Die Kritiker

«Polizeiruf 110 - Nachtdienst»

von

Ein Mord im Altenheim führt Hans von Meuffels mitten in den Pflegenotstand. Ein Film, der manchmal zu pathetisch wachrütteln will, dessen ruhigere, einnehmendere Momente dafür aber umso gelungener sind.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Matthias Brandt als Hans von Meuffels
Elisabeth Schwarz als Elisabeth Strauß
Marina Galic als Marija Abramovich
Philipp Moog als Sebastian Kroll
Florian Karlheim als Tscharlie Meier
Ernst Jacobi als Claus Grübner
Mika Ullritz als Janni

Hinter der Kamera:
Produktion: die film gmbh
Drehbuch: Ariela Bogenberger und Astrid Ströher
Regie: Rainer Kaufmann
Kamera: Klaus Eichhammer
Produzenten: Sophia Aldenhoven und Uli Aselmann
Der Pflegenotstand hat ein Gesicht: Es ist das von Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz), 80 Jahre alt, total dement, aber resolut und willensstark. Spät nachts taucht sie vor dem Münchner Kommissariat auf, wo Hans von Meuffels (Matthias Brandt) gerade seine wohlverdiente Feierabendzigarette raucht. Sie beginnt zu faseln, zusammenhängend, aber schwer verständlich, von einem Mord im Pflegeheim, einem Erschlagenen, ganz viel Blut – und ganz viel Vernachlässigung.

Meuffels beschließt zu ermitteln, fährt ins Pflegeheim und sieht sich die dortigen Zustände an. Sie sind freilich schockierend. Die drei Pfleger der Station – zwei junge Männer mit gebrochener Erwerbsbiographie samt berufsständischer Verbitterung und eine osteuropäische Kollegin, die tapfer viel zu schwere alte Leute von A nach B lagert – tut, was sie kann, doch das ist bei dieser Besetzung nicht viel. Sie können zusehen, dass so wenige Menschen an vermeidbaren Ursachen sterben wie möglich, dass sich die völlig wahnhaften Patienten zumindest so ruhig verhalten, dass sie die Anderen nicht stören, können im Akkord Windeln wechseln, Medikamente geben, Erbrochenes aufwischen. Und dann steht da dieser Meuffels, der bald noch mitten in der Nacht einen Trupp Spurensicherung ins Heim schleift, und will in einem Mordfall ermitteln.

Am schlimmsten sind die Patienten dran, die noch klar bei Verstand sind, und somit voll aufnahmefähig das Elend als solches erkennen. Das Pflegeheim ist ein Ort größter Tristesse, mit einer Verwaltung des Leidens und Sterbens, die so herz- und erbarmungslos wirkt, als hätte sie Kafka an einem seiner unglücklicheren Tage verfasst, und dem Tod, diesem Meister aus Deutschland, als ständigem Begleiter: Das Sterben wird ein alltäglicher Prozess, und jeder kann der Nächste sein.

„Nachtdienst“ ist ein beobachtender Film, eine Milieustudie – nicht zuletzt aber auch ein Problemfilm. An seinem Mordfall, den er eher zur Auflockerung fast schon karikierend erzählt, hat er wenig Interesse. Stattdessen führt er uns eine scheinbar wahllose Nachtschicht in einem süddeutschen Pflegedienst vor, mitsamt ihren Banalitäten, organisatorischen Defiziten, unschönen Ereignissen und Vorgängen, die sich kulminiert zu einer Grausamkeit häufen. Jenseits der unerhörten Begebenheit eines nächtlichen Mordes im Pflegeheim scheinen die Autoren Ariela Bogenberger und Astrid Ströher und Regisseur Rainer Kaufmann großen Wert darauf zu legen, uns diese Nacht im Heim als eine exemplarische darzustellen. Daraus folgt: Diese Grausamkeit ist systemisch, sie ist eine soziale und politische Unerhörtheit.

Leider begnügt sich dieser Film nicht mit der Darstellung dieser Zustände, die durch die Linse einer ruhigen, aber haltungsvollen Figur wie Hans von Meuffels äußerst effektiv gewesen wäre. Stattdessen inszeniert er sich als Wachrüttelfilm, der unnötig plump und unkünstlerisch die Missstände abarbeitet, und zumindest im letzten Drittel unangenehm sensationalisiert. Dadurch tritt das Gegenteil dessen ein, was nötig gewesen wäre: Das Thema läuft Gefahr, durch die fehlgeleitete Eskalation lachhaft zu wirken.

Die ruhigen, beobachtenden – und dabei besonders schockierenden – Momente sind dagegen die inhaltlich Besten und Einnehmendsten des Films. Den Mord hätte es, wie so oft in wirklich guten Krimis mit sozialer Ambition, gar nicht gebraucht. Den unnötigen, vom Wesentlichen ablenkenden Bodycount im letzten Akt, den die Eröffnung kurz vorwegnimmt, erst recht nicht.

Das Erste zeigt «Polizeiruf 110 – Nachtdienst» am Sonntag, den 7. Mai um 20.25 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/92910
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