Sie haben ja den Vorteil, dass sie meist Formate anbieten, die es nicht bei Amazon oder Netflix gibt. Ist das für Sie dann doch ein Vorteil? Denn die neueren Serien bekommt man ja doch meist sehr schnell bei den Streaming-Angeboten.
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Wir hingegen bieten im Free-TV, ohne Zusatzkosten, Produktionen die wir gerne mehrfach zeigen und die eine hohe Qualität haben und auch manchmal trotz älteren Produktionsdatums zum ersten Mal zu sehen sind.
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Jürgen Hörner
Um aber noch einmal auf den speziellen Vergleich Netflix/Amazon zurück zu kommen. Der Grund Netflix oder Amazon Video zu abonnieren liegt schon sehr stark in den neuen, stilprägenden Programmen die angeboten werden, da man als Nutzer ja etwas bezahlen soll, und weniger im Katalog-Bereich. Wir hingegen bieten im Free-TV, ohne Zusatzkosten, Produktionen die wir gerne mehrfach zeigen und die eine hohe Qualität haben und auch manchmal trotz älteren Produktionsdatums zum ersten Mal zu sehen sind. Zwei Beispiele die ich hier gerne anführe: Wir haben zwei, drei Filme als deutsche Erstausstrahlung gezeigt, die zu ihrer Zeit nur kurze Zeit im Kino liefen und auf DVD verfügbar waren. Tolle Produktionen, die in ihrem Land 2006 und 2008 fürs Kino produziert wurden, aber vor eoTV nie im deutschen Fernsehen gelaufen sind. Hier sehe ich uns auch als Sender, der solche Filme entdeckt und ausstrahlt.
Darauf möchte ich auch noch einmal zu sprechen kommen. Aus welchem Land kommt denn zurzeit das beste Programm?
Das kann ich so gar nicht festmachen, denn sie finden in jedem Land wirklich sehr gutes Programm. Worauf wir uns im gesamteuropäischen Vergleich fokussieren und wo wir überproportional viel Programm haben ist Großbritannien, Skandinavien, Frankreich und Italien, bei denen es sich um sehr gute und rege Produktionsstätten handelt. Gerne würden wir den Fokus noch mehr auf Spanien legen. Unterrepräsentiert ist bisher Osteuropa, weil wir dorthin erst Kontakte aufbauen und schauen was an Library vorhanden ist, denn auch dort gibt es noch tolle Filme, die man noch zeigen kann.
Wie ist denn die Synchronisation der nicht-englischsprachigen Serien, denn natürlich ist französisch schwieriger zu synchronisieren als eben englisch?
Also ich muss sagen, dass man im Serienbereich in den genannten Ländern eigentlich nie Probleme hat, was die Lokalisierung angeht. Es ist alles sehr einfach herstellbar. Es ist ein bisschen aufwendiger, wenn man in Gebiete geht, wo sehr wenige die Sprache sprechen. Doch auch das ist machbar, da es auch hier unter Umständen schon englische Skripts gibt, die man zu Hilfe nehmen kann. Unsere Vorgehensweise ist hier ganz unterschiedlich: Teilweise verwenden wir bestehende Sprachversionen, teilweise beauftragen wir selbst die Übersetzung. Hier gibt es sehr viele unterschiedliche Modelle. In der Regel wird bei den gängigen Märkten, wie Skandinavien unheimlich viel schon auf Englisch gedreht und wenn nicht gibt es zumindest ein englisches Skript dazu, England ist nie ein Problem, aber auch Frankreich, Italien und auch Spanien sind vollkommen unkritisch.
Lassen Sie uns mal über den großen Teich schauen, weil in knapp einem Monat die neue US-Season startet. Ist das generelle klassische Network-Fernsehen überhaupt noch interessant oder gibt es einfach zu viele gute Produktionen, die den heimischen Markt aufmischen können?
Im Moment wird gerne kritisch über US-Serien und deren Wertigkeit für den deutschen Markt berichtet, aber ich tue mir immer schwer damit vorschnell solche Urteile zu fällen. Weil man immer bedenken muss, das sich manche Genres die vielleicht eine Zeitlang gut bewährt waren, vielleicht irgendwann nicht mehr so gut funktionieren und bis dann etwas Neues kommt gibt es manchmal solche Jahre, in denen Serien auch mal nicht so gut angenommen werden.
Lange Zeit waren Krimi-Serien sehr beliebt, die auch heute noch solide laufen. Dann waren Sitcoms im Trend. Aber irgendwann ändert sich das wieder und dann ist ein neues Genre angesagt oder wir springen zurück in der Zeit und es kommen Produktionen wie «Akte X» oder «Emergency Room», die dann vielleicht neue Serien im Mystery- und Dramabereich nach sich ziehen, sodass diese Genres dann erneut funktionieren. Insofern würde ich den Stab auf keinen Fall brechen, denn was in Amerika produziert wird ist qualitativ extrem hochwertig und weltweit erfolgreich. Wenn da dann mal ein, zwei Seasons dabei sind, die hierzulade nicht die vollkommenen Durchstarter bieten, heißt das nicht, dass das US-TV am Ende ist.
Wobei wir hier auch über die Studio-Produktion reden. Amerika ist eine tolle Produktionsmaschine, die sicher bald auch wieder Hits für das Free-TV ausspucken wird. Im Moment zwar stärker und sichtbarer im VoD-Bereich, aber wenn sie sich mal anschauen wie viele im Endeffekt kumuliert «Game of Thrones» gesehen haben, ist man trotz des Erfolges oft weiterhin unter den Reichweiten einiger konventioneller Serien wie «Law & Order» oder «Greys Anatomy».
In den heutigen Zeiten ist es aber wichtig, dass die großen Sendergruppen mit ihrem eigenen Programm die Fahne hochhalten und ein Signal setzten, das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass man sein Programm nicht mit erfolgreichen Serien aus den USA flankieren kann. Und manchmal gibt es eben Phasen, in denen es dauert bis etwas Neues zündet.
Lieber Herr Hörner, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
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