Filmfacts «Die Verführten»
- Regie: Sofia Coppola
- Produktion: Youree Henley, Sofia Coppola
- Drehbuch: Sofia Coppola; nach dem Roman A Painted Devil von Thomas P. Cullinan
- Darsteller: Colin Farrell, Nicole Kidman, Kirsten Dunst, Elle Fanning, Angourie Rice, Oona Laurence
- Musik: Phoenix
- Kamera: Philippe Le Sourd
- Schnitt: Sarah Flack
- Laufzeit: 94 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
46 Jahre später gelangt Sofia Coppola mit ihrer Version der Geschichte an mehr cineastischer Aufmerksamkeit – nicht zuletzt dank der Filmfestspiele von Cannes, wo Coppola den Preis für die beste Regie entgegennehmen durfte. Damit ist die «Lost in Translation»-Regisseurin erst die zweite Frau der Geschichte, der diese Ehre zuteil wurde. Und selbst wenn Coppolas Skript den gewissen Funken missen lässt, sei es an Tiefsinn, Boshaftigkeit oder Unvorhersehbarkeit: Die Regie-Trophäe hat sich Coppola mit «Die Verführten» mehr als nur redlich verdient.
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In sanftem, natürlichem Licht gehalten und mit einer vornehmen Gemächlichkeit orchestriert, entwickelt sich in diesem Pensionat ein Wetteifer subtiler Anspannungen. Die Damen haben unterschiedliche Vorstellungen, wie mit dem unerwarteten Gast umzugehen ist. Und er wiederum setzt all seinen Gesprächspartnern gegenüber ein anderes Gesicht auf – womit unklar ist, ob er extrem zuvorkommend ist oder ein toxischer Störenfried. Colin Farrell vermag es wundervoll, die diffizile Ambivalenz zwischen selbstgefälligem Hahn im Korb und über die Stränge schlagendem Charmeur in der verwaschen-pastellfarbenen Vorhölle zu beschreiten. Sein Spiel profitiert zunehmend von der Inszenierung Coppolas, die Szenen mit gerissener Zurückhaltung oftmals ein, zwei Takte länger laufen lässt als es ein thematisch gleichgearteter Thriller würde: Die Regisseurin garniert das fast barockartig drapierte Geschehen mit Aggressionen auf allen Seiten – und so ist die unvermeidliche, früh erahnte Eskalation aus allen Perspektiven nachvollziehbar.
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Als Stimmungsstück ist das liebevoll in einer "Verblasster Südstaatenglanz"-Ästhetik ausgestattete «Betrogen»-Remake zweifelsohne einen Blick wert. Dank der kalt-kultivierten Musik von Phoenix und der bedächtigen Kameraarbeit Philippe Le Sourds gilt das vor allem für Coppola-Jünger, und alle, die einen auf niedriger Temperatur schmorenden Geschlechterkampf kosten wollen. Und rein inszenatorisch ist es womöglich Coppolas beste Arbeit. Erzählerisch indes ist «Die Verführten» eines ihrer schlichteren Werke. Hier verführen Stand und Aussehen mehr als das Oberstübchen – denn während die meisten Coppola-Filme auch Jahre nach ihrem Erscheinen dazu einladen, erneut über diese oder jene Szene nachzudenken, ist diese Verführung rasch zu den Akten gelegt. Ganz egal, was die handelnden Figuren dazu nun wohl sagen mögen …
«Die Verführten» ist ab dem 29. Juni 2017 in ausgewählten Kinos zu sehen.
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