Aktuellen Zahlen zufolge beschäftigt Twitter rund 3.500 Mitarbeiter in aller Welt, Facebook kommt sogar auf 17.000 Stück. Das Unternehmen hinter Jodel kommt im dritten Betriebsjahr – nach einigen Quellen – derweil auf rund zehn Angestellte. Mitte Juni bekam das Unternehmen, das in Berlin angesiedelt ist, eine Geldspritze von sechs Millionen Euro. Alessio Borgmeyer, der die Öffentlichkeit scheuende Chef der The Jodel Venture GmbH, zeigt sich darüber sehr erfreut.
Jodel geht ohnehin sehr sparsam mit Werbung um. Die App, für die es mehrere Dutzend Facebook-Fansites gibt, erlangte innerhalb von zwei Jahren riesige Bedeutung. Zumindest bei jungen Menschen in Ballungsgebieten, denn Jodel arbeitet mit den GPS-Daten. Das sind jene Daten, die auch Google Maps benötigt, um zu navigieren. Im Umkreis von zehn Kilometern kann man bei Jodel seine Textnachrichten mit Emoticons oder Bilder publizieren. Andere App-Nutzer können das Posting unbegrenzt upvoten – wer allerdings Unsinn verzapft oder dessen Meinung konträr zum Konsens verläuft, hat keine Chance auf ein langes Jodel-Leben: Erreicht ein Posting „-5“, wird es automatisch gelöscht. So haben beispielsweise rechtextreme Postings keine lange Halbwertszeit.
Die Jodel-App ist anonym – keiner kann nachvollziehen, wer diese Postings in die Welt gesetzt hat. Inzwischen wurde diese Anonymität etwas gelockert, wie etwa durch eine Nummerierung der Kommentare. Aber es ist weiterhin nicht nachvollziehbar, wer hinter Kommentar 4 steckt oder das jüngste Bild veröffentlichte. Bei der einst als Studenten-Dienst gedachten App, die schon lange nicht nur von Studenten verwendet wird, sind alle Original-Poster „OJ“ und bei den Kommentaren beginnt die Aufzählung immer von vorne.
Besonders einfach machen es sich die Verantwortlichen mit dem sonstigen Überwachen der Nachrichten: Statt eigene Mitarbeiter zu bezahlen, ist die Allgemeinheit dafür verantwortlich. Nach einer geraumen Zeit wird ein normaler User „Moderator“ und kann eben entscheiden, ob der gemeldete Inhalt anstößig, beleidigend oder rassistisch ist. Damit hat Jodel sein amerikanisches Vorbild „Yik Yak“ ausgestochen, bei dem es diese entscheidende Funktion nicht gab. In den Vereinigten Staaten von Amerika war Cybermobbing bei Yik Yak sehr verbreitet, sodass man mit der Umstellung auf registrierten Profilen noch einmal den Kurs korrigieren wollte. Seit April 2017 ist Yik Yak weltweit offline. Jodel hingegen plant den US-Start.
Jodel ist in der Gesellschaft angekommen: Als ein US-Düsenjet zwischen Frankfurt und Nürnberg die Schallmauer durchbrach, war die App innerhalb von wenigen Sekunden voll mit Fragen, was gerade passiert sei. In München verabredeten die Nutzer, dass man ein Bordell bei einer Bewertungsplattform als Restaurant deklarieren und mit sehr tollen Bewertungen weit oben im Ranking platzieren sollte. Die Folge: Es kamen viele Gäste zum Essen – landeten aber in einem Freudenhaus. Auch in Sachen «Germany’s Next Top Model» und «Bachelorette» drehen die User durch und beschäftigen sich mit den Fernsehshows.
Die Macher aus Berlin haben in den vergangenen Jahren kluge Entscheidungen getroffen: Durch den begrenzten Rahmen von „nur“ zehn Kilometern finden lokale Dinge in der App statt. In Verbindung mit anderen Diensten wie das Fernsehen entwickelt sich eine Möglichkeit, mit Gleichgesinnten aus der Nähe zu diskutieren. Um aber viele Likes zu bekommen, braucht man nur eine Katze als Haustier: Die Samtpfoten bekommen, wie auch sonst im Netz, unfassbar viele Upvotes.
Über Jodel kann man auch Menschen kennen lernen. Viele einsame Studenten haben sich schon zu Partys verabredet oder mit Verbindung des Kik-Messengers Benutzernamen ausgetauscht. Nach einigen Umfragen sind des Öfteren schon einige Pärchen zusammen gekommen. Doch wie geht es weiter? In den vergangenen Wochen hat die Apps ein paar neue Features bekommen, wobei die Macher sehr behutsam mit den Neuerungen umgehen. Doch eines Tages wird sich auch die Werbefreiheit ändern – das Unternehmen hinter Jodel muss schließlich irgendeinmal Geld verdienen.
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