Sonntagsfragen

Jasmin Lord: 'Jedes Set war für mich eine Lernerfahrung'

von

Die frühere «Verbotene Liebe»-Schauspielerin spricht über ihre neueste Regiearbeit, die Stimmung am Set von «Bullyparade – Der Film» und die Lektionen, die man von schlechten Regisseuren lernen kann.

Zur Person: Jasmin Lord

  • 1989 in Stuttgart geboren
  • zog mit 16 Jahren nach New York
  • war von 2009 bis 2011 Teil des «Verbotene Liebe»-Ensembles
  • spielte unter anderem in den Filmen «Blutsschwestern – jung, magisch, tödlich», «Systemfehler - Wenn Inge tanzt» und «Wilsberg: 90-60-90» mit
  • inszenierte die Doku «The Happiest Man» über den Holocaust-Überlebenden Eddie Jaku
Zunächst einmal: Glückwunsch zu Ihrer Dokumentation «The HappiestMan». Ich finde, dass es ein sehr schönes und wichtiges Porträt über einen Holocaust-­Überlebenden ist. Das Dilemma mit diesem Themenkomplex: Es ist sehr wichtig, in Kunst und Bildung darauf einzugehen, um niemals zu erlauben, dass dieses Geschichtskapitel vergessen wird. Doch meine Beobachtung ist: Ein Zuviel vom selben Ansatz droht, zu Übersättigung und somit Abstumpfung zu führen. «The Happiest Man» ist derweil einfühlsam, aber auf kuriose Weise inspirierend-­optimistisch: Eddie Jaku ist so ein anspornender, nachdenklicher Mann, frei von Wut und Gram – wer will da schon abgestumpft danebensitzen, wenn man so eindrucksvoll den Wert von Empathie und Friedlichkeit gezeigt bekommt …

Das freut mich sehr, dass die Dokumentation genau das auslöst. Ich bin ja ursprünglich über einen Artikel auf Eddie aufmerksam geworden, wo er seine Geschichte ohne jegliche Verbitterung und sogar mit teilweise Humor erzählt. Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, stand für mich fest: Ich muss diesen Mann kennenlernen. Zuerst habe ich das Sydney Jewish Museum angerufen, wo Eddie tätig ist, doch dort wollten sie mir nicht seinen privaten Kontakt weiter geben. Das hat mir keine Ruhe gelassen, so dass ich zwei Wochen später spontan entschieden habe, nach Sydney zu fliegen. Dort ist es mir trotzdem nicht sofort gelungen, an ihn heran zu kommen, weil er leider in der Woche wegen einer starken Erkältung im Krankenhaus lag. Ich hatte schon die Vermutung bis ans andere Ende der Welt gereist zu sein und ihn am Ende nicht kennen zu lernen … Doch am vorletzten Tag vor meiner geplanten Rückreise kam dann der Anruf, dass es ihm wieder gut ginge und wir uns treffen können.

Ich war dann bei unserem ersten Treffen völlig hin und weg von Eddie. Er hat mir total offen erzählt, dass er seit seinen grausamen Erfahrungen in vielen europäischen Ländern war, nur nicht mehr in Deutschland – und dennoch hat er mich als Deutsche so warmherzig und offen empfangen. Er meinte, dass er schon vor einigen Jahren für eine Dokumentation angefragt wurde, damals aber keinen Sinn drin gesehen hat. Nachdem wir zwei Tage nacheinander jeweils sechs Stunden miteinander verbracht haben und uns unterhalten hatten, war er aber bereit, im Mittelpunkt meiner Doku zu stehen.

Kam dieser inspirierend-­optimistische Tonfall des Films eher zufällig durch Eddies Persönlichkeit zustande oder hatten Sie das durchweg vor, aus diesem Winkel zu erzählen?
Ja, ich hatte mir das durchaus vorgenommen. Ich dachte mir, dass man durch diese positive Erzählform seiner Geschichte gerade für jüngere Menschen einen besseren Zugang findet. Allein schon, dass Eddie nach all den schrecklichen Dingen, die ihm widerfahren sind, seinen Mitmenschen voller Liebe und Positivität begegnet, finde ich beeindruckend. Er hat es sich zum Ziel gemacht, anderen Menschen zu mehr Mut zu verhelfen, füreinander einzustehen und nicht einfach zuzuschauen, egal welche Hautfarbe oder Religion man angehört. Obwohl er so viele Jahre in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern verbracht hat und fast seine ganze Familie vergast wurde, hat er sich bewusst entschieden, nicht zu hassen.

Er hat heute mit 97 Jahren so eine unglaubliche Lebensenergie, obwohl er mit 30 Kilogramm nur knapp überlebte. Er geht drei Mal die Woche ins Sydney Jewish Museum um mit Kindern und Jugendlichen über diese Zeit zu reden. Er bewegt sich jedoch wie ein 20-‐jähriger. Eddie fährt noch Auto, bedient sein Smartphone besser als ich und wenn ich mit ihm spazieren ging, musste ich aufpassen, dass ich mit ihm mithielt. Bis vor einem Jahr leitete er sogar noch ein Immobilienbüro – das ist einfach unglaublich!

Er hat auch meine Denkart komplett auf den Kopf gestellt. Ich rege mich nicht mehr wegen Kleinigkeiten auf, bin viel dankbarer für das was ich habe. Es klingt vielleicht kitschig, aber ich habe das erste Mal bewusst verstanden: Wenn man Menschen um sich hat, die man liebt und dann auch noch gesund ist, ist man schon unfassbar reich. Es macht mich sehr glücklich, von Menschen die «The Happiest Man» gesehen haben, zu hören, dass sie seit dem auch das Wort „Hass“ nicht mehr in den Mund nehmen.

Das ist ein kniffliger Prozess, da muss man sehr genau taktieren. Somit geben wir uns nun ein Jahr, und erst danach reden wir mit den Sendern. Denn wenn man auf angesehenen Festivals lief, und da womöglich auch Aufmerksamkeit erregt hat, stehen die Chancen auf bessere Sendeplätze höher.
Jasmin Lord über das Taktieren, einen Film auf Festivals zu starten
Wie sieht der Veröffentlichungsplan derzeit aus?
Eine Festivalagentur schickt den Film aktuell an diverse Festivals. Die meisten Festivals würden ihn nicht mehr aufnehmen, wenn er schon im Fernsehen lief, manche Festivals wollen sogar Filme ausschließlich, wenn sie die Weltpremiere abhalten können. Das ist ein kniffliger Prozess, da muss man sehr genau taktieren. Somit geben wir uns nun ein Jahr, und erst danach reden wir mit den Sendern. Denn wenn man auf angesehenen Festivals lief, und da womöglich auch Aufmerksamkeit erregt hat, stehen die Chancen auf bessere Sendeplätze höher. Und ich wünsche mir natürlich, dass möglichst viele Menschen den Film sehen – daher geben wir uns da große Mühe, mit der richtigen Strategie das Optimum rauszuholen. Ab Ende des Jahres wird der Film auch als DVD im Sydney Jewish Museum verkauft. Es soll allen Besuchern ermöglichen, sich den Film anzuschauen, wenn sie daran interessiert sind. Der Erlös jeder DVD geht dann an das Sydney Jewish Museum.

Mit einer Laufzeit von 55 Minuten wird es, fürchte ich, schwer, einen Sendeplatz im deutschen Fernsehen zu finden, denn die meisten Sender haben ja schon ihre streng normierten Abläufe – 55‐Minüter gehören da eigentlich nicht rein.
Das stimmt, mir war es wichtig den Film frei von jeglicher vorgegebenen Lauflänge zu schneiden. Ich wollte den Film machen, von dem ich denke, dass er die bestmögliche Annäherung an sein Thema und die Persönlichkeit Eddie ist. Zuerst hatte ich eine 70‐minütige Schnittfassung erstellt, sie war das Ergebnis von drei Monaten Arbeit im Schneideraum. Danach habe ich zwei Monate Abstand vom Film genommen und ihn mir mit etwas frischeren Augen erneut angeschaut – dann habe ich zusammen mit meinem Team entschieden, ihn zu kürzen. Der Film verfolgt den Anspruch, frei von langen Aufreihungen historischer Fakten und großen politischen Theorien einen Einblick in das Schicksal eines besonderen Menschen zu vermitteln. Anhand seines Lebens lassen sich diese 'großen' Themen aufgreifen und gerade auch jungen Menschen somit verständlich machen. Die 70-‐Minuten-Fassung wird jedoch dann im Sydney Jewish Museum zu sehen sein.

Mir ist bewusst, dass die endgültige 55-Minuten-Filmfassung nicht so in die Programmslots von Fernsehsendern passt. Wahrscheinlich wird es dann eher die 70-‐minütige Fassung ins Programm schaffen.

Wie hat Eddie auf «The Happiest Man» reagiert?
Er war positiv überrascht und sehr berührt, was mich natürlich unglaublich gefreut hat. Etwas Angst hatte ich jedoch vor dem Urteil seiner Frau Flore, die die Dreharbeiten erst mal mit wenig Begeisterung aufnahm. Ich musste damals intensive Gespräche mit ihr führen um sie von meinen Intentionen zu überzeugen. Mich als Deutsche in ihr Leben zu lassen, fiel ihr nicht so leicht. Dementsprechend aufgeregt habe ich dann ihrer Antwort entgegengefiebert. Als sie mir dann schrieb, dass sie die Doku gesehen und wegen ihr vor Rührung geweint hat und dankbar für das sei, was ich gemacht habe, bedeutete mir das die Welt.

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