Filmfacts «Bleed for this»
- Regie: Ben Younger
- Produktion: Bruce Cohen, Emma Tillinger Koskoff, Chad A. Verdi, Noah Kraft, Pamela Thur, Ben Younger
- Drehbuch: Ben Younger
- Darsteller: Miles Teller, Aaron Eckhart, Katey Sagal, Ciarán Hinds, Ted Levine
- Musik: Julia Holter
- Kamera: Larkin Seiple
- Schnitt: Zac Stuart-Pontier
- Laufzeit: 117 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Wer nach Antoine Fuquas Boxfilm-Klischeeparade «Southpaw» befürchtet hatte, dass dieses Subgenre möglicherweise ausgelaugt in den Seilen hängt, bekommt mit «Bleed for this» einen soliden Gegenbeweis geliefert. Der auf Tatsachen basierende Film von Regisseur/Autor Ben Younger mag sich zwar ebenfalls an einigen Sportlerdrama-Konventionen orientieren, allerdings nähert er sich ihnen zugleich mit einem abgeklärten Verve und einem lausbübischen Charme, so dass er letztlich sehr wohl eine eigene Identität entwickelt.
Die Handlung setzt im November 1988 ein: Vinny Pazienza (gespielt von «Whiplash»-Hauptdarsteller Miles Teller) setzt mit seinen Sperenzchen seinen eh schon wackligen Stand in der Boxwelt aufs Spiel. Als er dann auch noch seine Strecke an Niederlagen fortsetzt und den Weltmeisterkampf im Halbweltergewicht gegen Roger Wayweather verliert, zieht ausgerechnet sein Manager Lou Duva (Ted Levine) im Fernsehen ein verheerendes Fazit – Vinny solle die Boxhandschuhe einfach an den Nagel hängen. Doch Dickkopf Vinny denkt gar nicht dran: Er heuert Boxtrainer Kevin Rooney («Thank You For Smoking»-Hauptdarsteller Aaron Eckhart) an, um ihn wieder in Form zu bringen. Zu Vinnys Überraschung schwebt Kevin eine neue Form für seinen Schützling vor:
Der grantige, sich seine Boxer aber zu Herzen nehmende Trainer schlägt vor, dass Vinny zulegt und fortan in einer anderen Gewichtsklasse kämpft – das würde besser zum Kampfstil des früher so drahtig-agilen Boxers passen, der sich im Ring vermehrt auf seine Steherqualitäten verlässt. Vinnys Management und auch sein Vater Angelo (Ciarán Hinds) zweifeln Kevins Einschätzung an, aber das Gespür des früheren Trainers von Mike Tyson trügt nicht: Für Vinny beginnt eine Comebackgeschichte – mit einmaligen Rückschlägen …
Younger erzählt Vinnys Geschichte als unterhaltsames Drama mit schlagkräftigen Höhen und knochenbrecherischen Tiefen: Der von Miles Teller als sympathischer Dickschädel gespielte Boxer begegnet sämtlichen Hindernissen, die sich ihm den Weg stellen, mit trockenem Lächeln – die Schimpfe aufs Management übernimmt der Papa und wenn die Gesundheit das Comeback zu zerstören droht, reißt Vinny spröde Witzlein. Tellers unaufgeregtes Spiel verankert Szenen, die drohen, in konventionellen Kitsch abzudriften, in einer aller Ernsthaftigkeit zum Trotz gelasseneren Stimmung. Diese hält Younger, sobald die eigentlich Story ins Rollen kommt, dank eines soliden Gespürs für Dialogwechsel: Wenn es droht, zu komödiantisch zu werden, findet schleichend ein härter Nachdruck laut, dass Vinnys Umfeld auf ein Karriereende besteht – und die Zweifler finden dabei gute Argumente. Wird dies zu monoton, gewinnt Vinnys waghalsiger, beeindruckender Starrsinn wieder pointiert die Überhand.
Unausgewogen geraten ist derweil der Einstieg in den Film: Younger findet zunächst keinen erzählerischen Rhythmus, lässt kein stimmiges Gefühl für seine Story und ihren Protagonisten aufkommen. Vinnys Last-Minute-Auftritt bei der Pressekonferenz mit Wayweather hat zwar süffisant vermittelten visuellen Witz, trotzdem braucht es etwas, bis Younger einen verlässlichen Klang für seine Hauptfigur findet. Auch Eckharts erste Szene als Kevin ist unausgewogen, sie suggeriert eher, dass der Trainer einen weiteren Antipathieträger darstellt. Sobald sich Kevin und Vinny endlich auf Augenhöhe begegnen, nimmt «Bleed for this» als Erzählung Form an: Wir sollen und können als Zuschauer mit Vinny mitfiebern, dass er sein Ziel erreicht – und den Kopf schütteln, dass er die Brüche, die er während seines Comebackversuchs erleidet, als leicht zu überwältigende Kleinigkeit abtut.
Während Julia Holters Instrumentalmusik erst im letzten Drittel markante Form annimmt, sind Larkin Seiples Kameraführung und Zac Stuart-Pontiers Schnitt durchweg versiert, wenngleich der letzte Funke an kreativem Denken fehlt, um die Boxkämpfe denkwürdig zu gestalten. Stattdessen sind sie sowie die obligatorischen Trainingsmontagen erzählerisch effizient, aber deutlich rascher wieder vergessen als das Zusammenspiel zwischen Eckhart und Teller – ihre zwischen selbstzerstörerischer Verbissenheit und siegessicherem Optimismus schwankende Dynamik ist das schlagende Herz von «Bleed for this».
Fazit: «Bleed for this» erfindet den Boxfilm keinesfalls neu – ist aber eine stimmige Story mit einem die Dramatik überraschend auflockerndem Witz.
«Bleed for this» ist ab sofort in deutschen Kinos zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel