Sülters Sendepause

Das TV als Serienmörder - wer liest schon halbe Bücher?

von   |  3 Kommentare

Für die meisten Serienfreunde ist es längst Normalität: Die Absetzung einer geliebten Serie. Je nachdem wie Hals über Kopf das im Einzelfall über die Bühne geht, ist das Geschrei mal kleiner und mal größer. Erwartet man vielleicht einfach nichts anderes mehr? Sollte das so sein? Wer würde sich denn gerne ein halbes Buch kaufen? Oder einen halben Film ansehen? Oder mitten im Konzert gehen wollen? Da muss wohl mal die Sendepause ran.

Großoffensive auf die Herzen der Zuschauer



Wenn ein Sender eine neue Serie ankündigt, dann zumeist mit viel Trara und Superlativen. Die Werbemaschine rollt, die Einschätzungen der Verantwortlichen sind rosarot. Man lockt mit bewährten Machern und beliebten Stars aus anderen Formaten und sorgt dafür, dass auch wirklich jeder den Start mitbekommt. Vielleicht erzählt man sogar etwas von einem großen Plan für die Serie, von unzähligen Geschichten, die man über Jahre erzählen möchte. Köder auslegen macht schließlich Freude.

Doch wenn dann der große Tag der Premiere endlich da war und kurz darauf die Einschaltquoten veröffentlicht werden, wurden schon oft in irgendwelchen Büros die Ordner mit dem Langzeitplan zugeschlagen und dem Schredder übergeben. Satz mit X - war wohl nix. Marktanteil unterschritten, Zielgruppenrating nicht ausreichend, Prognosen nicht bestätigt - Ende.

Mit Pech trifft der Bannstrahl der Einstellung die Produktion ungebremst und man versendet nur noch die restlichen Episoden (wenn überhaupt) - oder es gibt eine Gnadenfrist, die dann aber auch oft zum Ende der Midseason aufgebraucht ist. Quotentod in wenigen Akten.

Mit Pech hat sich aber trotz allem eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Zuschauern in das Format verguckt und muss nun verwundert feststellen, dass es irgendwann einfach nicht mehr weitergeht. Man darf nicht annehmen, dass die meisten Menschen sich explizit mit Einschaltquoten befassen, so spannend dieses Thema auch ist. Da wird eher altmodisch in die Fernsehzeitung geschaut und irritiert festgestellt, dass die neue Lieblingsserie einfach verschwunden ist. Naja, was soll´s. Dann vielleicht beim nächsten Versuch. Macht das wirklich Spaß?

Vermutlich haben wir es hier mit einer klaren Einstellungssache zu tun. Netflix zum Beispiel steht ja fast schon sinnbildlich für das Herunterkonsumieren von Serien und prägt die Kultur, Staffel auf Staffel im Akkord durchzuackern. Hier haben sich viele Serienfreunde vielleicht schlicht bereits der neuen wunderbaren Schnellebigkeit angepasst und wechseln einfach zum Nächsten, wenn das Andere nicht mehr ist. Masse schafft Optionen. Warum weinen? Klappe zu, Affe tot.

Die romantisch verklärten wie ich jedoch, die eine Serie auch gerne mal genießen, die sich auch über Jahre daran erfreuen können und die dann gerne am Ende einen irgendwie gearteten Abschluss wünschen, fallen da vermutlich durch den Rost namens Zeitgeist.

Dennoch: Man könnte und sollte immer versuchen, irgendeinen Schluss hinzubekommen. Oder? Im besten Fall natürlich ohne Quotenleid und mit massig Vorlauf.

Gut gemeint, nix gebracht?



Doch ist eine klare und frühzeitige Absprache zwischen Machern und Schattenmännern selbst bei Erfolgsformaten kein Allheilmittel. Die Serie «Dexter» zum Beispiel bekam frühzeitig zwei finale Staffeln spendiert und machte daraus nur noch halbgare Qualität und ein frustrierendes Ende. Bei «LOST» fasste man gar einen noch viel langfristigeren Plan, der jedoch - für eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Fans - ebenfalls nicht zu einem befriedigenden Schluss führte. Was wird da erst mit «Game of Thrones» werden? Wird das exakt vorausgeplante Finish die Serie würdig beenden können?

The Babylon Paradox



Ein schönes Beispiel dafür, wie sich Serienmacher mit aller Kraft gegen die Mechanismen der Branche stemmen, ist immer noch die inzwischen schon 25 Jahre junge SF-Oper «Babylon 5» aus den Neunzigern. Diese lief nicht nur in direkter Konkurrenz zu «Star Trek: Deep Space Nine» und mit äußerst niedrigen Zuschauerzahlen, sie war auch durch finanzielle Engpässe immer wieder vom frühzeitigen Tod bedroht. Und das, obwohl Macher J. Michael Straczynski einen klaren 5-Jahres-Plan hatte, den es minutiös umzusetzen galt. Dennoch belastete die Produktion Staffel um Staffel die bange Frage, ob es denn weitergehen dürfe, so lange, bis man gen Ende des vierten Jahres dann doch noch den Steckere gezogen bekommen sollte. JMS reagierte, schrieb die Staffel um, erhöhte das Tempo, strich Elemente heraus und hatte alles für ein halbwegs gerettetes Finale samt Abschlussepisode eingetütet, als ein anderer Player seine Kreation übernahm und ihm nochmal 22 Episoden schenkte. Also wurde auf die Schnelle eine billige Alternativepisode fürs Staffelende heruntergekurbelt und JMS stand vor der Frage, wie er nun das fünfte Jahr füllen sollte - wo er seinen Plan doch hektisch beendet hatte. Das Ergebnis war auch hier eher ernüchternd: Der Flow war raus, die Luft auch. Das letzte Jahr kam nie mehr gänzlich ins Rollen und zeigte, wie sehr die Ränkespiele hinter den Kulissen die Arbeit der Kreativen beeinflussen.

Um den Macher war es seitdem lange ruhiger, bis er schließlich bei Netflix heimisch wurde. Doch hatte Straczynski erneut kein Glück. Sein Vehikel «Sense8», das er gemeinsam mit den Wachowskis am Start hatte, wurde trotz Cliffhanger-Ende und Mehrjahresplan just einfach so abgesetzt. Und das ausgerechnet von den Serienfreunden und Rettern beim Streamingriesen. Willkommen in der bösen Realität moderner Sehgewohnheiten. Bei Babylon 5 ging damals der Spruch um, dass JMS die Serie zur Not auch als Puppentheater zuende geführt hätte - worauf ich wetten würde. Vielleicht sollte er diese Idee jetzt für Sense8 nochmal aufwärmen.

Conclusio


Steckbrief

Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Letztlich ist es eine Geschmacksfrage, bei der ich immer wieder auf meinen Vergleich zu Filmen, Büchern oder Konzertbesuchen zurückkomme. Mit einer neuen Serie bekommt man im Zweifel einfach keine abgeschlossene Geschichte - es sei denn man wartet, bis alles versendet ist. Dann bleibt nur noch das Qualitätsproblem. Dieses löst sich aber zum Beispiel bei einem Buch oder Film im Zweifel auch erst auf den letzten Seiten oder Minuten auf oder manifestiert sich gänzlich. Hier findet sich kein starkes Argument.

Ich bleibe dabei: Ein Ende muss einfach sein und sollte zum guten Ton gehören. Und wenn Zweifel an der Fortführung bestehen, müssen die Damen und Herren in den wichtigen Sesseln einfach rechtzeitig den Mund aufmachen. Oder man beendet einfach die Zeit der Cliffhanger und lässt Staffeln mehr für sich stehen? Das tötet im Zweifel zwar langfristige Handlungselemente, führt aber im Notfall eben dann doch zu einem glimpflicheren Ende. Eines sollten die großen Bosse sich jedoch immer vor Augen halten: Alles was sie tun, tun sie den Fans zuliebe, die ja irgendwie am Ende des langen Tages dann doch Kunden, Zielgruppe und Kapital sind. Gell?

Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.

«Sülters Sendepause» kehrt in vierzehn Tagen zurück.

Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.

Für Anmerkungen, Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
anna96
18.06.2017 15:33 Uhr 1
Hallo Björn, hallo Quotenmeter!

Was möchtest du mir mit dieser Kolumne sagen? Deine Schlussfolgerung ist irreführend. Du bist für ein richtiges Ende, aber ein Cliffhanger ist auch okay. Das verstehe ich nicht. Eine Schlussfolgerung sollte eine Meinung vertreten. Auch die letzten Artikel haben mich massiv enttäuscht. Sollte wirklich Dieter Bohlen zum Songcontest fahren? Auch inhaltlich verhaspelst du dich, da Stefan Raab nach Lena nur noch als Juror zur Verfügung stand.



Du wirfst mit deiner Kolumne Fragen auf, aber in deinem Artikel werden diese nie beantwortet. Was hast du für eine Meinung? Du musst mir auch mal sagen, warum ich deine Meinung gut finden soll, denn am Ende sagst du nichts. Da ist mir am Samstag Frau Klode bei euren Mitbewerbern lieber. Frau Klode schreibt, was Sache ist, was ich hier nicht finden kann. Bei Absetzungen ist alles so ein bisschen gut, bei Festivals setzt du Michael Jackson mit Festivals gleich und beim Songcontest hast du dich mit deinen Lücken schon selbst abgeschrieben.
Sentinel2003
18.06.2017 19:59 Uhr 2
Irgendwie erinnert mich das an 1, 2 Auseinandersetzungen mit Herrn Sülter, wo er meine Kritik an 1, 2 Artikeln null nachvollziehen konnte und wollte!
björn.sü
18.06.2017 21:10 Uhr 3
@Sentinel: Da ich bisher noch gar nichts geschrieben habe, frage ich mich, warum es dich an irgendwas erinnert? :-)



@anna96: Es ist völig okay, wenn dir meine Kolumne nichts sagt - sie soll zum Nachdenken anregen - wenn das nicht bei jedem klappt ist das doch nicht schlimm.



Zu deinen Punkten:



- Ich plädiere für ein Ende, nicht für Cliffhanger. Zumindest weiß ich nicht, wo du das rausliest.



- Ob Bohlen zum ESC soll? Was meinst du denn? Ich habe das mal so in den Raum gestellt - mit Für und Wieder.



- Michael Jackson habe ich nicht mit Festivals gleichgesetzt sondern mit Live-Erlebnissen in Sachen Musik.



- Dass Stefan Raab Juror war habe ich doch gar nicht bestritten?



Und ich muss dir nicht sagen, warum du meine Meinung gut finden sollst. Du musst sie nämlich gar nicht gutfinden. Eine Kolumne muss niemandem eine Meinung aufdrücken - aber sie darf gerne zu eigenen Gedanken anregen. Und wenn diese dann in eine andere Richtung gehen, finde ich das auch super.



Von daher sehe ich das alles als nur halb so wild an :-)
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