Seit einigen Jahren kennt das russische Fernsehen ein erstaunliches Format: «Vecherniy Urgant», eine optisch wie inhaltlich für Russland erstaunlich amerikanische Late-Night-Show um den titelgebenden Host Ivan Urgant. Deutschen Zuschauern ist er vielleicht noch als Moderator des «Eurovision Song Contest» von 2009 in Erinnerung.
Kürzlich hatte Urgant einen nicht minder bemerkenswerten Gast: Stephen Colbert.
Natürlich war dieser Besuch politisch aufgeladen. Colbert ist ein scharfzüngiger, haltungsvoller Kritiker von Donald Trump, den Russland durch seine vielfache Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf aktiv förderte. Und Urgant muss sich nicht nur wegen der in Russland ubiquitären Verfolgung Andersdenkender mit Kritik an Putins Regime zurückhalten, sondern auch wegen der Senderstrukturen, in denen er arbeitet. Colbert war, um ein guter Gast zu sein, angenehm beraten, zwar nicht zurückhaltend, aber trotzdem bedacht mit etwaigen Spitzen umzugehen.
Wohl genau mit dieser Maxime hat Colbert seinen Besuch bei Urgant dann auch zu einem klugen Gewinn gemacht: Colbert behielt seine Haltung mit schneidigen, aber weder didaktischen noch pejorativen Seitenhieben auf Trump und Russlands Manipulation der amerikanischen Präsidentschaftswahlen, und auch Urgant nutzte die Gelegenheit für einige clevere politische Bonmots. Das russische Late-Night-Publikum im Studio – wohl gleichsam wie amerikanische Colbert-Fans deutlich jünger und damit linksliberaler und progressiver als der Landesdurchschnitt – belohnte den Auftritt mit tosendem Beifall.
Wäre schön, wenn es bei Gelegenheit zu einem Gegenbesuch käme – gerne mit Live-Tweets von Präsident Trump.
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