Das ist der Audience Flow
- Bezeichnung für Wanderbewegungen der Zuschauer bei direkt aufeinander folgenden Sendungen
- dient der Quantifikation der für die Programmplanung zentralen Zuschauerbindung
- Fernsehsender versuchen gezielt, zwischen zwei Sendungen möglichst "weiche" Übergänge zu schaffen - um beim Zuschauer keinen Zapping-Impuls in Gang zu setzen
Besonders beliebt sind an diesen Tagen Sonderprogrammierungen, durch die über viele Stunden hinweg die Interessen einer bestimmten Zielgruppe bedient werden - was auf ein Genre bezogen sein kann, auf eine oder mehrere Personen oder auf ein bestimmtes Franchise etwa im Film- oder Serienbereich. Und genau damit wollen wir uns im Rahmen dieses Artikels einmal unter der leitenden Fragestellung befassen, ob sich dieses Stilmittel zur Generierung eines "Audience Flows" überhaupt eignen oder derartige Versuche meist eher im Quoten-Nirvana verpuffen. Dafür haben wir uns das Feiertagsprogramm der acht großen Sender (Das Erste, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben, VOX, kabel eins und RTL II) der vergangenen Monate einmal genauer angeschaut.
kabel eins: Wenn das Besondere zur Regel wird
Die eifrigsten Versuche, das Publikum mit über Stunden hinweg klar definierten Marken an sich zu binden, hat in den vergangenen Monaten kabel eins unternommen. Und wenngleich der Sender mittlerweile kaum mehr Relevanz mit eigenproduzierten Inhalten besitzt, weiß er doch seine Kernkompetenz Spielfilme an Feiertagen sehr gut zu nutzen. Dabei sind es fast immer dieselben Inhalte, die man zuletzt zelebrierte: Bud Spencer und Terence Hill, Eddie Murphy und Miss Marple gaben sich in den vergangenen Monaten hier beinahe die Klinke in die Hand. Und das kommt natürlich nicht von ungefähr, schließlich zeigen sich diese Namen weitgehend abnutzungsresistent.
So erreichte alleine «Miss Marple» mit ihren drei Doppeleinsätzen zur Primetime seit Heiligabend durchschnittlich rund acht Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe, beim Gesamtpulikum wurden bis zu 2,28 Millionen Menschen und fast durchweg über sechs Prozent erzielt - alles andere als schlechte Werte für einen Sender, der normalerweise selbst an besseren Tagen kaum mehr als fünf Prozent des jungen Publikums verbucht. Verlässliche Größen sind seit vielen Jahren auch Spencer und Hill, wobei diese zuletzt mehrheitlich in der Daytime erfolgreich performten. Einen besonderen Leckerbissen für Fans hielt man am ersten Weihnachtstag bereit, als zunächst in der Daytime Streifen nur mit Spencer ausgestrahlt wurden, bevor dann ab 20:15 Uhr sein großer Mitstreiter gewissermaßen hinzu trat. Eine eigentlich ganz charmante Idee, die allerdings mit durchschnittlich rund einer Million Zuschauer und zumindest beim jüngeren Publikum überwiegend mittelprächtigen Zahlen aber nicht ganz so gut ankam wie gewiss erhofft.
MA-Vergleich bei kabel eins
- Feiertage: 4,7% / 6,2%
- Saison: 3,6% / 4,9%
Durchschnittliche Marktanteile bei Gesamtpublikum und Zielgruppe an den bisherigen Feiertagen im Jahr 2017 im Vergleich mit den Saison-Durchschnittswerten.
Es ist also kaum davon auszugehen, dass der Sender seine Strategie in diesem Punkt ändern wird, da sie höchst erfolgreich ist (siehe Infobox) und überdies das Profil des ansonsten oftmals eher jämmerlich wirkenden Senders schärft. Diese Klassiker haben eine große Fangemeinde und sprechen insbesondere die Menschen an, die an Feiertagen ein Stück weit auch in sentimentalen Erinnerungen schwelgen möchte. Tut niemandem weh, erfreut einige Menschen, bringt gute Quoten und entspricht dem Senderimage... es wird also noch viele ähnliche Programmierungen zu bestaunen geben, vielleicht ja in Bälde dann auch mal wieder mit anderen Klassikern.
Animationsfilme: Gerne gezeigt, recht gerne gesehen
Inmitten des Wustes an unterschiedlichen Sonderprogrammierungen fällt neben ihrer extremen Präsenz bei kabel eins vor allem auch ins Auge, wie häufig Animationsfilme zu sehen sind. Insbesondere Sat.1 strahlt diese nur allzu gerne aus:
- An Heiligabend etwa lief zunächst um 16:25 Uhr «Der Polarexpress» vor 0,90 Millionen Zuschauer, bevor «Disney's Eine Weihnachtsgeschichte» im Anschluss auf 1,05 Millionen gelangte. Die damit verbundenen Zielgruppen-Marktanteile von 10,6 und 10,8 Prozent konnten sich sehen lassen.
- Am Tag darauf zelebrierte man die Free-TV-Premiere von «Drachenzähmen leicht gemacht 2» sogar dergestalt, dass man beinahe die komplette Daytime damit bestückte. Das lief temporär mit bis zu 14,5 Prozent für «Ice Age 4» richtig toll, «Cars» hingegen kam beispielsweise nur auf 6,9 Prozent - und auch die Primetime-Premiere selbst riss mit 9,0 Prozent nicht gerade Bäume aus. Ähnlich durchwachsen lief es auch am Ostersonntag, wo zunächst ab 12:15 Uhr «Rio» mit 5,1 Prozent floppte, bevor dann ab 15:50 Uhr «Drachenzähmen leicht gemacht» auf starke 12,2 Prozent gelangte.
Doch nicht nur der Bällchensender zeigt gerne die animierten Streifen an Feiertagen, sondern etwa auch RTL II, das an Silvester alle drei «Toy Story»-Filme hintereinander auf Zuschauerjagd schickte oder die große Schwester RTL, die am Tag der Arbeit mit «Turbo», «Wall-E» und «Asterix» auf immerhin 11,7 bis 14,2 Prozent der werberelevanten Konsumenten gelangten. Der absolute Megahit waren die Filme also in den vergangenen Monaten nicht immer und zu jedem Zeitpunkt, gezeigt werden sie dennoch. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Feiertage als Familientage das Bedürfnis bei vielen Zuschauern wecken, vom Fernsehen auch familientaugliche Unterhaltung angeboten zu bekommen. Und hier sind die animierten Kino-Hits halt insbesondere bei den jüngeren Zuschauern eben besonders beliebt.
Etablierte Schiff-Romanzen und das Zusammenspiel von «Tatort» und «Sherlock»
Wahrlich nicht mehr neu, aber deshalb mitnichten verbraucht, ist das Feiertagskonzept des Zweiten Deutschen Fernsehens, mit maritimer Stimmung und wunderschönen Landschaftsaufnahmen diejenigen Zuschauer abzuholen, dafür auch über allzu dünne Storylines und platte Dialoge hinwegzusehen. Und das sind nicht wenige Menschen, wie sich zuletzt zwischen den Jahren zeigte: «Das Traumschiff» kam etwa am Zweiten Weihnachtsfeiertag auf 5,94 Millionen Zuschauer, «Kreuzfahrt ins Glück» schloss mit 5,30 Millionen an, sodass in beiden Fällen tolle rund 18 Prozent Marktanteil insgesamt und rund elf Prozent bei den Jüngeren zu Buche standen. Selbiges Duo ging dann am Neujahrstag noch einmal auf Sendung und kam hier sogar auf bis zu 19,3 bzw. 12,3 Prozent bei 7,26 bzw. 5,53 Millionen Interessenten.
Deutlich weniger seicht liest sich hingegen das ARD-Vorzeigeduo «Tatort» und «Sherlock», das man erst kürzlich zu Pfingsten gleich an beiden Feiertagen auf Zuschauerjagd schickte. Dabei zeigte der britische Welterfolg mit jeweils rund drei Millionen Zuschauern und 12,5 und 11,8 Prozent leichte Schwächen beim Gesamtpublikum, immerhin war der «Tatort» im Vorfeld noch jeweils auf deutlich über 20 Prozent gelangt. Dass man die Serie mit Benedict Cumberbatch dennoch als großen Erfolg verstehen kann und sollte, liegt vor allem am jüngeren Publikum, wo beide neuen 90-Minüter mit 14,3 und 13,8 Prozent den Senderschnitt mehr als verdoppelten. Zwar kam man damit auch hier nicht ganz an den Erfolg der deutschen Krimireihe im Vorfeld heran, doch einmal abgesehen von den blanken Zahlen ist das Format auch für das angestaubte Image des öffentlich-rechtlichen Senders von Bedeutung - und verschafft ihm ein junges, serienaffines Publikum, das sonst eher selten zuschaut.
Und sonst so? Finaltag der Amateure, Comedy-Tag und Co.
Bilanz der Amateur-Finaltage
- 2016: 0,91 Mio. (8,2% / 7,9%)
- 2017: 1,30 Mio. (10,6% / 9,2%)
Durchschnittliche Werte der jeweils drei Konferenzphasen.
Ein wenig Charme in seine Wiederholungsstrecke wollte derweil Sat.1 am Pfingstmontag hineinbringen und versuchte sich an einem ganzen Comedy-Tag. Tagsüber liefen alte Folgen von «Genial daneben», «Reingelegt» und «Knallerkerle» mit 7,3 bis 8,4 Prozent des jungen Publikums reichlich unspektakulär, zur Primetime dann wusste die Erstausstrahlung von «Männerhort» dann mit 11,2 Prozent aber durchaus zu begeistern - bevor «Resturlaub» dann ab 22:15 Uhr wieder ins biedere Mittelmaß zurückfiel und 8,6 Prozent erzielte. Schwestersender ProSieben setzte übrigens auch auf einen Comedy-Marathon und zeigte ab 20:15 Uhr gleich sechs alte Folgen von «The Big Bang Theory». Da die Unterföhringer dies aber ohnehin ständig tun, hielt sich die Begeisterung des Publikums angesichts von nur 7,0 bis 9,3 Prozent jedoch in relativ überschaubaren Grenzen.
Fazit: Sonderprogrammierungen beliebt - bei Sendern und Zuschauern
Man könnte an dieser Stelle noch etliche weitere Beispiele anfügen, die sich durchaus unter dem Stichwort der Sonderprogrammierungen führen ließen: Die alten Loriot-Klassiker im Weihnachtsprogramm etwa, die vielen Märchen, den «Kevin»-Doppelpack von Sat.1 an Heiligabend, «Winnetou» von RTL, diverse Liebeskomödien, alte «Songs, die die Welt bewegten»-Ausgaben bei VOX und so weiter und so fort. Wohlgemerkt: Das alles und noch viel mehr lief feiertags alleine bei den acht großen Sendern in den vergangenen Monaten. Hätten wir das Feld zeitlich oder durch die Hinzunahme kleinerer Programmanstalten erweitert, die Ausbeute wäre noch einmal um ein Vielfaches üppiger ausgefallen.
Was dieser kleine Abriss aber schon einmal zeigt: Es steckt durchaus System dahinter, sich vor allem an den freien Tagen oftmals über viele Stunden hinweg mit ein und derselben Programmfarbe zu versuchen - ganz besonders stark bei kabel eins, aber auch bei allen anderen großen Programmstationen. Die saftigsten Früchte ernten dabei meist diejenigen Ausstrahlungen, die mit besonders großen Namen aufwarten: Seien es große Klassiker wie Loriot-Formate, «Miss Marple» und Spencer-/Hill-Klopper, die besonders oft und gerne an Feiertagen revitalisiert werden oder eben große Marken der Gegenwart wie «Sherlock» oder bekannte Animationsfilme.
In der Regel etwas weniger gut kommen dagegen die Versuche an, schlichtweg das aktuelle Standard-Programm als großes "Special" zu verkaufen, wie es jüngst am Pfingstmontag sowohl Sat.1 mit seinen eigenproduzierten Comedy-Serien als auch ProSieben mit - mal wieder - «The Big Bang Theory» versuchte. Doch auch hier gibt es keine Misserfolgsgarantie, wie etwa an Silvester der große «Songs, die die Welt bewegten»-Marathon zeigte, der mit 8,7 bis 10,7 Prozent in der Zielgruppe über viele Stunden hinweg begeisterte, obwohl die schöne Musikdoku zuvor selbst in Erstausstrahlungen teils mit richtig bitteren Zahlen abgestraft worden war.
Um sich nicht komplett aus der Verantwortung zu stehlen, was die Beantwortung der Eingangsfrage anbetrifft: Ja, in der deutlichen Mehrzahl der Fälle zahlen sich die Feiertags-Sonderprogrammierungen aus, da sie nur ganz selten einmal mit wirklich miesen Einschaltquoten abgestraft werden und sogar das Potenzial besitzen, Zuschauer über viele, viele Stunden hinweg ohne größere Mühen bei einem Sender zu halten. Es ist gewissermaßen das Konzept des "Audience Flows" in Reinkultur und kommt, wenn man es einigermaßen clever promotet, sogar meist eher gut als schlecht beim Zuschauer an. Eine klassische Win-Win-Situation also mit der Garantie auf Fortsetzung.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
17.06.2017 10:57 Uhr 1
17.06.2017 11:19 Uhr 2