesse von Netflix liegen. Der Köder ist ausgeworfen und Zuschauer, die beißen, brauchen einen Netflix-Account, wenn sie die Staffeln zwei bis vier und später die brandneuen Episoden rasch sehen wollen.
Und ZDFneo? Der Mainzer Sender zahlt wohl viel Geld für nur mäßigen Zuschauererfolg, das lässt sich nicht nur am unattraktiven Sendeplatz ablesen, sondern auch am schwachen Abschneiden ähnlich attraktiver Serien in der Vergangenheit. Ohnehin können Zuschauer auch bei funk die Episoden kostenfrei und zu jeder Zeit abrufen und müssen nicht am Abend vor einem Werktag bis Mitternacht aufbleiben, um die Folgen ganz zu sichten. Für das ZDF stellt «Orange Is the New Black» wohl viel Aufwand bei wenig Ertrag dar, nur um dem eigenen schlechten Ruf wieder etwas entgegenzukommen. Netflix hingegen kann mit dem Deal nur gewinnen.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
20.04.2017 10:16 Uhr 1
20.04.2017 10:43 Uhr 2
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20.04.2017 11:10 Uhr 3