Brennpunkt Fragmentierung
Zuletzt nämlich haben die großen und finanzstarken Kanäle immer mehr abgeben müssen: Zuschauer und Quote. Herausforderer der traditionellen TV-Traditionen sind dabei nicht nur neue Player und Verbreitungswege, also Netflix und Co., sondern auch Nischensender der Kategorie TLC, Nitro, DMAX, neo und andere. Lag der Marktanteil der großen acht Sender in der zurückliegenden Saison in beiden wichtigen Gruppen meist noch bei etwa 60 Prozent, zeigte sich vor allem im August, als überwiegend Re-Runs liefen, dass der Wert auf 55 Prozent (teils sogar noch weiter) sank. Hält dieser Trend auch in der regulären Saison an, wird es logischerweise immer schwerer für die großen Sender ihre Leuchtturm-Produkte auch zu refinanzieren Das kann im Serienbereich nur durch den Einsatz von vielen Re-Runs funktionieren. Aber nicht alle Genres lassen sich (unendlich) wiederholen. Kurzum: Es muss in der neuen Saison die Aufgabe der großen Acht sein, den Status mindestens zu halten und die Fragmentierung des Programms möglichst zu stoppen.
Brennpunkt eigene Serie
Passieren soll dies unter anderem mit einem stärkeren Fokus auf eigene Produktionen. RTL hat unlängst die größte Serienoffensive seit vielen Jahren ausgelobt. Nach dem großen Sitcom-Pitch im Jahr 2016 (aus dem vier neue Formate, «Böse Schwestern hierbei noch ausstehend) hervorgingen, sind es nun gleich fünf Drama-Serien, die RTL angestoßen hat. Mit «Bad Cop» startet davon die erste Serie schon im September. Auf Sicht wird RTL einen zweiten Tag für die deutsche Serie aufmachen – nach unseren Informationen am Dienstag und somit US-Serien streichen. Alle neue Serien von RTL haben etwas gemeinsam: Eine gewisse Grundfröhlichkeit. Zu düstere Themen sind in politisch angespannten Zeiten nach Meinung der Macher nicht gefragt.
Die Quotenmeter-Saisonstart-Woche
Am 1. September startet die neue TV-Saison. Die TV-Sender geben dann wieder Gas. In mehreren Themen blicken wir in dieser Woche auf das Kommende: Neue Baustellen, besondere Brennpunkte und diverse Highlights.Brennpunkt Krimi-Wahn
Sat.1 wird in der neuen Saison beantworten, ob deutsche Krimikost als 90-Minüter auch im Privatfernsehen funktioniert. Das ZDF macht es ja vor: Nele Neuhaus und und Kollegen sorgen mit ihren Figuren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht selten für sieben Millionen Zuschauer oder mehr. Da blickt Sat.1 teils schon neidisch zu den Kollegen. Nun hat auch Sat.1 den derzeitigen Hype um Mörder und Ermittler für sich entdeckt und sich die Rechte an zahlreichen Bestsellern gesichert. Für Anfang 2018 ist eine große Welle an neuen Romanverfilmungen und Reihen zu erwarten. Neben ausgewählten Büchern der Krimi-Meister Harlan Coben, Andreas Franz und Michael Tsokos hat sich Sat.1 außerdem die Rechte zahlreicher Bücher der Top-Bestseller-Autorin Jojo Moyes gesichert.
Sat.1 springt damit aber auf einen Zug auf, der auf hohem Niveau langsamer wird. Zwar holte der Münsteraner «Tatort» kürzlich mit über 14,5 Millionen Zuschauern die beste Reichweite für die ARD-Reihe seit rund 25 Jahren. Durchschnittlich aber nahm das Interesse an der Reihe ein Stück weit ab. 8,82 Millionen Leute sahen den Sonntagskrimi im Ersten in der Saison 16/17, 9,24 Millionen waren es im Vorjahreszeitraum. Die Quote sank von 25,6 auf 25 Prozent bei allen. Ist das deutsche Fernsehen also bereit für noch mehr Krimi?
Blickt man auf das freilich kleinere ZDFneo, dann heißt die Antwort wohl eindeutig ja: Der digitale Sender überholt Sat.1 mittwochs gerne mal mit Uralt-Folgen diverser Krimireihen, angefangen von «Wilsberg» bis hin zu «Ein starkes Team». Mehr als eineinhalb Millionen Leute sind regelmäßig dabei.
Brennpunkt «Dark»
Mit Spannung wird zudem die erste deutsche Netflix-Serie erwartet. Der US-Riese hat sich hierfür relativ viel Zeit gelassen. Anfang 2016 fast zeitgleich mit «You are Wanted» angekündigt, wird die Mystery-Produktion aus dem Hause Wiedemann & Berg («Weinberg») über ein halbes Jahr nach dem Start der Schweighöfer-Serie von Amazon ihre Premiere feiern. Netflix spricht von einem Start ganz spät im Jahr 2017, vermutlich im späten Herbst, wenn es morgens draußen neblig ist und die Stimmung für ein schauriges Format gegeben ist. Welche Impulse gehen von «Dark» aus? Dass Kritiker hierzulande die ungewöhnliche Story feiern werden, gilt als ziemlich sicher. Aber schafft es Netflix mit der deutschen Serie auch mal international richtig zu punkten? So wie etwa «House of Cards» seiner Zeit bahnbrechend war? So wie «Stranger Things» eine ganze Welle auslöste und einem Genre frischen Wind einhauchte? Oder wird die neue Serie eher Platz nehmen neben «Marseille», das damals die erste europäische Netflix-Produktion war, die Kritiker aber nicht gerade vom Hocker riss.
Oder wird es vielleicht sogar Amazon sein, das mit seinen kommenden Eigenproduktionen als Gewinner da steht? Der Internet-Gigant setzt auf lokal schon bekannte Stoffe: «Deutschland 86», die Fortsetzung der bei RTL zu schwach gelaufenen, aber inhaltlich gehypten Serie «Deutschland 83» aus dem Hause UFA und auf die lange erwartete neue Staffel von «Pastewka». «You are Wanted» wird übrigens auch weitergehen.
Brennpunkt Daytime: Wer und was kann’s günstig und gut?
Der Blick auf die Quote offenbart es schon seit Monaten: Der große Blaulicht-Hype ebbt ab. «Auf Streife» und Co. befinden sich auf dem Rückmarsch und glaubt man einigen Programmmachern, dann gleich alle krawalligen Nachmittags-Scripted-Realitys mit. Stattdessen sind Kreativen bei den Sendern auf der Suche nach dem nächsten Nachmittags-Hit. Anders soll es sein, vergleichsweise günstig muss es sein. Experimentiert wird dabei in vollkommen unterschiedliche Richtungen – und das macht es so spannend. Nicht wenige orientieren sich bei ihren Gedankenspielen an VOX, das sich in der Vergangenheit einen populären und nicht zu teuren Nachmittag zusammengeschustert hat.
Während RTL II mit Ex-«Popstars»-Mann Detlef D! Soost die neue Ära der Daily Talkshow einläuten will (ab September), arbeitet man bei RTL eher an Realitys nach dem «Shopping Queen»-Vorbild. Sat.1 hat Gefallen gefunden an seinen seriellen und mit Laien nachgespielten Krankenhausgeschichten im Stile von «Klinik am Südring» und will in diesem Feld verschiedene Experimente machen. Eines ist sicher und im Sinne der programmlichen Vielfalt absolut zu begrüßen: Die Zeiten von drei Stunden «Verdachtsfälle», «Auf Streife», «Straßencops» und Co. am Stück – sie werden in der neuen TV-Saison irgendwann der Vergangenheit angehören
Brennpunkt: Die sichere Bank in der Unterhaltung
Bei den Privaten sorgen derweil immer noch Formate für die fettesten Werte, die ihre Halbwertszeit längst überschritten haben sollten. RTL wird große Teile seines Samstags in der neuen Saison wieder mit Hits wie «Das Supertalent» oder «Deutschland sucht den Superstar» bespielen. Sat.1 und ProSieben können schon jetzt die Rückkehr von «The Voice of Germany» kaum erwarten – und mit «Germanys Next Topmodel» sind die Donnerstage in der kälteren Jahreszeit schon jetzt sicher verplant. Doch wie lange geht das noch gut?
Im Falle der Klum’schen Modelsuche standen erst zuletzt die besten Werte seit Jahren zu Buche. Hier also muss nicht zu viel befürchtet werden. Auch «Das Supertalent» ist weit davon entfernt, ein Sorgenkind zu sein. Stattdessen ist es weiterhin das heißeste Eisen im RTL-Showbereich: Über 28 Prozent holte das Format mit der zweiten Ausgabe der Vorjahres-Staffel. Ein bisschen anders verhält es sich da schon bei «Deutschland sucht den Superstar», jenem Format, bei dem zuletzt sogar Rufe nach einer Pause laut wurden. Letztlich war die Show von UFA Show & Factual mit teils an die 20 Prozent und zum Finale sogar 21 Prozent bei den Umworbenen aber doch noch zu stark. Doch allzu viel Luft nach unten hat die Sendung vor allem in der Phase nach den Castings nicht mehr. Entsprechend wird hier eher interessant sein, wie RTL die Sendung inhaltlich neu anstreicht – und wie viele Veränderungen vom internationalen Lizenzgeber überhaupt zulässig sind. Hier gibt es recht strenge Regeln.
Brennpunkt: Kampf um den Platz hinter RTL
Mit Blick auf die Quoten bahnt sich dieser Tage ein sehr spannendes Duell an: Bedingt durch die Schwäche von Sat.1 und neuerdings auch ProSieben (beide Sender holten zuletzt weniger als neun Prozent) könnte VOX der ganz große Move gelingen. An einzelnen Tagen gelingt es den Kölnern schon immer mal wieder, an den beiden großen vorbeizuziehen. In den Monatsbilanzen bleibt für den von Bernd Reichart geführten Kanal mit der roten Kugel als Logo-Element aber weiterhin nur Platz vier. Dass sich das mal ändert, ist nicht ganz ausgeschlossen: Die jüngsten Staffeln der wiederkehrenden Unterhaltungsformate «Sing meinen Song» und «Die Höhle der Löwen» haben zuletzt schon für immer neue Quotenrekorde gesorgt. Im November steht außerdem das finale der packenden Serie «Club der roten Bänder» an. Zünden noch zwei, drei Neustarts, dann könnte es VOX erstmals gelingen, Sat.1 oder ProSieben die Rücklichter zu zeigen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das aber schon in den nächsten Monaten gelingt, ist nicht allzu hoch. Mittelfristig wird das aber sicher ein Thema werden.
Es gibt 11 Kommentare zum Artikel
31.08.2017 13:07 Uhr 1
31.08.2017 14:20 Uhr 2
Und Detlef D. Soest... OK, lachen wir später!
31.08.2017 14:24 Uhr 3
31.08.2017 16:30 Uhr 4
Dann lass die Kiste doch aus. Immer und immer das gleiche blöde Getue. Beschwer dich doch bei der AfD, das ist doch dein Laden.
31.08.2017 16:53 Uhr 5
31.08.2017 18:07 Uhr 6
31.08.2017 23:20 Uhr 7
Ist nur die Frage der Fragen: wie lange sich der Zuschauer noch "Das Supertalent" und DSDS antun wird.
01.09.2017 01:35 Uhr 8
01.09.2017 09:02 Uhr 9
Ich vermute, dass diese beiden Formate sowie GNTM zu den wenigen Sendungen gehören, die die neuen jungen Zuschauer jedes Jahr aufs neue abholen können.
Ein paar Staffeln werden das bestimmt noch sein.
Bohlen wird aber ähnlich ticken wie Raab und das Format fallen lassen, bevor er damit Schiffbruch erleidet.
Bei Heidi bin ich mir nicht sicher, die wird vermutlich so lange antreten wie man sie lässt.
31.08.2018 13:34 Uhr 10