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Im Zeichen der Wiedervereinigungen
Der Text erschien nach Ablauf der fünften Staffel, in der die Autoren erstmals gezwungen waren, inhaltlich die Zügel zu übernehmen. Staffel sechs lieferte schließlich den bis dahin niedrigsten Kritikerspiegel einer «Game of Thrones»-Season. Die qualitative Kehrtwende gelang Benioff und Weiss nun mit der siebenteiligen siebten Staffel. Dies hatte vor allem damit zu tun, dass die Showrunner bei noch insgesamt 13 Episoden zeitlich endlich den Fuß vom Bremspedal nahmen. Die White Walker, die über sechseinhalb Staffeln durch die Eiswüste tingelten, kamen damit endlich an der Mauer an, unterdessen vergingen Reisen der Charaktere an entlegene Punkte der Westeros-Karte wie im Flug und nicht wie zu Fuß und brachten daher unheimlich belohnende Momente für Zuschauer, die ihre Zeit in die sechs Staffeln davor investierten. Allerdings auch Beschwerden über die logistische Unmöglichkeit des schnellen Karten-Hoppings mancher Charaktere und Raben.
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Von gelungenem Fanservice & der Faszination Fantasy
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Den Höhepunkt stellte, so gehört es sich für gute Serien, das Staffelfinale dar. Zu diesem Zeitpunkt lag das schockierendste Ereignis der Staffel, so gehört es sich für «Game of Thrones», schon eine Folge zurück. Was zuvor der traditionelle Episode neun-Schocker war, wurde nun, in der verkürzten siebten Staffel, von Ausgabe sechs abgelöst und bezog sich auf Daenerys‘ Drachen. Gerade Fantasy-Liebhaber lechzten in den vergangenen Staffeln um mehr Screen-Time der feuerspeienden Ungetüme, nun investierten die Macher besonders viel Zeit in die (fast) unbesiegbaren Bestien – und wohl auch Geld, denn wenn man Gerüchten glauben darf, verzichteten die Produzenten sogar des Mammons wegen auf den Einsatz von Jons aufwendig animierten Schattenwolf zugunsten der Drachen, die, anders als in den Staffeln zuvor, nun nicht mehr ganz so sparsam animiert wirkten.
Was mit besagtem Drachen in Episode sechs geschah, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Das Ereignis legt jedoch den Grundstein für epochale Schlachten in der Finalstaffel und steht eindrucksvoll für die Faszination am Fantasy-Genre. Viele Zuschauer, die abseits von «Game of Thrones» sonst eher realistische Stoffe konsumieren und für die die Vorliebe für Elfen, Orks oder Zauberer kaum nachvollziehbar ist, ertappten sich beim hemmungslosen Mitfiebern um das Schicksal einer erdachten Kreatur, zu der die Zuschauer trotz fehlender menschlicher Eigenschaften eine Zuneigung entwickelt haben, sodass die Liebe am Genre, ob in Literatur, Film oder eben Serie, greifbarer wurde. Mit dem stärkeren Einbauen fantastischer Elemente, seien es Drachen oder Untote, umwehte «Game of Thrones» in Staffel sieben mehr denn je ein Hauch von Tolkien.
Erzählerische Abstriche aufgrund des Zeitdrucks
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Doch nun zum eigentlichen Staffelabschluss. Dieser lieferte das in langen Szenen ausgekostete Dahinscheiden eines der beliebtesten Serienschurken, ein großes Klassentreffen vieler der beliebtesten Charaktere in Königsmund und die Bestätigung einer lange gehegten Fan-Theorie, die gleichzeitig die zweifellos seltsamste Familien-Reunion der Staffel und wohl die unbehaglichste aller Zeiten darstellt, aber Fans im tiefsten Inneren irgendwie trotzdem zufriedenstellt. Der Inzest der Lannister-Geschwister startete den Krieg der Westeros-Familien und zog den mit Leidenschaft gelebten Hass der Fans nach sich, nun vermag Inzest im Falle anderer Charaktere das Gegenteil zu bewirken. Auch das schafft wohl nur «Game of Thrones». Viel Neues oder etwa Unerwartetes bot der Staffelabschluss als Brücke zu den kommenden sechs finalen Ausgaben nicht, die Serienmacher setzten mehr oder weniger Häkchen hinter Gegebenheiten, die so oder so ähnlich geschehen mussten oder von den Fans antizipiert wurden.
Der große Krieg: Umdenken in Staffel acht
Mit diesem Ziel, auf das das HBO-Epos unaufhaltsam zusteuert, änderte sich bereits in Staffel sieben der Fokus von Einzel-, Gruppen- und Familienschicksalen zum großen Ganzen, das durchaus als geopolitische Parabel interpretiert werden darf. Die Elemente Eis und Feuer, Kälte und Wärme, nehmen schon im Titel großen Raum ein und werden spätestens in Staffel acht mit voller Wucht in Form von Drachen und Eiszombies aufeinandertreffen. Auch der Mensch im 21. Jahrhundert muss sich im Angesicht einer eigens verschuldeten, bevorstehenden Klimakatastrophe mehr mit diesen Elementen befassen. Wie in «Game of Thrones» muss dabei Kooperation aller Parteien vor Konflikt kommen. Eine Maxime, die sich einige Charakter mehr zu Herzen nehmen als andere. Was ihnen das einbringt, wird die Finalstaffel zeigen.
Auch nach Staffel sieben werden die Meinungen auseinandergehen, ob David Benioff und D. B. Weiss aus George R. R. Martins Buchsaga eine würdige Serien-Adaption erzeugten oder ob die Geschichten mit der zunehmenden Eigenverantwortlichkeit der Showrunner konventioneller und trivialer wurden. Unbestritten ist jedenfalls, dass Benioff und Weiss aus dem Samen eines ausufernden Literatur-Epos eine nach wie vor komplexe und einnehmende Geschichte sprießen ließen, die zum größten Objekt popkultureller Obsessionen gedieh. Es ist daher gerechtfertigt anzunehmen, dass Staffel acht in zufriedenstellender Manier und in einer dem Show-Vermächtnis würdigen Art und Weise enden wird.
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