Die glorreichen 6

Die glorreichen 6 – Beeindruckende Kammerspiele (Teil III)

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Begrenzter Raum, unbegrenzter Filmgenuss: Wir präsentieren sechs filmische Kammerspiele – mal humorvoll, mal hochspannend. Dieses Mal stellen wir den zu Unrecht übersehenen Showbiz-Spaß «Noises Off!» vor.

Die Handlung


Filmfacts «Noises Off! Der nackte Wahnsinn»

  • Regie: Peter Bogdanovich
  • Produktion: Frank Marshall
  • Drehbuch: Marty Kaplan; basierend auf dem Theaterstück von Michael Frayn
  • Darsteller: Carol Burnett, Michael Caine, Denholm Elliott, Julie Hagerty, Marilu Henner, Mark Linn-Baker, Christopher Reeve, John Ritter, Nicollette Sheridan
  • Musik: Roy Budd
  • Kamera: Tim Suhrstedt
  • Schnitt: Lisa Day
  • Veröffentlichungsjahr: 1992
  • Laufzeit: 103 Minuten
  • FSK: ab 6 Jahren
Regisseur Lloyd Fellowes (Michael Caine) steht kurz vorm Durchdrehen: Er hat die Aufgabe angenommen, das vollkommen anspruchslose, auf haarsträubenden Verwechslungen aufbauende Lustspiel «Nichts dran» von England nach Amerika zu bringen. Doch während der Generalprobe geht noch immer schief, was schief gehen kann. Kein Wunder, bei dieser Besetzung: So leidet Frauenschwarm Frederick Dallas (Christopher Reeves) unter seiner mangelnden Selbstsicherheit, während Hauptdarsteller Garry Lejeune (John Ritter) vollkommen zerstreut ist. Hauptdarstellerin Dotty Otley (Carol Burnett), die einst eine ganz große Nummer war, ist nun ein knarziger Schatten ihres früheren Ichs. Brooke Ashton (Nicolette Sheridan) hat mehr Holz vor der Hütte als Verstand in der Birne, die weibliche Nebendarstellerin Belinda Blair (Marilu Henner) hat dagegen Optimismus für zwei und der schwerhörige Selsdon Mowbray (Denholm Elliott) hat ein gewaltiges Alkoholproblem.

Hinter der Bühne sind Poppy Taylor (Julie Hagerty) und Tim Allgoog (Mark Linn-Baker) derweil massiv mit dem turbulenten Stück und dem, was das Ensemble mit ihm anstellt, überfordert. Und so katastrophal die Generalprobe sein mag: Sie ist ein Paradies im Vergleich zu dem, was diese Chaostruppe wenige Zeit später vor zahlendem Publikum aufführt …


Der Schauplatz


Die Bretter, die die Welt bedeuten – und alles in unmittelbarer Nähe: Regisseur Peter Bogdanovich orientiert sich in seiner schrillen Slapstick-Showbiz-Komödie weitestgehend an der Theaterstückvorlage «Der nackte Wahnsinn» und zeigt in drei Abschnitten, wie unterschiedlich ein Lustspiel ausfallen kann – je nach Verfassung des Schauspielensembles. «Noises Off!» spielt somit auf einer Theaterbühne, kurzzeitig im (mal leeren, mal gefüllten) Publikumssaal sowie hinter den Kulissen, wo sich Regie, Regieassistenz und Darsteller in reinstes Chaos verstricken.

Bogdanovich bricht diese örtliche Beschränkung seines Films nur für Rahmen- und Zwischenszenen rund um Regisseur Lloyd Fellowes, der an die schwere Geburt seiner Broadway-Version des Stückes «Nichts dran» zurückdenkt. Diese kleinen Augenblicke formen aus der episodenhaften, rasanteren Bühnenvorlage von Michael Frayn mit geringen Mitteln eine minimal gemächlichere, dafür gesamtheitlichere Geschichte über den Broadway-Wahnsinn.

Die 6 glorreichen Aspekte von «Noises Off!»


Die Gemeinschaftsproduktion zwischen Touchstone Pictures und Amblin Entertainment ist eine waschechte Komödie zum Immer-wieder-Ansehen: Es gibt so viele Mechanismen die in dieser Theaterfarce ineinander greifen, dass sich Bogdanovichs Leinwandadaption von Michael Frayns Bühnen-Dauerrenner partout nicht abnutzt. Der mit weiterem Filmverlauf immer rasanter werdende Slapstick, der sich auf faszinierende Weise zersetzende Teamgeist unter den Figuren, das regelrechte Bombardement an Running Gags und die wunderbar ineinander greifenden Ebenen an Pointen sowohl im eigentlichen Film als auch im Stück-im-Film halten «Noises Off!» dauerhaft frisch.

Zweifelsohne: Bogdanovichs Adaption des hundertfach neu aufgeführten Bühnenrenners ist medienbedingt weniger erstaunlich als die Theaterfassung. Dort muss das Ensemble live einen waghalsigen Sprint über ein Drahtseil aus Charakterschauspiel, Running-Gag-Vorbereitung und -Auflösung sowie gezielten Pannen absolvieren und dabei darf kein Teilchen auch nur eine Sekunde aus dem Takt geraten – und dies vor einer (in aufwändigeren Fassungen) weitläufigen Drehbühne. Als Kinofilm hat «Noises Off!» gezwungenermaßen nicht diesen Effekt, der dem Absolvieren halsbrecherischer Artistik direkt vor den Augen des Publikums gleicht. Doch der «Paper Moon»-Regisseur wiegt diesen Nachteil kunstvoll auf, indem er die Passagen, die seinen Darstellern besonders minutiöses Timing abverlangen, in langen, ungeschnittenen Totalen oder Halbtotalen einfängt und dafür an anderer Stelle das bietet, was im Theater unmöglich ist: Kurze, urkomische Nahaufnahmen der immer stärker verzweifelnden «Nichts dran»-Truppe. Diese bieten einen unmittelbaren Einblick in die mal ratlose, mal sich bemüht zusammenreißende, mal dem Nervenzusammenbruch nahestehende Seele eines hart ackernden Teilchens einer zusammenbrechenden, mies geölten Maschine.

Dass «Nichts dran» zudem in «Noises Off!» selbst dann, wenn alles gut läuft, einfach lachhaft ist, verleiht dieser Farce eine zusätzliche Ebene des Vergnügens: Es ist eine damals wie heute vortrefflich beobachtete Persiflage sinnfreier, mit dick aufgesetzten Monologen und haarsträubenden Zufällen versehener Komödien, wie sie Volksbühnen am laufenden Meter abliefern. Trotzdem ist das Drumherum der Star dieses Films – die unverschämte Schadenfreude, mit der Bogdanovich das nie an Konsequenzen denkende Treiben und den Größenwahn von Schauspielgruppen nimmt und dann nicht etwa gegen eine einzelne Wand laufen lässt, sondern gegen mehrere Dutzend Wände, Türen, Stützpfeiler, Treppen, Telefonschnüre und Sardinenteller. All dies, unvergleichlich durchgeführt von einem grandios eingespielten Ensemble, das förmlich aufblüht, während es das Gegenteil verkörpert.

«Noises Off! Der nackte Wahnsinn» ist auf DVD erschienen.

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