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‚Modern & authentisch‘: So will ProSieben mit Wissen erfolgreich sein

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Mit «Uncovered» oder «10 Fakten» bringt ProSieben seine im vergangenen Jahr getesteten Wissensformate zurück. Wir sprachen mit Sender und Moderatoren über die DNA der ProSieben-Wissenssendungen.

Information bei den Öffentlich-Rechtlichen und den Privatsendern

Eine im Jahr 2012 im Fachmedium „Media Perspektiven“ veröffentliche Programmstrukturanalyse zeigte, dass Programme mit der Funktion „Information“ zwischen den Jahren 2001 und 2011 bei den größten deutschen Privatsendern, RTL, Sat.1 und ProSieben nur knapp 20 Prozent des Angebots ausmachten. Unterdessen bewegte sich der Prozentsatz bei ARD und ZDF konstant über 40 Prozent.
„Wissen ist Macht!“, das wusste schon der Philosoph Francis Bacon. Zur Aussage, Wissen mache darüber hinaus Spaß, existieren jedoch auch massig Gegenmeinungen. Ein Dilemma für die auf Gewinnmaximierung ausgelegten Privatfernsehsender, die in Wissenssendungen zwar auch gerne relevante Informationen qualitativ hochwertig aufbereiten würden, sich aber des Zuschauerinteresses dabei nur selten sicher sein können. Nicht zuletzt deshalb finden sich Dokumentationen, Informations- und Wissensformate vor allem auf den öffentlich-rechtlichen Sendern, die einen Bildungsauftrag gegenüber ihrem Publikum verfolgen.

Diese große Informationsschere zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten ist kein Zufall, mit Unterhaltung lassen sich eben höhere Quoten erzielen, so die landläufige Meinung. Trotzdem entschied sich ProSieben im Sommer des vergangenen Jahres dazu, sein Portfolio im Programmbereich Information aufzustocken und testete mit «Uncovered», «10 Fakten», «Inside» und «Follow Us!» gleich vier neue Formate. Mit «Galileo» betreibt ProSieben darüber hinaus nun schon knapp 20 Jahren erfolgreich ein Wissensmagazin im Vorabendprogramm, das sich innerhalb dieser Zeit zur vielleicht bekanntesten Marke des Senders entwickelte. Ansonsten fiel der aktuell von Daniel Rosemann geleitete Sender in den vergangenen Jahren aber eher durch Unterhaltungsformate als durch längerfristig erfolgreiche Wissensformate auf.

Das soll sich nun ändern, denn mit «Uncovered» und «10 Fakten», später im Sommer auch mit «Inside Stefan Gödde» setzt ProSieben drei der vier im vergangenen Jahr getesteten Formate mit neuen Folgen fort, die ab dem 24. Juli 2017 in ihren zweiten Staffeln überzeugen sollen. Wir sprachen mit dem Sender und den Moderatoren von «Uncovered» und «10 Fakten», Thilo Mischke und Aiman Abdallah, darüber, welche Maßgaben ProSieben an seine Wissensformate stellt.

Wie geht Wissen für die jungen Zuschauer?


Sendehinweis ProSieben-Wissensmontag

Die neue Staffel der Reportage-Reihe „Uncovered“ mit Thilo Mischke startet am Montag, 24. Juli 2017, um 21:10 Uhr auf ProSieben. Im Anschluss erzählt Aiman Abdallah bei „10 Fakten“ verblüffende Geschichten rund um die Themengebiete der ProSieben-Reportage.
14- bis 29-Jährige für Wissen zu begeistern, ist keine leichte Aufgabe, das erfahren Privatsender im Rahmen von Wissens-Formaten oder Dokumentationen häufig schmerzlich. „Der Schlüssel ist die richtige Auswahl der Themen und eine moderne Erzählweise“, findet ein ProSieben-Sprecher. „Die jüngeren Zuschauer haben einen Wissenshunger, der sich vor allem auf gesellschaftlich-politische Zusammenhänge und Hintergrundwissen richtet.“ Dem trage die Themenauswahl und das Storytelling wie z.B. bei «Uncovered» aus den Augen des Journalisten Thilo Mischke unterfüttert mit wissenschaftlichen Fakten, Rechnung. Besonders Mischke gelinge eine sehr besondere Erzähl-Ästhetik, so die Meinung des Senders.

Dass auch ProSieben, welches vorrangig auf Unterhaltungsprogramme setzt, mittlerweile über eine Grundlage und eine klare Vorstellung davon verfügt, wie Wissen im Privatfernsehen zu vermitteln sei, wird im Gespräch mit dem Sender schnell klar. „ProSieben will Wissen so modern vermitteln, dass es für das Leben insbesondere der jungen Zuschauer relevant ist“, heißt es von Seiten eines Sprechers. Dass dies funktioniere, zeige sich am konstanten Erfolg von «Galileo» seit bald 20 Jahren. Einen Mangel an Wissen könne ProSieben bezogen auf sein eigenes Programm daher nicht feststellen, schließlich performe das täglich ab 19 Uhr laufende Wissens-Magazin seit jeher herausragend, auch im Vergleich zu den Öffentlich-Rechtlichen. Sonntags schalteten im Schnitt 16,4 Prozent der 14- bis 29-Jährigen das ProSieben-Magazin ein. Terra X erreiche nahezu zeitgleich im ZDF durchschnittlich 4,6 Prozent dieser Zielgruppe, verweist ProSieben auf die AGF-Messungen. Aus der «Galileo»-Familie habe der Sender zudem neue Erfolgsformate wie «Galileo Big Pictures» und «Inside mit Stefan Gödde», im weiteren Sinne auch das angekündigte «Mittendrin mit Maike Greine» und «Uncovered» mit Thilo Mischke, schließlich seien sowohl Mischke als auch Greine schon für «Galileo» als Reporter unterwegs gewesen.

«Galileo» schuf die ProSieben-DNA - und jetzt?


Mit Blick auf die Quoten zeichnet sich jedoch ein differenzierteres Bild. Zwar lief «Galileo Big Pictures» in seinen jüngsten Primetime-Einsätzen insgesamt passabel, zuletzt holte die Wissens-Show aber immer öfter einstellige Marktanteile unter dem ProSieben-Senderschnitt. «Inside mit Stefan Gödde», dessen Fortsetzung im vergangenen Monat angekündigt wurde, blieb in den drei Folgen am Montagabend im Sommer 2016 sogar recht deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Tatsächlich schuf ProSieben aber vor bald 20 Jahren mit «Galileo» ein Format, das heute zu den bekanntesten Marken des Senders zählt, quotentechnisch noch immer auf ordentliche Zahlen verweist und auch im Internet in den Sozialen Medien einen integralen Bestandteil der ProSieben-Digitalstrategie darstellt. Mit «Galileo» entwickelte ProSieben einst seine Wissens-DNA, an der der Sender seither neue Formate in der Programmfarbe Wissen versucht auszurichten und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig versucht aber auch das tägliche Wissens-Magazin selbst, sich an den neusten Trends zu orientieren, wie im Gespräch mit Moderator Aiman Abdallah deutlich wird.

„Unsere Zuschauer können sich darauf verlassen, dass wir bei «Galileo» immer die aktuellen technischen Entwicklungen im Programm haben – und gemeinsam mit Ihnen diese Neuheiten mit spannenden Experimenten praktisch anwenden“, schildert Abdallah auf die Frage, was «Galileo» anderen Wissensformaten voraushabe, und nennt sofort Beispiele: «Galileo» habe als erstes TV-Magazin mit Augmented Reality experimentiert und auch als erstes eine Virtual Reality-Ausgabe produziert. „Wir möchten unsere Zuschauer immer wieder einladen – gemeinsam mit uns - Neuland zu betreten und die Zukunft zu entdecken“, so der Moderator.

Neben «Galileo» präsentiert Abdallah ab Montagabend auch wieder «10 Fakten», worin der 52-Jährige den Fernsehzuschauern in einem Mix aus kurzen Studio-Moderationen und längeren Einspielern pro Ausgabe je «10 Fakten» zu einem bestimmten Thema präsentiert. Im vergangenen Jahr stellte das Format eines von vier neuen Wissens-Formaten dar, die die Quotenerwartungen allerdings nur teilweise erfüllten. Während «10 Fakten» in vier Episoden mit im Schnitt 12,1 Prozent trotz stark schwankendem Interesse eine sehr gute Figur machte, entschieden sich im Schnitt nur 8,5 Prozent der Zielgruppe für drei Ausgaben des verlängerten «Inside mit Stefan Gödde». Mit «Follow us!», das als betont junge Reportagereihe fleißig mit Instagram, Selfies und Hashtags hantierte und dabei jünger und unverbrauchter wirkte, hatte ProSieben aber sogar noch weniger Erfolg – lediglich mittlere 7,2 Prozent der jungen Zuschauer interessierten sich für die Erstausstrahlungen im vergangenen Jahr. Nicht alles ist also rosig an der ProSieben-Wissensfront: Erfolgreiche Formate wie «10 Fakten» bieten inhaltlich und stilistisch noch nicht die Modernität, die ProSieben propagiert, wirklich unverbrauchte Ideen wie «Follow us!» kommen dagegen noch nicht beim Publikum an.

Modern & erfolgreich: Dient «Uncovered» als Vorzeigeformat der neuen Generation Wissens-TV?


Eines der vier neuen Wissensformate, die im Sommer 2016 bei ProSieben anliefen, überzeugte sowohl inhaltlich als auch quotentechnisch. In «Uncovered» begab sich Reporter Thilo Mischke in Schattenwelten und verfolgte beispielsweise Straßen-Gangs In Japan, Brasilien und El Salvador. Durchschnittlich gute 11,2 Prozent der jungen Zuschauer verfolgten die Reportagereihe, die wohl am besten die ProSieben-Maßgabe verwirklichte, Wissen modern und authentisch zu erzählen und darauf zu achten, „dass unsere Programme keinen Frontalunterricht-Charakter haben“, wie es von Seiten des Senders heißt.

Von Mongrel-Mobs, „dark tourism“, Waffen-, Drogen- und Organhandel berichtet Mischke in der am Montag startenden, neuen Staffel. Gewagte Reisen, ein unkonventioneller Ansatz – nicht jeder Sender würde sich an das Format herantrauen, weshalb sich für Mischke auch zuallererst die Frage stellte, „wo kann ich meine Geschichten über die Brennpunkte in der Welt unterbringen, wo ist der Mut da, sie zu zeigen?“, wie er im Gespräch mit Quotenmeter.de erklärt, schließlich sei das sein Job. „Ich kann nichts Anderes und wollte nie etwas Anderes können. Ich bin Journalist.“

Nicht nur thematisch machte «Uncovered» schon in Staffel eins auf sich aufmerksam, auch durch eine besondere visuelle Stilistik und Ästhetisierung fiel die Sendung auf. Kamera, Schnitt, Musik, alles ordnete sich einer modernen Herangehensweise unter, sodass es der Inhalt hinter den starken Bildern auch teilweise schwer hatte, mitzuhalten. Der besondere visuelle Ansatz sei „enorm wichtig – wir machen Fernsehen“, betont Mischke. Doch ebenso wichtig ist es mir, nichts zu inszenieren. Das gesamte Equipment ist auf zügigen Einsatz gebaut – aber mit filmischem Look. Farbkorrektur, Schnitt und Musik sorgen im Nachhinein für die audiovisuelle Wirkung. Unsere beiden Kameras werden in hektischen Situationen meist mit Festbrennweiten betrieben“, bemüht Mischke Fachausdrücke, der den Sinn dieser Vorgehensweise gleich folgen lässt: Das zwinge die Kameraleute zum rangehen „Sie entdecken die Situation zusammen mit mir – und arbeiten wie ein guter Reportagefotograf.“

Mischke weiß, wovon er spricht. Seit Jahren ist der Journalist, Autor und Moderator nicht nur für ProSieben im Einsatz und fällt dabei durch junge, frische Formate auf. Dass ProSieben auf derlei Formate baut, stellt eine klare Bereicherung für den Sender dar, nicht zuletzt der bisherige Erfolg von «Uncovered» gibt dem Sender recht, der eventuell insgeheim gerne viel mehr solcher Sendungen im Programm hätte. Auch «Galileo» bemüht sich bislang erfolgreich, mit allen technischen und erzählerischen Entwicklungen im Wissensfernsehen Schritt zu halten, trotzdem stellt die inhaltliche Ausrichtung hin zu „Modernität und Authentizität“ auch eine Gratwanderung dar, denn diese entspricht dieser Tage noch nicht immer einem gesteigerten Interesse des Publikums. Die neuen Folgen der ProSieben-Wissensformate werden Rückschlusse darauf zulassen, ob ProSieben damit schon ein Zukunftsmodell gefunden hat.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
22.07.2017 13:54 Uhr 1
Dieser Sender hat doch schon viele Zuschauer vergrault duch seine ewigen Dauerschleifen - Sitcoms....
Familie Tschiep
22.07.2017 14:20 Uhr 2
Auf mich wirkt es eher wie Unterhaltung, möglichst gruselige Geschichten, die nicht erfunden worden sind.

Die Öffentlich-Rechtlichen sind meist kritischer und behandeln auch Themen, die auf den ersten Blick nicht so visuell oder so reißerisch sind.
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