Die Geburtsstunde des Farbfernsehens (BRD)
Am 25. August 1967 startete der damalige Vizekanzler und Außenminister Willy Brandt mit einem Druck auf einen roten Buzzer das Farbfernsehen in der Bundesrepublik - übrigens ganze 13 Jahre später als in den USA. Am selben Abend lief die Spielshow «Der goldene Schuss» mit Vico Torriani erstmals in Farbe - sehen konnte man das damals allerdings nur auf rund 5.800 Geräten.Beim potenziellen Rezipienten mag dies zweifellos anders sein, denn wenngleich Johannes B. Kerner und Steven Gätjen im Rahmen der Auftaktfolge darauf verweisen, dass mittlerweile fast 98 Prozent aller Haushalte über ein Fernsehgerät verfügen, dürfte der Anteil der wirklichen TV-Freunde deutlich geringer sein. Und all jenen, die glauben, auf die titelgebende Behauptung nicht mit einem Nicken reagieren zu können, sei bereits vorab gesagt: Schaut euch dieses Format besser nicht an, ihr werdet nur wenig Spaß daran haben. Weitaus schwieriger gestaltet sich jedoch das Empfehlungsschreiben für alle Anderen, denn trotz herausragender Gäste ist der Neustart leider nicht die erhoffte prunkvolle Gala, nach deren Sichtung man wieder weiß, warum man dieses Medium so liebt.
Sie lieben Statik - und sich selbst
Zu bemängeln wäre etwa die konzeptionelle Statik, mit der das ZDF die Sendung angeht. In alter «Wetten, dass..?»-Manier werden die Gäste schnell auf eine breite, durchaus schmuck ausschauende Couch verfrachtet und sollen da dann eben mal 90 Minuten lang Clips anschauen und reden, reden, reden. Diese lapidare Beschreibung mutet natürlich unterkomplex an, da man die Einspieler durchaus nach Formaten, Personen, Themen und Jahrzehnten geordnet hat und die Beteiligten nicht einfach wild drauflosplappern, aber im Kern ist das Geschehen damit zusammengefasst. Wirkliche Studioaktionen gibt es nicht, Spiele beschränken sich auf wenig innovative Serienmelodien-Ratereien und von den zahlreichen Einspielern einmal abgesehen wird die große LED-Wand im Hintergrund nur noch dazu genutzt, selbstwertdienliche Nutzungsstatistiken des Mediums aufzuzeigen.
Und gerade letzteres Element mutet mitunter sogar etwas dubios an, wenn etwa Kerner den aktuellen Streaming-Hype und die damit vermeintlich einhergehenden Erosionserscheinungen des Fernsehens damit kleinzureden versucht, dass er auf die 223 durchschnittlichen Sehminuten pro Tag im Jahre 2016 verweist - und als Vergleichswert die 144 Minuten von 1988 aufführt. Klar, damit erhält man einen beeindruckend langen Balken für die Aktualität, sagt aber rein gar nichts über den Einfluss von Netflix und Co. und die aktuelle Tendenz des Mediums aus - die übrigens nach offizielen Angaben der AGF eine seit 2010 anhaltende Stagnation der Sehdauer auf stets 221 bis 225 Minuten verweist.
Sie lieben Mainstream - und die BRD
Von diesen missglückten, aber wohl von kaum einem Zuschauer wirklich hinterfragten Versuchen, die eigene "wir finden uns schon ziemlich geil"-Attitüde numerisch zu untermauern, einmal abgesehen zielt die Sendung leider auch sonst ziemlich auf banale Sentimentalitäten und lustige Anekdoten ab, weshalb es an Hans Sigl ist, nach etwa einer Viertelstunde auf die Gefahr zu verweisen, in eine "früher war alles besser"-Gefühligkeit abzudriften. Einige Zeit und viele, viele westdeutsche Clips aus den ersten Jahrzehnten des Farbfernsehens später muss dann Wolfgang Stumph anmerken, dass es übrigens auch in der DDR sehenswerte Filme und Serien gab. Kerner und Gätjen nicken verständig - und widmen sich rasch wieder der BRD-Ware. Steht halt so auf dem Ablaufplan, muss so abgehakt werden.
Der auch und gerade für große Fernsehfans ärgerliche Subtext, der sich beinahe durch die gesamte Sendezeit zieht, ist dadurch von einer sehr großen Mainstream-Affinität geprägt, während man die etwas abseitigeren Spielformen größtenteils zu umgehen versucht. Ob es nun die Nichtberücksichtigung der DDR-Unterhaltung oder die nur sehr lieblose und beiläufige Erwähnung großer Qualitätswerke insbesondere der jüngeren Vergangenheit wie etwa «Weissensee» oder «Deutschland 83» ist: Wer nicht gerade auf die ganz großen Quotenhits für die breite Masse abfährt oder es wagte, im "falschen" Deutschland gelebt zu haben, wird hier ziemlich arg im Regen stehen gelassen. Erwartbar für eine Primetime-Show des Zweiten Deutschen Fernsehens, gerade wenn sie von eher unscheinbar-egalen Gesichtern wie Kerner und Gätjen präsentiert wird, aber doch bedauerlich. Immerhin findet aber keine erkennbare Diskriminierung privater Formate statt, vor allem «GZSZ» bekommt reichlich Sendezeit spendiert.
Fazit: Sie lieben Mittelmaß - und große Namen
Sendetermine und Gäste
- 17.8.: Film- und Serienstars (u.a. mit Wolfgang Stumph, Mariele Millowitsch, Hans Sigl, Marie-Luise Marjan, Pamela Anderson und Mario Adorf)
- 24.8.: Spaßvögel (u.a. mit Dieter Hallervorden, Christoph Maria Herbst, Beatrice Richter, Annette Frier und Oliver Welke)
- 31.8.: Sporthelden (u.a. mit Franziska van Almsick, Katarina Witt, Mark Spitz, Berti Vogts, Daley Thompson und Jürgen Hingsen)
- 2.9. (ausnahmsweise samstags und dreistündig): TV-Momente (u.a. mit Marietta Slomka, Thomas Gottschalk, Carmen Nebel, Lothar Matthäus und Paul Breitner)
Und da der Verfasser dieses Artikels der Aufzeichnung der am kommenden Donnerstag ausgestrahlten "Spaßvögel"-Aufzeichnung beigewohnt hat, muss er eventuellen Hoffnungen auf Besserung gleich mal eine Absage erteilen. Auch besagte Folge punktete in erster Linie durch ihre sehr gute Auswahl an Gästen, die mitunter noch etwas dynamischer und - ihrem Job entsprechend - gewitzter agierten als die Schauspieler, weshalb die zweite Show vielleicht eine Nuance unterhaltsamer daherkommen dürfte. Doch obwohl etwa die alte «Schillerstraße»-Crew zu sehen sein wird, was geradezu nach einer Bühnen-Darbietung eines Sketches geschrieen hätte, wird es auch hier wieder fast ausschließlich sitzende, redende Menschen in einem schönen Studio zu sehen geben. Und das ist eben das Traurige: Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, «Wir lieben Fernsehen» wirklich einmal groß zu schreiben - aber letztlich hat man sich dann doch wieder für die Varianten "Wir lieben Mittelmaß" und "Wir holen große Namen - für kleines Fernsehen" entschieden. Schade drum.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
18.08.2017 01:16 Uhr 1
Vielleicht wäre die Show mit einem Entertainer besser geworden, der auch singen, tanzen und spielen kann.
18.08.2017 03:10 Uhr 2
Im Prinzip hätte man aber für das komplexe Thema Serien die doppelte Sendezeit gebraucht.
Wichtige Serien wie z.B. Bonanza, Raumschiff Enterprise, Diese Drombuschs, Ein Fall für zwei u.a. wurden nicht einmal erwähnt.
18.08.2017 10:35 Uhr 3
Halb OT: Wie immer bei solchen Durchschnittszahlen ist die Verteilung der Sehminuten interessant. Man könnte vermuten, dass diese hohen Wert durch Haushalte/Personen verzerrt werden, die den TV von morgens bis abends eingeschaltet haben. Die Gründe würde ich unter Vereinsamung, sozialer Isolation und Verwahrlosung einordnen.
Es ist also mit Sicherheit kein Erfolg und für eine ÖR-Anstalt erstrebenswert, dass Menschen pro Tag durchschnittlich fast vier Stunden vor der Glotze sitzen, egal was sie sich da ansehen.