The times they are changin‘: Mehr Qualität, weniger Masse?
Die Quotenmeter.de-Gesprächspartner
- Rüdiger Böss, SVP Group Programming Acquisitions, ProSiebenSat.1 Media AG
- Marcus Ammon, Senior Vice President Film und Entertainment, Sky Deutschland
- Jörg Graf, COO Program Affairs, Mediengruppe RTL Deutschland
„Das Seriengeschäft wird sicherlich schwieriger“, meint auch Böss. Der Zuschauer entpuppe sich immer mehr als untreuer Genosse und das Überangebot an Serien führe mehr und mehr zu Nischenproduktionen. „Die Studios haben diese Bewegung allerdings erkannt, so gab es dieses Jahr schon weniger Piloten als in den Jahren zuvor. In diese Richtung müssen wir weiterdenken: mehr Qualität und weniger Masse.“ Inhaltlich zeigt sich zumindest auch Marcus Ammon angetan „von der qualitativen Vielfalt, dem exzellenten Handwerk und der kreativen Strahlkraft vieler Shows: eskapistische, leicht verdauliche, auf ein breites Publikum abzielende Serien geben sich die Hand mit komplexeren, horizontal erzählten, zum Nachdenken anregenden Geschichten“, so der Sky Deutschland-Mann.
Weg vom Fremden, hin zum Eigenen?
Dass die neuen Produktionen inhaltlich einiges mit sich bringen, wünschen sich natürlich alle der deutschen Einkäufer, Fernsehzuschauer sowieso. Doch die Bedeutung qualitativ hochwertiger und vor allem beim Publikum gefragter Serien variiert bei den Sendern je nach Einsatz von Eigenproduktionen. Über eine nicht ganz so hohe Abhängigkeit von ansprechenden US-Produktionen verfügt beispielsweise RTL. „Die Mediengruppe RTL Deutschland hat immer schon den Großteil der Programm-Investitionen ins Eigenprogramm gelenkt. Wir werden dies auch bei VOX weiter verstärken und auch RTL Nitro erhöht den Anteil redaktionell erstellter Programme“, erklärt Jörg Graf. Dies sei die logische Konsequenz aus den völlig veränderten Marktbedingungen. Zum einen seien heute viel mehr Medienangebote im Markt und die Zeiten, in denen aus einem US-Hit automatisch auch ein europäischer Hit wurde, seien schlichtweg vorüber.
„Wir möchten daher die Inhalte für unser Publikum maßschneidern“, sagt Graf, der Formate wie «Der Lehrer» (Foto) bei RTL oder «Club der roten Bänder» bei VOX als gelungene Beispiele nennt. „Auch benötigen wir die Inhalte auf unseren Sendern und Plattformen exklusiv. Eine Serie, die vor oder nach TV Ausstrahlung bereits im linearen Pay-TV oder auf einer SVOD Plattformen angeboten wird, verliert für die Zuschauer und damit auch uns als Sender immer mehr an Relevanz“, beschreibt Graf die veränderten Anforderungen aufgrund des sich stetig wandelnden Markts. Daher würde in Zukunft wahrscheinlich weniger klassische Output oder Volume Deals zustande kommen, sondern mehr „a la carte“-Einkäufe. Die Studio-Deals sehe Graf allerdings gar nicht kritisch, hätten sie RTL doch jahrelang einen tollen Erfolg beschert. „In einem veränderten Medienmarkt mit völlig anderem Nutzungsverhalten müssen wir uns schlichtweg anpassen.“ Man werde weiterhin US-amerikanisches TV in Deutschland anbieten, dies aber vielleicht nicht mehr in der Menge, wie es noch vor 10 Jahren der Fall war und auch zu anderen Konditionen, erklärt Graf.
Bei Sky Deutschland nahmen im Zuge des Sky1-Launches die Eigenproduktionen deutlich zu, dementsprechend sieht auch Marcus Ammon einen starken Bedeutungszuwachs lokaler und pan-europäischer Eigen- und Koproduktionen. „Dennoch freuen wir uns auch dieses Jahr wieder auf Serien aus der Traumfabrik, die mit universellen Themen, einem unangefochten hohen Production Value und spannenden Storylines auch ein deutsches Publikum in ihren Bann ziehen werden“, relativiert Ammon. Wie so oft im Leben mache es die Mischung.
Einen größeren Anteil als beispielsweise bei RTL kommt bei ProSiebenSat.1 US-Produktionen zu. Diese werden weiterhin ein wichtiger Programmbaustein sein, wie Böss bestätigt: „Wir werden auch weiterhin in hochwertige internationale Programme investieren. Es freut uns, dass die Zuschauer inzwischen wieder mehr gut gemachte deutsche Serien schauen. Aus meiner Erfahrung lassen sich deutsche Programme allerdings oft schlechter wiederholen.“ Daher sei und bleibe ein guter Mix aus US- und deutschen Produktionen essentiell für ProSiebenSat.1.
Fest steht: Die LA Screenings sind heute eine deutlich andere Veranstaltung als noch vor einigen Jahren, aber nicht minder spannend. Durch neue Arten von Deals sehen die deutschen Medienhäuser zwar dieser Tage in Kalifornien nur, was sie ohnehin schon erworben haben, diese Situation könnte sich aber bereits in den kommenden Jahren ändern. In jedem Fall kommt den US-Produktionen, deren Piloten die Einkäufer von RTL, ProSiebenSat.1 oder Sky Deutschland bei den LA Screenings erstmals zu sehen kriegen, noch immer eine hohe Bedeutung zu, bestreiten doch die deutschen Sender immer noch große Teile ihres Programms damit. Durch die sich stetig wandelnden Marktbedingungen könnten sich der Stellenwert der Veranstaltung in den kommenden Jahren jedoch massiv ändern. Die Sender müssen daher wachsam bleiben, um auch in Zukunft die aus ihrer Sicht optimale Programmstrategie zu verfolgen.
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30.05.2017 11:13 Uhr 1
30.05.2017 13:11 Uhr 2