Facts zu «O.J.: Made in America»
- Genre: Doku-Serie
- Episoden: 5 (467 Minuten Laufzeit)
- Regie: Ezra Edelman
- Produzenten: Ezra Edelman, Caroline Waterlow, Tamara Rosenberg, Nina Krstic, u.w.
- Musik: Gary Lionelli
- Kamera: Nick Higgins
- Schnitt: Bret Granato, Maya Mumma & Ben Sozanski
- Produktionsfirmen: ESPN Films & Laylow Films
- Weltpremiere: 22. Januar 2016 (Sundance Film Festival)
- Auszeichnungen: 43, darunter Academy Award & Independent Spirit Award
Nach wie vor spielen Unterhaltungsfilme bei den Academy Awards eine deutlich größere Rolle, schließlich will man im Rahmen der Oscars vor allem die Kunst und das Filmhandwerk ehren und ohnehin locken Unterhaltungsfilm deutlich mehr Zuschauer in die Kinos als Dokumentationen. Der dennoch begehrte Preis der „besten Dokumentation“ ging in diesem Jahr an «O.J.: Made in America», aber wohl nie hat der Gewinner in der Kategorie „beste Dokumentation“ in Deutschland weniger Aufmerksamkeit erhalten als in diesem Jahr. Während die meisten, bei den Oscars nominierten US-Produktionen zumindest spätestens in den Monaten nach der Oscar-Verleihung in den hiesigen Lichtspielhäusern erscheinen, lief «O.J.: Made in America» nämlich nie in deutschen Kinos. Dies hat nicht mit dem Inhalt und der Qualität der in den USA vielbesprochenen und hochwertigen Doku zu tun, sondern mit den formellen Eigenschaften der Produktion, die ab Freitag erstmals in Deutschland bei arte ausgestrahlt wird.
Wie eine Serie ihren Weg ins Oscar-Rennen fand
Warum «O.J.: Made in America», das am 7. Juli unter dem deutschen Titel «O.J. Simpson – Eine amerikanische Saga» zur besten Sendezeit Deutschland-Premiere feiert, eine Besonderheit darstellt, zeigt dessen kontrovers diskutierte und letztlich doch genehmigte Teilnahme am Oscar-Rennen. Eigentlich handelt es sich bei der Dokumentation nämlich um eine Doku-Serie. „Wie bitte? Wie konnte eine Serie überhaupt einen Academy Award gewinnen, wenn die Oscars doch explizit einen Filmpreis darstellen?“, werden an dieser Stelle einige Leser fragen. Die Antwort findet sich in den Regularien der Academy Awards, die angesichts weiter verschwimmender Grenzen durch den Aufstieg von Streaming-Anbietern wie Netflix und Amazon immer trickreicher ausgelegt werden.
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Die Oscars: Der Präzedenzfall «O.J.», andere Härtefälle und ihre Folgen
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So stellte «O.J.: Made in America» zumindest in der Doku-Kategorie einen Präzedenzfall dar, allerdings versuchen dieser Tage immer mehr aus Oscar-Sicht unkonventionelle Produktionen ihr Glück bei der Auslegung des Oscar-Reglements, darunter auch Netflix und Amazon, die im Filmgeschäft mittlerweile kräftig mitmischen, Filme mitproduzieren und durch Kino-Verwertungen ihrer Filme dafür sorgen wollen, dass ihre Filme bei den Academy Awards berücksichtigt werden. Mit «Beasts of No Nation» hatte Netflix im Vorjahr noch kein Glück, weil die für die Nominierungen verantwortliche AMPAS den Spielfilm mit Idris Elba partout nicht nominieren wollte, was viele Proteste seitens Filmkritikern und Beobachtern nach sich zog. Mit «The Salesman» und «Manchester by the Sea» wurden in diesem Jahr dafür gleich zwei von den Amazon Studios produzierte Filme ausgezeichnet und auch Netflix erhielt mit der Dokumentation «The White Helmets» eine der begehrten Trophäen.
«O.J.: Made in America»: Ein verdienter Oscar-Sieger
«O.J.: Made in America» blickt hochaufschlussreich auf Amerikas zwei größte Fixierungen: Ethnizität und Berühmtheit, die der Fall O.J. Simpson einst auf einzigartige Weise miteinander verband und so einen tiefen Blick in das Seelenleben der USA zuließ. Die Doku-Serie beginnt mit dem Start der hoffnungsvollen Football-Karriere O.J. Simpsons an der University of Southern California, Simpsons Weg zu Weltruhm in der National Football League, direkt in die Herzen aller US-Amerikaner - und seinem tiefen Fall, der die Dämonen eines der größten US-Sportler aller Zeiten offenlegte. So behandelt die Doku-Serie auch intensiv den berüchtigten Gerichtsprozess, in dem O.J. Simpson des Mordes an Ronald Lyle Goldman und seiner Frau Nicole Brown Simpson angeklagt wurde, seinen Freispruch und seine letztendliche Verurteilung 13 Jahre später.
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O.J., der durch seinen Ruhm als Sportler in hochprivilegierte Gesellschaftskreise aufgerückt war und dessen Stimme in diesem Konflikt großes Gewicht gehabt hätte, schwieg jedoch. Die Doku-Serie lässt also auch einen tiefen Blick auf eine Person zu, die zwischen ihren Identitäten wandelte. Zum einen entfloh Simpson durch seinen Erfolg als Sportler dem prekären Milieu und erreichte damit ein Ziel, nach dem so viele benachteiligte Afroamerikaner in seiner Heimat in Los Angeles vergeblich strebten, zum anderen wollte er mit diesen Wurzeln nach seinem Aufstieg nichts mehr zu tun haben. „Ich bin nicht schwarz. Ich bin O.J.“, soll Simpson einst im Gespräch mit dem Aktivisten Harry Edwards gesagt haben.
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Letztlich gewährt Edelman seinem Publikum eine breite Einsicht in eine unvergleiche Aufstieg-und-Fall-Saga im Stile griechischer Tragödien und schafft damit ein außerordentliches Stück investigativen Journalismus‘, das nicht nur Licht auf einen der größten US-Stars des 20. Jahrhunderts wirft, sondern seine Geschichte auch gekonnt in den Kontext der US-Zeitgeschichte setzt. So entfaltet die Doku zeitweise die Wirkung eines mitreißenden Thrillers und behandelt gleichzeitig differenziert Themen wie ethnische Herkunft, häusliche Gewalt und die US-amerikanische Obsession mit Ruhm und Berühmtheiten.
Arte zeigt «O.J.: Eine amerikanische Saga» ab Freitag, dem 7. Juli. Die ersten zwei Folgen der fünfteiligen Doku strahlt arte ab 20.15 Uhr aus, am Samstag folgen ebenfalls ab 20.15 Uhr die Teile drei bis fünf.
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