Die Kino-Kritiker

«Girls' Night Out»: Der Stripper stirbt, die Party lebt

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Die Partykomödie «Girls' Night Out» mit Scarlett Johansson und Kate McKinnon schickt ein toll aufgelegtes Schauspielerinnenensemble auf einen Junggesellinnenabschied, der zwar eine dramatische Wende nimmt, doch bis zum Schluss spritzig bleibt.

Filmfacts «Girls' Night Out»

  • Regie: Lucia Aniello
  • Produktion: Matthew Tolmach, Lucia Aniello, Paul W. Downs, Dave Becky
  • Drehbuch: Lucia Aniello, Paul W. Downs
  • Darsteller: Scarlett Johansson, Kate McKinnon, Jillian Bell, Ilana Glazer, Zoë Kravitz, Paul W. Downs
  • Musik: Dominic Lewis
  • Kamera: Sean Porter
  • Schnitt: Craig Alpert
  • Laufzeit: 101 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Es ist traurig, wie ungleich das Tempo ist, mit dem sich der popkulturelle Diskurs in verschiedenen Filmbereichen sättigen lässt. So erschienen 2016 vier Realfilme, die auf Marvel-Comics basieren – und sie alle bekamen ihre Zeit im medialen Rampenlicht. Gleichwohl ist das US-amerikanische Filmgeschehen offenbar nicht groß genug, um Platz für zwei Produktionen zu machen, bei denen eine Regisseurin weibliche Hauptfiguren durch ein bislang männlich dominiertes Genre leitet. Während Patty Jenkins' Superheldinnengeschichte «Wonder Woman» also auf der anderen Seite des Atlantiks gleichermaßen zu einem Kritiker- und Publikumsphänomen heranwuchs und intensiv als feministische Glanzleistung gefeiert wurde, ging «Girls' Night Out» wenig später vollkommen unter.

Dass neben dem Superheldinnenabenteuer nicht ausreichend Luft war, um eine von einer Regisseurin gedrehte, weiblich besetzte Partykomödie zu würdigen, ist schon in der Theorie unfair. Noch bedauerlicher an dieser ungleichen Verteilung des Publikums- und Kritikerinteresses ist aber, dass «Girls' Night Out» obendrein ein richtig launiger Filmspaß geworden ist, der das Genre lauter Rüpelkomödien mit spielerischer Grundhaltung und sehr liebenswerten Hauptfiguren bereichert.

Ein paar Freundinnen sehen sich endlich wieder, zack, schon muss ein Mann dran glauben


Politikerin Jess (Scarlett Johansson) hat dank ihrer aktuellen Wahlkampagne alle Hände voll zu tun – und daher eigentlich überhaupt keinen Nerv für ihren Junggesellinnenabschied. Doch da sie kaum noch Zeit für ihre Collegefreundinnen findet, hält sie an dieser Tradition fest. Während Jess glaubt, ein eher ruhiges Mädelswochenende in Miami verbringen zu können, bei dem ein paar Drinks das wildeste der Gefühle darstellen, hat Jess' hibbelige Freundin Alice (Jillian Bell) andere Pläne: Als, wie sie selbst immer wieder betont, beste Freundin der baldigen Braut, reißt Alice den Abend an sich und drängt ihn in eine hemmungslose Richtung.

Dauerrebellin Frankie (Ilana Glazer) und die von einem Sorgerechtsstreit ausgelaugte Blair (Zoë Kravitz) ergreifen ohne Widerrede diese Chance auf einen ausgelassenen Abend – und Jess' aus Australien angereiste Freundin Pippa (Kate McKinnon) schaut sich das uramerikanische Schauspiel ebenfalls liebend gern an. Der unbesorgte, zügellose Spaß nimmt für die bunt gemischte Clique allerdings ein jähes Ende, als Jess' Freundinnen einen Stripper ordern und dieser nur wenige Minuten später das Zeitliche segnet …

Das Komödiensubgenre der entgleisenden Partyabende um einen weiblichen Blickwinkel zu erweitern, ist keine vollkommen neue Idee. Neben der zwar von Paul Feig inszenierten, aber vornehmlich weiblich besetzten Dramödie «Brautalarm» steht noch «Die Hochzeit unserer dicksten Freundin» von Regisseurin Leslye Headland im Raum. Dieser 2012 veröffentlichte Filmspaß fällt aber weniger in den Brachialkomödiensektor und ist als pointiert-unverblümt-feister Blick in menschliche Seelenabgründe enger mit Streitfilmen wie «Der Gott des Gemetzels» verwandt. «Girls' Night Out» hingegen ist endlich Mal ein in Partymädel-Aufmachung servierter Cocktail aus «Hangover», «Very Bad Things» und dem zeitgenössischen Schwung an Sony-Komödien.

Wie schon das "Wolfsrudel" aus «Hangover» stellt die «Girls' Night Out»-Clique nicht gerade einen vorbildlichen Freundeskreis dar, was aber seinem Entertainmentgrad keinesfalls im Weg steht. Die Ladys sind zwar etwas stärker am Reißbrett zusammengestellt als die eklektischen «Hangover»-Jungs, dafür punkten sie ihren karikierten Persönlichkeiten zum Trotz mit einer glaubhafteren Freundschaftsdynamik. Muss das «Hangover»-Publikum halt einfach hinnehmen, dass Doug, Alan, Stu und Phil miteinander Spaß haben können, zerrt das Autoren-Duo Lucia Aniello & Paul W. Downs das Zusammenspiel dieser Truppe aus dem wahren Leben – und somit reale Freundschaftsproblemchen durch den Kakao:

Die selbsternannte beste Freundin, die Konkurrenz durch den Cliquenneuzugang fürchtet und daher ganz passiv-aggressiv uralte Running Gags heraufbeschwört. Die Person, die sich in die Rolle des Quotenrebellen flüchtet, heimlich aber besonders gut mit der am besten behüteten Seele im Freundeskreis klar kommt. Und all diese ungleichen Naturelle kreisen in ungleichem Tempo um eine Person, die sich der Schubladisierung verweigert und mit allen ein bisschen was gemeinsam hat. Solche Freundeskonstellationen sind wahrlich nicht rar gesät, und Aniello & Downs skizzieren ihre «Girls' Night Out»-Heldinnen mit einem feucht-fröhlichen Hickhack aus Allgemeingültigkeit und schräger Spezifik:

Die Gesamtgruppendynamik verleiht dem Geschehen dank einiger Allgemeinplätze genügend Identifikationspotential, damit auch im späteren Totalchaos das Handeln der Figuren plausibel erscheint und zum Mitfiebern einlädt. Die spezifischen Macken, Angewohnheiten und Streitpunkte der Figuren sind derweil kreativ-schräg und geben dem Quintett somit seine großen Entertainerqualitäten: Selbst wenn Jess und Co. wegen des toten Strippers Panik schieben, sind sie noch immer so spaßig-grelle Persönlichkeiten, dass es einer Mordsparty gleichkommt, ihnen beim Kopfzerbrechen über ihr weiteres Vorgehen zuzusehen.

Ein fruchtig-süßer, dezent bitterer Filmcocktail in knalligem Leuchtglas


Im Gegensatz zum konzeptionell ähnlich gelagerten «Very Bad Things», der von ultraderber Komödie zu pechschwarzem Thrillervergnügen mutiert, ist der tonale Wandel in «Girls' Night Out» sanfter. Zwar lässt nach dem Tod des Strippers die Schlagzahl an spritzigen Wortgefechten ebenso nach wie die stürmischeren inszenatorischen Sprengsel, welche den ersten Partyszenen ihren Pepp geben. Doch obwohl Lucia Aniello das tödliche Unglück für eine kurze Zäsur nutzt, lässt die Regisseurin ihren Film danach trotzdem unbeirrt als Partykomödie weiterlaufen. Wie die aufgekratzten Freundinnen nach und nach feststellen, dass alles noch viel schlimmer aussieht, als es war, reichert die «Broad City»-Regisseurin mit zügiger Situationskomik an, und das Timing in den zahlreichen Szenen, in denen sich die gewählten Notlösungen als ein Noch-weiter-in-die-Scheiße-reiten herausstellen, ist exzellent.

Das verdankt Aniello zu nicht geringem Maße auch ihrem talentierten Cast: Scarlett Johansson agiert fast durchweg mit einer ansteckenden Spielfreude, als stünde ihr ins Gesicht geschrieben, nicht fassen zu können, endlich mal einen derben Partyfilm machen zu dürfen. «Saturday Night Live»- und «Ghostbusters»-Star Kate McKinnon beweist indes erneut ihr begnadetes Talent dafür, völligen Irrsinn wie geerdete Nebensächlichkeiten aussehen zu lassen und im Gegenzug nebensächlichen, dezent gewitzten Randbemerkungen ein Maximum an Skurrilität einzuverleiben.

Ilana Glazer und Zoë Kravitz derweil bestechen in ihren Rollen mit einer genüsslichen Hassliebe füreinander und Jillian Bell variiert ihr "Abgeklärtes Auftreten, aufgescheuchte Art"-Spiel, mit dem sie unter anderem in «Fist Fight» und «22 Jump Street» überzeugte, einmal mehr auf spaßige Weise. Nur der wiederkehrende Joke, dass Bell alias Alice witzige Missgeschicke erklärt und somit einen weiteren Gag obendrauf legt, verläuft im Sande und verpasst «Girls' Night Out» eine Handvoll an komödiantischen Platzpatronen. Dafür holt Paul W. Downs das Optimum aus seiner begrenzten Leinwandzeit als Jess' liebevoll-knuffiger Verlobter, der nach einem missverständlichen Telefonat eine grell-absurde Odyssee nach Miami beginnt. Ariello nutzt diese cartoonhaften, aber aufgrund ihrer so goldigen Motivation trotzdem plausiblen Eskapaden gewieft als B-Storyline, wann immer die eigentlichen Hauptfiguren in einem niedergeschmetterten Tief festsitzen.

«Girls' Night Out» hat gleich mehrere kurze Strecken, in denen der schnell-wilde Humor zurücksteckt, um mit emotional authentischen Gefühlsausbrüchen die Charakterzeichnung der Partymädels auszubauen. Diese leiseren Zwischeneinschübe sind durchaus gerechtfertigt, da sie sich organisch aus dem irren Geschehen generieren, noch immer Pointen beinhalten und der Cast die Übergänge zwischen Grell und Besonnen mit Leichtigkeit durchführt. Gelegentlich sind diese Stellen dennoch überdehnt und hämmern eine Erkenntnis ein, zwei Schläge zu lang ein – genauso, wie nicht jeder sketchartige Einschub in dieser Chaosnacht einen Abschluss findet, so lange der immer weiter eskalierende Ursprungsjoke frisch ist.

Dessen ungeachtet ist das Pacing insgesamt noch immer knackig: Innerhalb von weniger als zwei Stunden bedient «Girls' Night Out» mit sitcomhaften Schlagabtauschen, schwarzhumorigen Anflügen, absurd-spritzigen Einlagen und gelegentlichen, behutsam eingestreuten Metawitzlein diverse Comedy-Sensibilitäten, und vermengt diese dank der zielstrebigen Inszenierung und des toll aufgelegten Ensembles zu einem stimmigen Ganzen. Tja. Wenn die Amis diesen Damenangriff auf ein maskulin besetztes Genre bei allem «Wonder Woman»-Jubel nicht beachten wollen, selber schuld! Das deutsche Publikum kann ihn dennoch würdigen – übrigens völlig unabhängig jeglicher Geschlechteridentitäten. Das sollte ja eigentlich selbstredend sein …

Fazit


Ein guter Cocktail muss nicht mit völlig neuen Zutaten glänzen – eine originelle Zusammenstellung bekannter Inhalte kann ebenfalls für Spaß auf der Zunge sorgen. Der Partyfilmcocktail «Girls' Night Out» verfolgt diese Devise und versteht sich als zügig-schrille Abwandlung eines derben Komödiensubgenres – und hat obendrein einen launigen Powerfrauen-Cast zu bieten!

«Girls' Night Out» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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