
Vorsicht geboten! Keine Grauzone mehr für Kinox.to & Co.
Zur Person: Christian Solmecke
Christian Solmecke hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE auf die Beratung der Internet und IT-Branche spezialisiert. So hat er in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce der Kanzlei stetig ausgebaut und betreut zahlreiche Medienschaffende, Web 2.0 Plattformen und App-Entwickler.„Im Kern gehen die Richter davon aus, dass sich Nutzer immer dann illegal verhalten, wenn sie von der Rechtswidrigkeit des verbreiteten Streams Kenntnis hatten oder diese hätten haben müssen“, geht Solmecke näher auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ein. Von besagter Kenntnis der Rechtswidrigkeit dürfe allerdings immer auszugehen sein, wenn aktuelle Kinofilme, die nicht legal abrufbar seien, im Internet im Wege des Streamings verfügbar gemacht würden. „Im Ergebnis bedeutet dies, dass Nutzer seit dem Urteil deutlich vorsichtiger sein müssen. Geschützt werden sie nur noch von § 53 des Urheberrechtsgesetzes. Dieser erlaubt Vervielfältigung zum Zweck einer Privatkopie. Dies allerdings nur, wenn es sich nicht um eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage handelt“, führt der Kölner Anwalt weiter aus.
Keine Abmahnwellen, aber „eine klare Haltung“

Während das Filesharing, also der Up- und Download von Raubkopien im Internet, schon seit Jahren rechtlich verfolgt wird und hohe Strafen nach sich ziehen kann, könnte auch Nutzer der mittlerweile klar als illegal eingestuften Streams bald die harte Hand des Gesetzes treffen. Tatsächlich könnten Nutzern künftig Abmahnungen drohen, stellt Solmecke klar, „wobei die Kosten geringer ausfallen dürften als bei den Filesharing-Abmahnungen.“ Doch haben die Anwälte von Produktionsfirmen und Kreativen das neue EU-Recht bislang überhaupt konsequent durchgesetzt? Man könnte meinen, seit der Urteilsverkündung hätten Urheber die neue Rechtslage genutzt, um sich die durch Filesharing und Streaming verloren gegangenen Einnahmen der vergangenen Jahre nach und nach wiederzubeschaffen.

Eine neue Abmahnwelle – wie man sie derzeit immer noch bei zahlreichen Tauschbörsen-Verfahren erlebe – hätten Solmecke und Kollegen ohnehin bereits kurz nach dem Urteil ausgeschlossen. „Denn Nutzer können nur über ihre IP-Adressen zurückverfolgt werden. Genau diese IP-Adressen sind jedoch nur dem illegalen Portal bekannt, welches meist anonym operiert und oft keine IP-Adressen speichert“, informiert der 43-jährige Jurist. In der Vergangenheit sei es der Polizei allerdings erfolgreich gelungen, die Server des kinox.to-Vorgängers kino.to zu überprüfen. „In solchen Fällen müssen zumindest die Premiumnutzer, die Geld für den Dienst zahlen und so leichter zu ermitteln sind, mit Forderungen der Rechteinhaber rechnen.“
Wie teuer wird es? Könnte man rückwirkend belangt werden?

Doch damit sind noch nicht alle Fragen beantwortet, die sich dieser Tage wohl einigen Film- und Serienfans stellen, die weiter mit der Nutzung illegaler Streams liebäugeln. Auch rückwirkende Strafen könnten ein Thema werden, schließlich heißt es, das Internet vergesse nie und Daten würden oft dauerhaft gespeichert. Das große Problem bleibe hierbei die Ermittlung, stellt Solmecke klar, dennoch: „Theoretisch können Nutzer auch für in der Vergangenheit angesehene Streams verfolgt und belangt werden. Das Urteil stellt hierbei im Übrigen keine Grenze dar. Auch vor dem Urteil angeschaute illegale Streams könnten insofern abgemahnt werden.“ Die Verjährungsfrist von Unterlassungsansprüchen belaufe sich auf drei Jahre, im Falle von Schadensersatzansprüchen sogar auf 10 Jahre. Eine Rückverfolgung wäre somit zumindest denkbar, meint der Medienrechtler, „wobei dies einschränkend nur für registrierte Premium-Nutzer gelten wird, da eventuell registrierte IP-Adressen nach rund ein bis vier Wochen je nach Provider gelöscht werden und die zugeordneten Personen nicht mehr ermittelbar sind.“
Wie erkennt man einen illegalen Stream?

Hier helfe ein gesunder Menschenverstand, denn aktuelle Blockbuster-Kinofilme oder angesagte Serien würden niemals auf irgendeiner Webseite frei zugänglich sein. Konkreter sollten Nutzer darauf achten, dass es sich um einen vertrauenswürdigen Anbieter handelt, der im Idealfall über anerkannte Gütesiegel verfügt und ein vollständiges Impressum vorweisen kann. „Hier ist entscheidend, dass die Verantwortlichkeit für den Inhalt klar erkennbar ist. Zudem sollten Nutzer darauf achten, dass der Anbieter idealerweise einen Sitz in Deutschland, zumindest aber in der EU hat“, rät Solmecke. „Dubiose Anbieter mit Sitz auf karibischen Inseln sollten gemieden werden. Letztlich sicher sind Nutzer die Bezahl-Abos wie Netflix, Amazon Prime oder Sky wählen.“
«Game of Thrones»-Fans sowie Internetnutzer, die es mit anderen Serien halten oder sich gerne neue Kinofilme über illegale Streaming-Portale wie Kinox.to zu Gemüte führen, müssen sich dieser Tage also ganz konkret die Frage stellen, was ihnen eine Serie oder ein Film wert ist. Um die 10 Euro pro Monat für die meisten Abonnements bei legalen Streaming-Anbietern oder etwa 150 Euro pro illegalem Stream, falls der Abruf auf sie zurückverfolgt werden kann? Nutzern legaler On-Demand-Portale oder Streaming-Angeboten kommt die neue Rechtslage allerdings eher zugute, schließlich bestimmt das Angebot die Nachfrage. Wenn also immer mehr ehemalige Nutzer der heute illegalen Streams auf legale Angebote umsteigen, sollte auch der Abonnement-Preis sinken. Auch so sind Angebote wie das enorm günstige Sky Ticket zu erklären, mit dem «Game of Thrones»-Fans derzeit testweise für unter zwei Euro zwei Monate lang ihre Lieblingsserie in bester Qualität über Sky sehen können. Im Rahmen der Staffeln davor verzichtete Sky noch auf ein derartiges Angebot – somit entgingen dem Pay-TV-Sender hohe Einnahmen, denn die meisten Interessenten griffen schlicht auf die damals noch nicht illegalen Streams zurück.
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