First Look

«American Gods»: Gottheit sucht Gläubige

von   |  1 Kommentar

«American Gods» ist eine der spannendsten Produktionen des Jahres. Die oft surreale Serie nimmt sich die Zeit, die sie braucht und punktet dabei mit ihrer Musik, der Regie und den hervorragenden Darstellern.

Cast & Crew

  • Showrunner: Bryan Fuller, Michael Green
  • Autoren: Bryan Fuller, Michael Green, Neil Gaiman, Robert Richardson
  • Regie: David Slade (3 Folgen), Adam Kane, Vincenzo Natali, Guillermo Navarro, Craig Zobel (je 1 Folge)
  • Cast: Ricky Whittle, Emily Browning, Ian McShane, Pablo Schreiber, Bruce Langley, Yetide Badaki, Demore Barnes
  • Produktion: Canada Film Capital, Fremantle Media North America
Plötzlich befindet er sich mitten in einem Krieg der Götter. Nach einer langen Haftstrafe wird Shadow Moon (Ricky Whittle) ein paar Tage vor dem Ende seines Gefängnisaufenthalts entlassen. Der Grund: seine Frau Laura verstarb bei einem Autounfall. Auf dem Weg zu ihrer Beerdigung trifft er auf den geheimnisvollen Mr. Wednesday (Ian McShane), einen Gott, der auf seiner Reise scheinbar Verbündete für einen aufziehenden Krieg der Götter rekrutiert. Er ist einer der „alten“ Götter, die sich im Clinch mit den neuen ihrer Art befinden. Das spannende Argument des gleichnamigen Buchs von Neil Gaiman, auf dem die Serie basiert: Götter existieren nur, weil Menschen an sie glauben. So befinden sich die alten Götter in einem Überlebenskampf, da sich die Menschen zunehmend neuen Gottheiten wie Medien oder Technologie zuwenden.

Orientierungslosigkeit als Konzept


Die neue Starz-Serie «American Gods», deren Rechte sich hierzulande Amazon gesichert hat, hinterlässt seine Zuseher zu Beginn ganz bewusst etwas orientierungslos. Selten gibt es in den ersten drei Episoden Momente der Klarheit, ständig wird man in komplexe Handlungsstränge geworfen, deren Sinn man zu diesem Zeitpunkt bei weitem noch nicht versteht. «American Gods» nimmt sich dabei beim Erzählen reichlich Zeit und kostet das Aufeinandertreffen ihrer einzigartigen Charaktere genüsslich aus. Erst während der vierten Folge (die Presse hatte vorab Einblick bis zu diesem Zeitpunkt) nimmt die Serie an Fahrt auf, klärt spannungsgeladen über die Geschehnisse der ersten Episode auf und führt diverse Handlungsstränge gekonnt zusammen.

Diese Erzählweise ist nicht für jedermann gemacht und als Zuschauer muss man sich zuerst einem auf den ersten Blick undurchsichtigen Geflecht an Eindrücken und Handlungselementen stellen. Doch die Macher von «American Gods» entschädigen mit extrem intensiven und surrealen Szenen, deren Einordnung erstmal schwerfällt, jedoch dank ihrer Imposanz überzeugen – für manchen Zuschauer mag die Brutalität einiger Momente jedoch definitiv abschreckend wirken. Die ersten drei Folgen sollen vor allem die Stimmung sowie das Setting der Serie einfangen, wobei filmische Elemente zahlreicher Genres ihren Weg in die Serie finden (Fantasy, Mystery, Roadmovie, Cyberpunk, Splatter – um nur einige zu nennen).

Vom Leben in den Tod


Dabei arbeiten die Showrunner Bryan Fuller («Hannibal») und Michael Green («Kings») entsprechend der Thematik gerne mit religiöser und mythologischer Symbolik. Für solche Szenen außerhalb der Hauptstory nimmt sich die Serie viel Zeit: bis zu acht Minuten verfolgen wir beispielsweise eine alte Dame beim Übergang vom Leben in den Tod, begleitet von Ibis, dem Protokollanten des Totengerichts aus der ägyptischen Mythologie. Auch in diesen Momenten punktet «American Gods» mit intensiven Bildern, wenngleich das CGI über die gesamte Serie hinweg nicht immer das ansehnlichste ist (was man einem kleinen Pay-TV-Sender wie Starz durchaus nachsehen darf). Die Szenen erhalten dabei durchgängig eine dezente, manchmal die gezeigten Bilder bewusst konterkarierende musikalische Unterhaltung, die darauf abzielt, den Gegensatz zwischen alten und neuen Göttern zu verdeutlichen. Vor allem aber die 60er haben Einzug in die erste Staffelhälfte von «American Gods» gefunden, sei es in Form von The Dixie Cups oder Bob Dylan.

Ein weiterer Ankerpunkt in dieser komplexen Serie sind die fabelhaften Schauspieler. Während Ricky Whittle eine gute Performance als ruhiger und rastloser Shadow hinlegt, wird der «The 100»-Darsteller allerdings oft von seinen ausgezeichneten Kollegen in den Schatten gestellt. Alleine schon der knapp fünfminütige Monolog des hervorragend aufgelegten Ian McShane alias Mr. Wednesday in der ersten Folge sollte Grund genug sein, zumindest einen Blick in die Serie zu werfen. Doch auch andere Darsteller wie Emily Browning oder Demore Barnes – um nur zwei zu nennen – bereichern das Ensemble.

Fazit


«American Gods» ist auf beinahe allen Ebenen ein Wagnis: die Serie eckt an, ist experimentell und wird keinem breiten Publikum gefallen. Doch ihre Themen sind aktueller denn je: die gottgleiche Verehrung von Technik, Rassismus oder Amerikas kulturelles Erbe durch Immigration. Bryan Fuller und Michael Green haben mit den ersten vier Episoden die Grundlage für eine spannende Fortführung der Handlung gelegt – und dank der tollen Regie (unter anderem «Hannibal»-Regisseur David Slade), Musik und Darsteller wird diese surreale Serie zu einem recht einzigartigen Erlebnis.

Die Review erschien anlässlich des Starts der Serie bei Amazon Prime. Ab sofort läuft die Serie auch im Pay-TV. RTL Crime zeigt das Format freitags um 20.15 Uhr.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Burpie
02.05.2017 15:04 Uhr 1
Da freue ich mich schon sehr drauf, denn das Buch ist der Hammer. Wie eigentlich alles von Gaiman...
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