Popcorn & Rollenwechsel

360 Grad – Der Film

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Eine langlebige Kolumne ist von uns gegangen. Zeit, sie auf die Kinoleinwand zu hieven.

Neun Staffeln – und mindestens ein Film. Mit einer kurzen 2009er-Staffel gestartet, 2010 bis 2016 mit vollen Seasons versehen und im Laufe der 2017er-Staffel mit einem kurzen, abrupten Finale beendet, ist 360 Grad nun nicht weiter Teil des laufenden Quotenmeter.de-Programms. Julian Millers Reihe an wöchentlichen Gedanken zum Fernsehen, popkulturellen Geschehen und abseitigen Ereignissen, die den weltoffenen, wissbegierigen medieninteressierten Menschen intellektuell stimulieren sollten, ist nur noch das, was Filmverleiher einen "Katalogtitel" nennen.

Doch nichts bleibt vorbei, wenn es vorbei ist. Ist eine menschliche Tragödie vorbei, wird sie Jahre später zum Film: Riesenluxusdampfer, die Eisberge rammen, werden zu James-Cameron-Kitschfilmen. Ölplattformen, die zusammenbrechen, werden zu Peter-Berg-Actiondramen. Die Jagd nach Osama bin Laden wird zu einem Kathryn-Bigelow-Thriller. Kriege werden zu Dutzenden von Filmen. Ist eine Fernsehserie vorbei, wird sie Jahre später mal zu einem depressiven Kinoremake, einem verzweifelten Nostalgiefest oder zu einer Leinwandfarce. Oder zu allem gleichzeitig. Ist 360 Grad vorbei – wird auch dies zum Kinofilm. Das verordne ich hiermit – Kraft meines mir selbst verliehenen Amtes als Oberbehelfshabender fürs Übertragen geschriebener Kolumnen in andere Medien!

Nur wer sollte 360 Grad auf die Leinwand übertragen? Und ja, auf die Leinwand. Millers Offenheit gegenüber VoD und seiner thematischen Nähe zum Fernsehen zum Trotz hat es ein Kinofilm zu werden, und nicht etwa ein VoD-Exklusivtitel oder Fernsehfilm. Wir wollen ja nicht, dass er entweder von Adam Sandler oder Veronica Ferres gespielt wird! Es sollte jemand sein, der Kulturpessimismus beherrscht, ihn aber reizend verpackt. Immerhin klagte Julian Miller von 2009 an über den kreativen Verfall des deutschen Fernsehens.

Er sollte kein Problem haben, vom Thema abzuschweifen und einem Massenpublikum nischige Konsumempfehlungen zu geben und sich über Spießigkeit zu beschweren, ganz gleich, wie populär ihre Auswüchse sind. Und auch Mitläufertum sollte er persiflieren können. Wie wäre es also mit «Birdman»-Regisseur Alejandro González Iñárritu?

Andererseits sollte er nicht nur gegen dumme Mainstreamauswüchse wettern, sondern auch gegen grenzdebilen Sparzwang. Er sollte wilde Slapstick-Spektakel lieben, politische Statements setzen, wenn sie niemand erwartet und einen Hauch Surrealismus sollte er auch nicht ablehnen. Vielleicht sollte es also lieber der Mann machen, den ich in solchen Situationen immer verlange: Gore Verbinski!

Natürlich ist es beschämend, dass in dieser Shortlist keine Frau genannt wurde, insbesondere, wenn man den 360-Grad-Kampf gegen sexistische Windmühlen bedenkt. Aber überspringen wir die Suche nach Quoten-Kandidatinnen, denn auch die oben genannten Männer haben keine Chance. Die Regie bei «360 Grad – Der Film» muss schließlich auch Julians zahlreiche Kolumnen über Lena Meyer-Landrut, Jan Böhmermann und Stefan Raab verarbeiten können, und ich kenne bisher weder einen etablierten Regisseur noch eine etablierte Regisseurin, der/die alle hier genannten Kriterien mitbringt.

Müssen wir also auf «360 Grad – Der Film» verzichten? Nein. Ich mache es ganz einfach selber! Um mein Langfilm-Regiedebüt zu finanzieren rufe ich daher alle Quotenmeter-Leserinnen und -Leser auf, mir Spenden zu überweisen. Die Daten erhalten Sie da draußen auf Anfrage. Wenn wir genug Geld zusammenbekommen, könnten wir vielleicht Nora Tschirner und Joyce Ilg als Lena besetzen (die VFX-Experten von Weta Digital werden die beiden schon erfolgreich zusammenschmelzen), Ryan Gosling als Jan Böhmermann (auf dass der gute Mann dann wirklich die Goldene Kamera gewinnt) und Leonardo DiCaprio wird unter jeder Menge Schminke zu Stefan Raab. Julians geliebte (und zukünftige Geliebte?) Jessica Alba besetzen wir in einem Akt des Meta-Castings mit Scarlett Johansson, um das gegen Julians Prinzipien verstoßende Whitewashing und Johanssons «Ghost in the Shell»-Vergangenheit zu kommentieren. Alba bekommt dagegen eine Rolle als Angela Merkel. Weil … Na, weil wir es können! Die ganzen von Julian thematisierten Nachmittagsfernsehenprogrammverantwortlichen besetzen wir dagegen mit Schlecker-Frauen und Edeka-Ex-Mitarbeitern. Die machen ihren Job genauso gut wie die Großen, die wir anheuern – aber für die Hälfte.

Kurz-URL: qmde.de/94940
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