Die Messe für Consumer Electronics und Hausgeräte, die gewöhnlich in der ersten September-Woche in Berlin ausgetragen wird, war bisher nicht nur ein Ort auf dem neueste Fernseh-, Video- und andere Entertainment-Geräte vorgestellt wurden, sondern stellte in der Vergangenheit auch immer wieder den Startpunkt für die Einführung neuer Rundfunktechniken dar. Am bekanntesten dürfte in diesem Zusammenhang die IFA des Jahres 1967 gewesen sein, auf der Willy Brandt den offiziellen Beginn des Farbfernsehens in Deutschland markierte. Sechs Jahre zuvor führte das Deutsche Fernsehen im Rahmen der IFA’ 61 erstmals ein Vormittagsprogramm ein und präsentierte zugleich die erste Live-Übertragung eines Konzerts. Am 05. September 1981 wurde mit einer Sonderausgabe des legendären Show-Klassikers «Musik ist Trumpf» mit Harald Juhnke zudem die erste Fernsehsendung mit Stereo-Ton von der Messe ausgestrahlt. Und auch die Testphase für den ersten Videotext von ARD und ZDF (1977) wurde anlässlich der Ausstellung begonnen, genauso wie der Betrieb der Digitalkanäle der ARD, also der Sender Einsfestival (heute One), EinsMuXx (später Eins plus) und EinsExtra (heute tagesschau24) im Jahr 1997.
Große Premieren und kleine Abschiede
Doch abseits dieser technischen Neuerungen war die Funkausstellung auch jahrzehntelang ein Ort, an dem innovative Fernsehformate und kurzweilige Unterhaltungsklassiker geboren wurden. So fand im Jahr 1953 die erste Ausstrahlung des unvergessenen «Internationalen Frühschoppens» von der Technik-Schau statt. Ursprünglich handelte es sich bei der Sendung nämlich um ein reines Radioprogramm. Aber auch die ersten Ausgaben der TV-Lieblinge «Zum Blauen Bock» (1957), «Ich wollt ich wäre...» (1981) und «Gefragt – gewusst – gewonnen» (1983) entstanden im Rahmen der Messe. Durch das zuletzt genannte Quiz führte der Berliner Showmaster Hans Rosenthal, der damals vor allem für sein Ratespiel «Dalli Dalli» bekannt war. Auf der IFA’ 79 produzierte er außerdem schon die ersten Ausgaben seines „Heiteren Quizspiels für Leute wie du und ich“, das den Titel «Rate mal mit Rosenthal» trug, und anschließend auch im regelmäßigen Programm des ZDF bis 1986 erfolgreich lief.
Zur IFA des Jahres 1975 traute sich das ZDF auch erstmals eine eigene Talkreihe herzustellen. Zuvor hatte der WDR mit «Je später der Abend» den Grundstein für das neue Genre gelegt. Die ersten Versuche unter dem Titel «Zu Gast im ZDF» mit Guido Baumann («Was bin ich?», «Sag die Wahrheit») fanden jedoch wenig Zuspruch und wurden schnell wieder beerdigt. Während also viele Formate ihre Geburt auf der Funkausstellung erlebten, ging es der Spielshow «Super-Flip» umgekehrt. Ihre Folgen von der IFA des Jahres 1989 sollten ihre letzten werden.
Spezialausgaben von etablierten Formaten für die Dauer der Ausstellung vom Messegelände senden zu lassen, war über die Jahre hinweg zu einer gängigen Tradition geworden. So gab es im Jahr 1963 unter anderem eine IFA-Version der «Aktuellen Schaubude» (1963), in der Prominente aus Politik, Kultur und Wirtschaft interviewt wurden. Als der «Talentschuppen» vom SWF im Jahr 1971 auf der Messe gastierte, sorgte dieser für ein regelrechtes Chaos, denn es bewarben sich über 60.000 Menschen für das entsprechende Casting. Abseits solcher großen Events wurden ebenso kleine Sendungen wie die Programmankündigungen «Die Teleillustrierte» (z. B. 1983) oder «Was sehen Sie heute?» (z. B. 1987) auf der IFA hergestellt. Im Jahr 1983 gab es dann sogar eine besondere Fassung des Pausenfüllers «Videotext für alle». Fest zur Ausstellung gehörte auch stets die Ausstrahlung eines ARD-Magazins zur Mittagszeit aus den Hallen der Veranstaltung. Anfangs hieß dieses noch «Die Eins von 12 bis 2», bevor es dann später ins heute noch existierende «Mittagsmagazin» umbenannt wurde.
Hape Kerkeling und seine Mörder-Duschhauben
Einen außergewöhnlichen Stellenwert in der Fernsehgeschichte haben allerdings diejenigen Shows, die ausschließlich für die IFA erdacht und auch nur zu deren Laufzeit ausgestrahlt wurden. Darunter waren mit Programmen wie die Talkrunde «Café Central» (1987) und den Musiksendungen «Die IFA-Folklore Show» mit Karl Moik (1983), «Liedercircus» mit Michael Heltau (1977) sowie «Treffpunkt Telebar» (1961) auch Produktionen, die schnell wieder vergessen waren.
Vor allem in den späten 80ern und zu Beginn der 90er-Jahre gab es jedoch auch legendäre Formate, die bis heute unübertroffen blieben. Zu jener Zeit boten ARD und ZDF nämlich täglich ein umfangreiches Live-Programm mit ihren Starmoderatoren dar und zelebrierten auf diese Weise die Technik, sich selbst und die Überlegenheit über das neue Privatfernsehen. Meist liefen die Shows stundenlang im Nachmittagsprogramm (ungefähr zwischen 14.30 Uhr und 17.30 Uhr) und wurden abwechselnd aus einer Halle oder von der Open-Air-Bühne im Sommergarten des Messezentrums live ausgestrahlt
Von 1985 bis 1991 wurde beispielsweise das Programm der ARD von der Show «Die Goldene Eins» bestimmt, deren Titel aber lediglich den groben Rahmen darstellte, denn im Laufe der Zeit wechselten die Moderatoren und auch die Inhalte erheblich. Im Jahr 1987 führten etwa Michael Schanze, Jürgen von der Lippe und Sigi Harreis gemeinsam durch die Sendung und boten einen Mix aus Spielen, Musik und Interviews. Zwei Jahre später setzte Hape Kerkeling dem IFA-Auftritt der ARD mit einer speziellen Version seiner zuvor beendeten Comedyshow «Total Normal» einen besonderen Stempel auf, denn in chaotischen Aktionen mit dem Publikum verschenkte er unentwegt Mitropa-Kaffeemaschinen, Mörder-Duschhauben und Surfbretter.
Gottschalk und Jauch übernehmen Berlin
Das ZDF versuchte diesen Shows ähnliche Unterhaltungsformate entgegenzusetzen und veranstaltete im Jahr 1985 den «Zehnkampf der Fernsehfans». Darin vereinte der Kanal die Moderatoren Hans Rosenthal und Dieter Thomas Heck, die Messebesucher in Spielen gegeneinander antreten ließen. Auf der nachfolgenden Ausstellung im Jahr 1987 oblag dann Thomas Gottschalk die Aufgabe, durch das tägliche IFA-Programm des ZDF zu führen. Neben der einmaligen Musikparade «Disco Disco» präsentierte er mit «Na siehste» täglich eine Sendung, die seiner erfolgreichen Reihe «Na Sowas!» sehr ähnelte und in der er erneut kuriose und interessante Menschen vorstellte. Als Außenreporter wurde damals sein alter Hörfunkkollege Günther Jauch eingesetzt, der nach dem Ende der Messe auch die reguläre Variante der Show fürs ZDF übernehmen sollte.
Das Zusammenspiel zwischen Jauch und Gottschalk gefiel den Zuschauern dabei derart gut, dass die beiden auf der IFA’ 89 eine Sendung erhielten, in der sie mehr Zeit und eine gleichwertige Rollenverteilung hatten. Die Gäste, Musikdarbietungen und Spiele bei «Die 2 im Zweiten» waren dabei stets zweitrangig, denn die Zuschauer schalteten die dreistündigen Ausgaben wegen der Albernheiten, Improvisationen und Kabbeleien von Jauch und Gottschalk ein. Weil die Einschaltquoten im Nachmittagsprogramm enorm waren, kehrten die beiden Moderatoren mit ihrer Show noch einmal auf der IFA’ 91 zurück. In diesen unterhaltsamen Nachmittagen liegt übrigens auch der Ursprung für ihr derzeitiges gemeinsames RTL-Quiz «Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen ALLE», was allein im Titel deutlich wird, der noch immer eine Anspielung auf die legendären IFA-Sommer enthält.
Wie schon zwei Jahre zuvor, sendeten die beiden aber nur jeden zweiten Tag. Die Zeiten dazwischen wurden daher mit anderen Sendungen bestückt. Damit diese aber auch von der Zugkraft von Jauch und Gottschalk profitieren konnten, fasste das ZDF alle seine Formate im Jahr 1991 unter dem Label «Supertreff im ZDF» zusammen. Unter diesem Titel wurde auch die IFA-Version der Talentsuche «Hut ab» mit Ingolf Lück und eine Show über Drillinge mit dem Titel «Drei aus einem Ei» mit Wolfgang Lippert ausgestrahlt, die jedoch deutlich erfolgloser liefen. Eine Wiederholung des legendären IFA-Spektakels von Gottschalk und Jauch war dann später aufgrund ihrer Verpflichtungen für andere Sender nicht mehr möglich, worunter auch die weiteren Aktivitäten des ZDF auf der Messe litten. Die letzte nennenswerte Aktion des Kanals war die Produktion «14.15» zur IFA’ 95, die von der ehemaligen «Disney Club»-Moderatorin Antje Pieper und Oliver Geissen moderiert wurde, aber keinen dauerhaften Eindruck mehr hinterlassen konnte. Mittlerweile hat sich das ZDF vollständig von der Funkausstellung zurückgezogen und stellt dort keine Sendungen mehr her.
Bühne frei für Harald Schmidt
Der öffentlich-rechtliche Kanal folgte damit dem Weg der Privatsender, die sich stets weniger prominent auf der Messe präsentiert haben. Seit Ende der 1990er Jahre waren die meisten kommerziellen Anbieter überhaupt nicht mehr vertreten. Weder mit eigenen Shows noch mit einem Stand. Zu hoch waren ihnen die Kosten und zu gering der Nutzen eines Engagements. Die sieben Folgen, die von der IFA im Jahr 1997 von der «Harald Schmidt Show» gesendet wurden, stellten daher eine seltene Ausnahme dar. Für Schmidt war es derweil nicht der erste Ausflug nach Berlin. Bereits im Jahr 1991 wurden sechs Ausgaben seines damaligen Ratespiels «Psst...» von der ARD auf der Messe produziert.
Seit einigen Jahren ist es ruhiger um die IFA geworden. Sie zieht zwar noch immer Hunderttausende Besucher an und wird mittlerweile nicht mehr nur zweijährlich, sondern jährlich veranstaltet, doch sind kaum noch TV-Sender auf ihr vertreten. Unter den großen Fernsehanbietern bleibt einzig die ARD der IFA auch im Jahr 2017 treu und präsentiert dort als kümmerliches Überbleibsel dieser großen Traditionen einzig einige Ausgabe des «Mittagsmagazins».
Möge die Internationale Funkausstellung ihre frühere Bedeutung für das Unterhaltungsfernsehen irgendwann wiederfinden.
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint voraussichtlich am Donnerstag, den 14. September und widmet sich dann noch mehr legendären Show-Erinnerungen von Thomas Gottschalk.
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