Hingeschaut

«Meet the Parents»: Hartwichs kalkulierte Dating-Fremdscham

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Mit seinem Neustart am Sonntagvorabend wagt sich RTL überraschend von seiner Dokusoap-Schiene weg. Doch keine Angst: Allzu seriös ist die neue Datingshow nicht geraten. Stattdessen setzt sie ganz bewusst auf die diabolische Magie der Fremdscham, ohne sie aber zu offensichtlich zu inszenieren. Heraus kommt letztlich: Unterhaltsames Fernsehen ohne Mehrwert.

Quoten der Dokusoaps 2017

  • «Vermisst» (11 F.): 13,2%
  • «Versicherungsdet.» (2): 12,2%
  • «BsF - Wiedersehen» (1): 15,3%
  • «SG - Neue Söhne» (1): 13,1%
Durchschnittliche Marktanteile bei den 14- bis 49-Jährigen.
Baustellen lassen sich im aktuellen RTL-Programm durchaus so einige ausmachen, allerdings nicht zwingend am Sonntagvorabend. Insofern erstaunt es schon ein wenig, dass Daniel Hartwich mit seiner brandneuen Datingshow «Meet the Parents» ausgerechnet dort auf Zuschauerjagd geht, wo ansonsten Formate wie «Vermisst» oder «Schwiegertochter gesucht» nicht gerade ein Festmahl für TV-Gourmets servieren, aber dem nach intellektuellem Fastfood gierenden Massenpublikum eben durchaus zu munden wussten. Doch allzu sehr muss sich die Zielgruppe in den kommenden sechs Wochen dann doch nicht umstellen, denn bis auf das Genre ändert sich um 19:05 Uhr kaum etwas - die wöchentliche Ration Fremdscham weiß auch der Neustart auszuliefern. Und er macht es noch nicht einmal gar so perfide und moralisch schwer erträglich wie einige der etablierten RTL-Formate.

In jeder Sendung sucht jeweils eine Frau und ein Mann nach einem potenziellen Traumpartner. In alter «Herzblatt»-Manier buhlen drei Vertreter des anderen Geschlechts um die Gunst des Suchenden, mit einem entscheidenden Clou: Nicht die drei Kandidaten selbst müssen für sich werben, sondern ihre Eltern, während die potenziellen Dates backstage in einem Separee sitzen, dem Geschehen folgen und sich untereinander austauschen können. Zudem darf jeder der Kandidaten einmal das Telefon bemühen, wenn dessen Erzeuger Dinge erzählen, die ihm oder ihr allzu arg gegen den Strich gehen. Am Ende muss sich der Single für das "Kind" entscheiden, das er auf Basis der elterlichen Geschichten am ehesten daten möchte - und bekommt es dann auch noch kurz zu Gesicht.


Kinder, die auf allzu redselige Eltern starren...


Es bedarf keiner allzu großen Fantasie, um sich vorzustellen, dass es bei diesem Setting zu der einen oder anderen Peinlichkeit kommt, wenn es den Eltern überlassen bleibt, über die Vorzüge, Eigenheiten und Macken ihrer Zöglinge zu berichten und sie zugleich ein Stück weit wie auf dem Basar anzupreisen. Natürlich kommt es da zu allerlei Momenten, in denen es die Eltern als ungleich gebotener als der Nachwuchs empfinden, alte Familiengeschichten und Spleens aus der Kindheit aufzuwärmen. Natürlich sind Monologe über hinreißende Talente ihrer Nachkommen aus elterlicher Sicht überaus förderlich für deren Wirkung auf das andere Geschlecht, dämmen den Erwartungswert an künftigen Kopulationsmöglichkeiten aber zugleich bei der jüngeren Generation mit jedem weiteren Detail rapide ein. Und natürlich macht es den Eltern auch Spaß, ein wenig auf den Schwächen ihrer Kinder rumzureiten, wo die doch im Hinterzimmer sitzen und sich kaum wehren können.

Dass der größte Reiz der Sendung in den fremdschämigen Momenten der indirekten Eltern-Kind-Interaktion liegt, dürfte man auch bei RTL gewusst haben, als man das britische Format einkaufte und von den ITV Studios Germany für den deutschen Markt umsetzen ließ. Man spielt jedenfalls sehr stark damit, indem man permanent zwischen dem eigentlichen Studiogeschehen mit Eltern sowie dem suchenden Single und dem Separee, in dem sich die Kinder befinden, hin- und herschaltet. Auch das Telefon ist nur auf dem ersten Blick ein kleiner Rettungsanker für die potenziellen Dates, denn eigentlich bedarf es keiner weiteren Klärung mehr, wenn dieses plötzlich während der Ausführung eines peinlichen Jugendschwanks zu klingeln beginnt. Zumal manch ein Elternteil nur ein geringes Interesse daran hat, sein doch wirklich äußerst witziges Narrativ zu unterbrechen, nur weil der Nachwuchs die Begeisterung nicht so recht zu teilen vermag.

Ein weiterer sehr deutlicher Anhaltspunkt, dass man es hier mehr auf Comedy als auf eine zumindest in Ansätzen seriöse televisionäre Partnervermittlung angelegt hat, ist die Wahl des Moderators - und Daniel Hartwich macht auch wenig Anstalten, allzu verkrampft so zu tun, als ginge es um etwas anderes. Und all das ist so offensichtlich auf Entertainment getrimmt, dass sich kaum die Empörungskarte spielen lässt - zumal die jüngeren wie älteren Protagonisten auch einen ausreichend telegenen und intelligenten Eindruck machen, dass sie sehr wohl wissen, worauf sie sich da eingelassen haben. Vergleicht man die hier auftretenden Menschen mit dem typischen «Schwiegertochter gesucht»-Kandidaten, lassen sich doch ziemlich deutliche kognitive Differenzen ausmachen.

Wie hat euch der Auftakt von «Meet the Parents» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
14,4%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
20,0%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
31,2%
Habe es (noch) nicht gesehen.
34,4%


Fazit: Genug für eine unterhaltsame Fernsehstunde


Mit anderen Worten: «Meet the Parents» spielt durchaus mit Fremdscham und Voyeurismus und hat sichtlich Freude daran, seine Partizipanten ein wenig in die Mangel zu nehmen. Zumeist geschieht dies aber auf einem augenzwinkernden Niveau, bei dem man als Zuschauer den Eindruck hat, dass die Leute vor der Kamera Spaß daran haben, was dort gezeigt wird. Die Idee des elterlicherseits initiierten Paarungsrituals erinnert zwar eher an vergangene Zeiten des Absolutismus und Traditionalismus, der heutzutage zumindest im mitteleuropäischen Raum zum Glück als veraltet betrachtet wird, damit aber für eine Fernsehshow auch einen besonderen Reiz bietet. Hätte Erdogan nicht erst jüngst in einem gewohnt demokratischen Entscheidungsprozess verfügt, alle Datingshows aus dem TV zu verbannen, er hätte vielleicht sogar Gefallen an diesem Vermählungskonzept gefunden.

Für den deutschen Zuschauer bleibt die Sendung ein Guilty Pleasure, wie es klassischerweise auch die meisten Dokusoaps sind - wenn nicht gerade «Vermisst» auf die Tränendrüse drückt. Das muss man nicht unbedingt gut finden und sicherlich auch nicht schauen, aber es wurde schon weitaus schrecklicher umgesetzt als hier. Dass jemand auf diesem unorthodoxen Wege seine große Liebe fürs Leben kennengelernt hat, erscheint zwar reichlich unwahrscheinlich, aber zumindest für einen lustigen Ausflug ins Fernsehen hat es gereicht - und für RTL vielleicht dazu, auch mal endlich wieder ein neues Hit-Format etabliert zu haben. Zumindest die Twitter-Gemeinde hatte großen Spaß an der Sendung...

RTL zeigt fünf weitere Folgen von «Meet the Parents» immer sonntags um 19:05 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/92804
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