Cast und Crew
- Regie: Christiane Balthasar
- Darsteller: Benjamin Sadler, Jasmin Gerat, Michael A. Grimm, Johanna Polley, Hanns Zischler, Martin Glade, Milena Dreißig
- Drehbuch: Jochen Bitzer
- Kamera: Hannes Hubach
- Schnitt: Andreas Althoff
- Musik: Johannes Kobilke
- Produktionsfirma: UFA Fiction
Der ehemalige, gewalttätige Alkoholiker Friedhelm Knecht (Michael A. Grimm), der wegen einer Gewalttat fünf Jahre im Knast abgesessen hat, ist laut dem forensischen Psychiater Dr. Robert Siedler (Benjamin Sadler) wieder gesellschaftstauglich. Doch kaum hat Knecht sein neues Leben in einem Malerbetrieb aufgenommen, geschieht ein Mord – und da der Ex-Häftling unmittelbar nach der Tat wie vom Erdboden verschluckt ist, sind sich die Anwohner und vor allem der Ehemann des Opfers sowie die Presse sicher: Knecht war der Täter. Siedler sieht sich heftiger Kritik für seine Entscheidung ausgesetzt, gleichzeitig muss er versuchen, dies nicht an sich herankommen zu lassen. Immerhin muss er einen klaren Kopf bewahren, um einen weiteren Fall zu lösen: Eine Schülerin (Johanna Polley) behauptet, unter Drogeneinfluss einen Dealer erstochen zu haben – doch irgendwas daran kommt dem Gutachter fischig vor …
Anders als seine Kollegen aus «Spuren des Bösen» und «Neben der Spur» ist Dr. Robert Siedler eine lebensfrohe, selbstbewusste Natur, ohne dabei ins Arrogante zu kippen: Er findet im Umgang mit seinen "Patienten" den Mittelweg zwischen empathisch und analytisch, einfühlsam und distanziert. Er ist ein solider Mentor, wie eine clever eingebundene, als Vorlesung getarnte Expositionsszene im Prolog vorführt. Gleichzeitig weiß er im Streitgespräch mit Kollegen und Vorgesetzten, die Ellenbogen auszufahren.
Hieraus generiert sich die charakterbezogene Fallhöhe des Krimis. Denn sobald der von Sadler mit einer angenehmen "Mitte 40, aber jugendliche Energie, ohne übertrieben quirlig zu sein"-Ader gespielte Gutachter wegen seiner (vermeintlichen?) Fehlentscheidung auseinander genommen wird, gerät er ins Schlingern. Er zweifelt an sich selbst, kompensiert dies mit Anflügen der Überheblichkeit, wählt im Gespräch mit seinem neuen "Fall" harsche Worte, wird dann an anderer Stelle im falschen Moment nachsichtig. Ergänzt wird dieser Handlungsbogen durch die in Gutachter-Krimis übliche Frage: Wie löblich oder schädlich sind Resozialisierungsverfahren, ist Vorsicht nun besser als Nachsicht?
Das Drehbuch von Jochen Bitzer («Der Fall Jakob von Metzler») ringt dieser Debatte keine neuen Facetten ab, geht die Standardargumente allerdings recht wortgewandt und wohlstrukturiert durch, während «Kommissarin Heller»-Stammregisseurin Christiane Balthasar das Geschehen in den ruhigeren Passagen durch minutiös gewählte Kameraeinstellungen voller atmosphärischer Details aufwertet. Dass die Nebenfiguren, abseits Siedler und seiner "Schützlinge", sowie die actionreicheren Passagen dennoch etwas blass bleiben, ist ein bedauerlicher, aber kleiner Schönheitsfehler – und einer, den etwaige Fortsetzungen ausbügeln könnten.
«Der Gutachter – Ein Mord zuviel» ist am 8. Mai 2017 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
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