Filmfacts «Lucky Loser»
- Regie und Drehbuch: Nico Summer
- Darsteller: Peter Traber, Annette Frier, Emma Bading, Kai Wiesinger, Elvis Clausen
- Kamera: Thomas Förster
- Schnitt: Nico Sommer, Carlotta Kittel
- Laufzeit: 94 Minuten
- FSK: ohne Altersbeschränkung
Dass nun, rund ein Jahr später, erneut ein deutscher Film, der sich irgendwo zwischen Komödie und Drama befindet, eine solche Story zum Besten gibt, wird sich wohl gemeinhin für «Lucky Loser – Ein Sommer in der Bredouille» als Hindernis herausstellen. Zu schwer wird es sein, im Vergleich mit dem inflationär gelobten Cannes-Beitrag in der allgemeinen Betrachtung Fuß zu fassen. Für all jene, die sich im «Toni Erdmann»-Jubel in der Minderheit fühlten und die Parade an Fremdschammomenten mit Peter Simonischek einfach nur lästig, zu lang und selbstgefällig umgesetzt fanden, dürfte die von ZDF – Das kleine Fernsehspiel mitverantwortete Campingstory indes ein angenehmer Absacker sein, der den Nachgeschmack des Arthouse-Hits hinfort spült.
Der Verlierer Mike (Peter Trabner) muss auf Drängen seines Vermieters seine Wohnung aufgeben und sein Job in einer Waschstraße ist wahrlich nichts, worauf man sich was einbilden könnte. Seine über alles geliebte, 15-jährige Tochter Hannah (Emma Bading) feiert den liebenswerten, leicht trotteligen Mann im besten Alter dennoch – er hat einfach ein zu großes Herz und zu viel Humor, um ihm böse zu sein. Obwohl: Es ist wohl möglich, ihm böse zu sein. Seine Ex-Frau Claudia (Annette Frier) geht regelmäßig aufgrund seiner Verantwortungslosigkeit an die Decke – dagegen ist seine sture Verknalltheit in sie, selbst neun Jahre nach der Trennung, eine harmlose Peinlichkeit! Als Hannah von Thomas (Kai Wiesinger), dem Neuen ihrer Mutter, nach einem Streit die Schnauze voll hat, fordert sie, bei Mike einzuziehen – nicht wissend, dass er gerade obdachlos ist.
Er lügt sich aus Hannahs Forderung raus und stößt ihr damit vor den Kopf. Um nicht den letzten Rückhalt zu verlieren, nimmt er sie spontan auf einen Campingtrip mit, was dem coolen Teenie allerdings wenig zusagt. Zumal Mike, erstmal am Zielort angekommen, Bekanntschaft mit ihrem wesentlich älteren Freund Otto (Elvis Clausen) macht und nicht einsieht, dieser Bindung seinen Segen zu geben …
Den daraus resultierenden Trubel hakt Regisseur und Autor Nico Sommer («Vaterlandsliebe») in weniger als 95 Minuten ab – in derselben Zeit hat sich Maren Ades «Toni Erdmann» gerade einmal warmgeblödelt. Sommers Familienversöhnung ist aber nicht nur kürzer, sondern auch in mehrfachem Sinne leichter – ihm ist weniger an allgemeingültigen Beobachtungen über Familien-Fehlfunktionen, Arbeitswut und den Reiz, verspielt zu sein, gelegen. Das macht «Lucky Loser» weniger profund, gleichwohl ist sein Stoff daher weniger überfrachtet und verlässt sich stärker auf das Zusammen- und Gegeneinanderspiel der zentralen Figuren sowie auf vereinzelte Alltagsbeobachtungen.
«Lucky Loser» blüht daher immer dann auf, wenn sich mehrere Figuren die Leinwand teilen und sie einfach ihr Ding durchziehen. Wenn Mike verzweifelt versucht, aus seiner schluffigen Verliererposition auszubrechen und mal Verantwortung zu übernehmen, gleichzeitig aber mit aller Macht Hannahs Sympathie für ihn bewahren will, tappst Peter Trabner wunderbar zwischen Charakterzügen hin und her und lässt in (oft improvisierten Dialogpassagen) spürbar authentische Phrasen und Logikverschwurbelungen von den Lippen. Emma Bading erwidert diese in einer glaubwürdigen und dennoch pointiert überspitzen Verschränkung von Teenie-Dickköpfigkeit und Liebe für ihren Film-Papa, während Elvis Clausen mit beeindruckender Trockenheit die Stimme der Vernunft gibt. Clausens Sprüche sind schon allein deswegen als messerscharfe, trockene Einsprengsel in diesem sonst so süffisanten Film stets überraschend humorig – dass seine Rolle ein mit Drogen handelnder Personal Trainer jenseits der 30 ist, setzt dem aber noch die Krone auf.
Zuweilen fehlt es «Lucky Loser» an erzählerischer Stringenz, um nicht abseits der Gruppen-Wortgefechte völlig zu Fluff zu werden. Zumindest nutzt Sommer viele der kleineren Anekdoten, um seine Figuren abzurunden. Wenn Mike etwa Otto dabei hilft, mit einem Dorfnazi fertig zu werden, hilft dies, aus dem Zeche prellenden Vater, der emotional in früheren Lebensabschnitten feststeckt, eine sympathischere Figur zu machen – er zeigt sich in solchen Momenten als nicht völlig träge. Auch Thomas bekommt dank Kai Wiesingers trottelig-nöligem Spiel und kurzen Augenblicken, in denen er den Verlauf der Dinge ungläubig kommentiert, wenigstens eine zweite Dimension und ist mehr als der reine Nebenbuhler und Spießer.
Umso bedauerlicher, dass Annette Frier trotz «Toni Erdmann»-Meta-Verweis und einem bunten Mix an Szenen, in denen sie mal den Männern in ihrem Filmleben zuarbeitet, mal gegen sie wettert, eine eher blasse Figur macht. Das liegt jedoch nicht an der «Dani Lowinski»-Darstellerin, sondern daran, dass das Skript in Claudia kaum mehr als einen wandelnden Plotpunkt sieht, den Hannah und Mike auf ihre Seite zu ziehen haben. Im letzten Fünftel werden die Schwächen von «Lucky Loser» dann überdeutlich – händeringend sucht Sommer nach einem Pfad, die beiläufig erzählte, mit charmantem Verbalgekabbel bestückte Geschichte zu einem Ende zu führen und wählt letztlich einen besonders formelhaften Weg, der zu geradlinig für diese Figuren ist, um vollauf glaubwürdig zu sein.
Als lockere Sommerdramödie mit charaktergetriebenen, dramatischen Zwischentönen und einem sehr überzeugenden Hauptdarsteller-Dreigespann aus Clausen, Tauber und Bading ist «Lucky Loser» trotzdem Anhängern des Casts klar zu empfehlen. Alle anderen machen ihre Kinopläne von ihrer Meinung zu «Toni Erdmann» abhängig.
«Lucky Loser» ist ab dem 10. August 2017 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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