Die Kritiker

«Unter Verdacht – Verlorene Sicherheit»

von

Das Beinahe-Finale der Krimireihe «Unter Verdacht» ist eine stark erzählte Geschichte über das Schüren von Angst und das taktische Ausnutzen des gesellschaftlichen Klimas.

Cast und Crew

  • Regie: Andreas Herzog
  • Darsteller: Senta Berger, Rudolf Krause, Gerd Anthoff, Sohel Altan Gol, Michael Lerchenberg, Bettina Mittendorfer, Dirk Borchardt, Almila Bagriacik, Ercan Karacayli, Erdal Yildiz, Fred Stillkrauth
  • Drehbuch: Florian Iwersen, Stefan Holtz
  • Kamera: Wolfgang Aichholzer
  • Schnitt: Gerald Slovak
  • Musik: Sebastian Pille
  • Produktionsfirma: Eikon Media
Beinahe wäre die Doppelfolge mit dem Titel «Verlorene Sicherheit» der Abschluss zur 2002 gestarteten Krimireihe «Unter Verdacht» geworden. Dass dem nun nicht so ist, dürfte Anhänger des viel geachteten Senta-Berger-Vehikels freuen – und gleichzeitig setzt es die Verantwortlichen unter Erfolgsdruck, wenn das tatsächliche Ende der Reihe näher rückt. Denn diese 180-minütige Auseinandersetzung mit der ständigen Terrorangst ist eine bemerkenswert konsequente Weiterführung der politisch-engagierten Seite dieses Formats. Ergänzt wird der so erschreckend aktuell wirkende Kriminalplot durch eine Berger in ihrer Ermittlerrolle nochmal so richtig fordernden Story über die Gesundheit der Kriminalrätin Dr. Eva-Maria Prohacek. Und somit wäre es eigentlich ein perfektes Finale gewesen – das aber gerne überboten werden darf.

Eine flapsigere oder in ihrer dramatischen Strahlkraft zu kitschig daherkommenden Krimireihe hätte diese Doppelfolge womöglich «Terroranschlag & Schlaganfall» betitelt – und aus diesem Grundplot allerlei melodramatische Panikmache geformt: Auf dem Oktoberfest kommt es zu einem Bombenanschlag, der in den Nachrichten alsbald als ein weiterer islamistischer Terrorakt eingeordnet wird. Zu den Hintermännern der Tat soll den frühen Vermutungen der ermittelnden Beamten auch ein Polizist zählen – Prohaceks früherer Pflegesohn Cem Oktay (Sohel Altan Gol). Für die Kriminalrätin kommt diese Gewissensbelastung zum denkbar schlimmsten Zeitpunkt, denn sie ist körperlich stark geschwächt und erleidet letztlich einen Schlaganfall. Die Ermittlungen zehren an Prohacek, aber sie ist nicht willens, zurückzustecken …

Was in obiger Plotzusammenfassung nach einem bemühten Problemkrimi klingt, ist in der Umsetzung des Autorenduos Stefan Holtz & Florian Iwersen ein kluger Gesellschaftskommentar geworden: Nicht der Terror steht im Vordergrund, selbst die Schuldfrage ist eher sekundär. Im Fokus dieser «Unter Verdacht»-Doppelfolge steht, wie eine Extremsituation alles langfristig aus dem Gleichgewicht bringen kann. Die Handlung spielt mehrere Monate nach dem Anschlag, und noch immer ist die gesellschaftliche Stimmung streitbar – und mit einem extremen Bias versehen. Während gegen einen muslimischen Polizisten, der kurz vor dem Anschlag die Täter durchwinkte, eine Hetzjagd beginnt, werden die ganzen bayerisch-christlichen Personen, die den Vorfall nicht verhindern konnten, von der Allgemeinheit geflissentlich ignoriert.

Wie so oft in «Unter Verdacht», hat auch dieses Mal Prohaceks Vorgesetzter Reiter (Gerd Anthoff) eine Schlüsselrolle im Geschehen. Zwar zeichnen seine privaten Probleme ihn dieses Mal in einem dezent sanfteren Licht, doch wie er versucht, im Namen der Landesregierung vor den bevorstehenden Wahlen das Politklima zu steuern, ist von stechender Niedertracht. Reiter ist aber nur die Spitze des Eisberges, und wie die Autoren schrittweise ein plausibles, wütend machendes Bild des doppelzüngigen Politbetriebes und der Öffentlichkeitsarbeit skizzieren, lässt diesen Zweiteiler zu fesselndem Fernsehen emporsteigen. Die Zerrspiegelung des Kriminalplots mit der durch ihren Schlaganfall gehemmten Protagonistin ist eine subtile, stimmige Ergänzung dessen.

Die atmosphärische Regieführung von Andreas Herzog, der das Spiel mit steil ansteigenden Spannungskurven und die dramatische Stimmung vertiefenden, ruhigeren Momenten vorbildlich beherrscht, tut da ihr übriges. Anthoff und Berger überzeugen wie eh und je, Gol und Dirk Borchardt (als Verfassungsschutzbeamter) halten in ihren Episodenrollen problemlos mit, die mal kühle, mal aufreibende Musikuntermalung durch Sebastian Pille rundet den Gesamteindruck löblich ab.

«Unter Verdacht – Verlorene Sicherheit» ist am 17. Juni 2017 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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