Interview

Nach dem Duell ist vor dem Duell: Zehn Fragen an Claus Strunz

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Am Mittwoch hatte er die Spitzenkandidaten der kleinen Parteien im Sat.1-Studio, am Sonntag ist er einer von vieren, die Merkel und Schulz auf den Zahn fühlen. Mit uns spricht Claus Strunz über Oberflächlichkeit, den TV-Duell-Konzept-Streit und mehr.

Die falsche Krankenschwester

Krankenschwester Dana, die sich als Bürgerin ausgab, die ihre Stimme in der Sendung der Linken gab, entpuppte sich schnell selbst als Mitglied der Linken. Claus Strunz bedauerte den Faux-pas am Nachmittag auf Facebook: "Die Krankenschwester Dana Lützkendorf, die als Talkgast über die Probleme in ihrem Berufsalltag berichtet hat, ist Mitglied der Partei „Die Linke“. Das konnten wir nicht kenntlich machen, weil uns die Information aufgrund einer lückenhaften Recherche nicht bekannt war. Oft genug habe ich von Politikern und Konzernchefs in meinen Kommentaren verlangt, für Fehler geradezustehen, die in ihrem Bereich passiert sind. Das gilt selbstverständlich auch für mich. Deshalb entschuldige ich mich bei unseren Zuschauern und meinen Gästen Christian Lindner, Katrin Göring-Eckardt und Alice Weidel für die bedauerliche Recherche-Panne. Diese drei Minuten in unserer zweistündigen Sendung zeigen mir erneut, dass selbst ein erfahrenes Team in eine solche Situation kommen kann. Dennoch: So etwas darf nicht passieren."
Mittwochabend, 22.35 Uhr in Sat.1. Dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl räumt das Vollprogramm politischen Themen richtig Sendezeit frei. In zwei Stunden darf Claus Strunz, ehemals Chefredakteur der Bild am Sonntag, aktuell verantwortlich für das erfolgreiche «Frühstücksfernsehen» des Senders und Moderator der nach frischem Wind suchenden «akte», den Spitzenkandidaten der kleinen Parteien auf den Zahn fühlen. Allem Aufwand zum Trotz, den der Sender betrieben hat – der Umfang politischer Sendungen ist weniger geworden als noch vor vier Jahren, als eben jener Strunz noch eine ganze Staffel einer Sendung «Eins gegen Eins» moderierte. Kurz vor dem TV-Duell Merkel vs. Schulz, bei dem Strunz ebenfalls einer von vier Fragestellern ist, steht Strunz in einem kleinen, aber funktionalen Studio, mit vier Säulen, an denen die vier Vertreter von FDP, AFD, Grüne und Linke stehen.

Die zehn wichtigsten Fragen der Deutschen und weitere dazugehörige Aspekte werden abgearbeitet – gerne übrigens auch mal bunt, wie FDPs Christian Lindner erfuhr. Strunz ging mit Beharrlichkeit auf Lindners Omnipräsenz auf den FDP-Plakaten ein, mehrfach wurde der Liberale (von Strunz oder aus dem Off) gar als „Posterboy“ bezeichnet. Das ging soweit, dass sogar AFDs Alice Weidel darum bat, dem eigentlichen Inhalt mal Platz einzuräumen.

Am Tag nach dem Duell haben wir mit Moderator Claus Strunz Bilanz gezogen – und ihm die zehn wichtigsten Fragen zu seinen beiden Fernsehduellen gestellt.


Hat sich Herr Lindner in Ihrer Runde wohlgefühlt oder war er eher der Annahme in einem Boulevard-Magazin gelandet zu sein?


Claus Strunz: Ich kann nicht in das Gehirn von Herrn Lindner schauen. Wenn aber ein Politiker einen Wahlkampf sehr stark personifiziert und Plakate mit Modelfotos aufhängen lässt, dann muss er damit rechnen, dass auch sehr persönliche Fragen gestellt werden. Außerdem hatte er ausführlich die Möglichkeit auch über Inhalte zu reden. Und gut angekommen ist er ja: Jedenfalls sah es ganz so aus, als habe sich Alice Weidel ein wenig in ihn verguckt.

Eingestreut zwischen die zehn großen Themengebiete gab es auch Vorstellungen der vier Kandidaten. Dazu hat sich ein Kamerateam „beim kleinen Mann auf der Straße“ umgehört – aber wenig Neues erfahren. Nein, Nachbar von Alice Weidel möchte man nicht sein. Ja, Christian Lindner sieht auf den Plakaten recht gut aus. Abgerundet wurden diese Einspieler durch repräsentative Umfragen zu den Kandidaten. Gefragt wurde, ob das Volk zum Beispiel glaubt, dass Christian Lindner eitel sei oder Alice Weidel Humor hat.

Wie Oberflächlich sind die Wähler, wenn nicht berufliche Qualität im Fokus liegt, sondern Charaktereigenschaften?


Claus Strunz:Gar nicht oberflächlich – aber eben ganz normale Menschen wie Sie und ich. Wähler entscheiden natürlich wegen des Inhalts, sie wählen aber auch eine Person. Wer das bestreitet, der heuchelt. Aus diesem Grund muss letztlich jeder Politiker in gewisser Hinsicht auch ein Populist sein. Im Wahlkampf werben Politiker für ihr Programm, aber ganz klar auch für sich als Person. Erstaunlich ist, dass sich die Kritik an der Sendung jetzt auf diesen persönlichen Zugang zu den Kandidaten fokussiert. Wir haben diesen Fragen insgesamt 20 Minuten eingeräumt. 70 Minuten lang ging es im klassischen Talk um die wichtigen Themen. Ich glaube, wir haben die Gewichtung gut getroffen.

Claus Strunz sah seine Moderation zwischendrin immer auch als auflockerndes Element – er war zwar strenger Nachfrager, aber auch Stichwortgeber oder Kumpel. Direkt zu Beginn der Sendung tätschelte ihn Christian Lindner sogar am linken Arm. Strunz hat die Rolle des moderativen Nachfragers also durchaus etwas anders interpretiert als klassische Vorbilder dies tun.

Wie flapsig darf und muss ein Polit-Moderator im Privatfernsehen sein?


Claus Strunz:Flapsig nicht , aber er darf auch kein Neutrum sein. Ich habe meine Rolle nicht als Schiedsrichter angelegt – eher als „Scharfrichter“, wie BILD es nannte. Insofern hatten wir eigentlich nicht vier Teilnehmer an der Diskussion, sondern fünf.

Optisch unterschied sich das kleine, aber durchaus feine Studio, übrigens deutlich von dem, was die ProSiebenSat.1-Gruppe sonst bevorzugt. Kurz gesagt: Es bestach durch harte Kanten, statt weicher Linien. Die vier Säulen waren schlicht gehalten, zugleich aber eine gute Arbeitsfläche für die Politiker. Große Monitore im Hintergrund zu teils grell gesetztes Licht brachten Farbe ins Spiel.

Was war die Idee hinter dem Studiokonzept, das sich deutlich von anderen Polit-Talks unterschied?


Claus Strunz:Sie sagen es: Harte Kante statt weicher Linie. Ein Moderator, der jedem Gast gegenüber hart aufschlägt, kann nicht in einem Kuschel-Sessel sitzen. Nach diesem Prinzip haben wir das Studio aufgebaut. Es war eine kleine Arena. Neu war auch, dass die vier Kandidaten im Quadrat zueinander standen. Für Regie und Technik eine echte Herausforderung!

Nach jeder der zehn gestellten Fragen durften eingeladene Bürger wählen, welche der vier Antworten so passend war, dass sie es Wert ist, eine Stimme zu bekommen. Dabei fiel auf, dass sich die Wahl gut verteilte – nur die AFD kam zumeist nicht sonderlich gut weg. Online, etwa in einem eigens eingerichteten Debat-O-Meter durfte ebenfalls abgestimmt werden.

Welche der vier kleinen Parteien hat denn nun gewonnen, Herr Strunz?


Claus Strunz:Laut „Debat-O-Meter“ sind Christian Lindner und Alice Weidel die Sieger.

Harte Fakten und wirklichen Newswert bieten inzwischen nur noch wenige Polit-Talks. Strunz versuchte in seiner zweistündigen Sendung zumindest Ansätze von neuen Gedanken deutlich zu unterstreichen. Etwa, als Katrin Göring-Eckart, die Spitzenkandidatin der Grünen, andeutete, dass sie die Pensions-Regelung ändern möchte und auch befürwortet, dass alle Abgeordneten wie jeder Arbeitnehmer in eine für alle Bürger sorgende Kasse einzahlen sollen.

Welche Erkenntnisse konnte der Wähler sonst noch mitnehmen?


Claus Strunz: Dass ein Politiker vor laufender Kamera sagt, wir Politiker haben zu hohe Renten, das fand ich wirklich bemerkenswert. Beredt fand ich auch die Passage, in der man etwas über das Innenverhältnis bei den Linken erfahren hat. Die Frage war, ob Katja Kipping mit Sahra Wagenknecht in eine WG ziehen würde. Als Antwort kam der längste Bandwurmsatz der Sendung oder aber das längste „Nein“ aller Zeiten. Man hat auch erfahren, dass Alice Weidel wohl doch so ihre Probleme mit Alexander Gauland hat. Sie hat zwar immer wieder Loyalität bewiesen, aber ihre Körpersprache hat auch anderes verraten.

Das Ergebnis für Sat.1: 5,9 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen – und somit ein unterdurchschnittlicher Wert. Aber: Das zuvor gesendete und thematisch nicht passende «House Rules» lief mit 5,8 Prozent sogar noch ein kleines Stück schwächer. So richtig scheint die Wahlkampfstimmung es noch nicht bis in die deutschen Wohnzimmer geschafft zu haben. Kanzlerin Merkels „Weiter so“ mag ein Stück dazu beitragen.

Langweilt der Wahlkampf also die Bürger?


Claus Strunz: Da muss man unterscheiden: Wer sich für Politik interessiert, erlebt schon einen interessanten Wahlkampf. Aber es ist auch richtig, dass der Wahlkampf die breite Masse noch nicht erreicht hat. Es ist kein dominierendes Thema da. Morgens in der Firma wird man nicht gefragt: Hey, bist du in diesem Punkt Team A oder Team B? Ich glaube, die Sorge bei Politikern als Populist im negativen Sinne zu gelten, ist mittlerweile so groß, dass sie komplett auf der Bremse stehen. Inzwischen ist quasi eine Holschuld des Wählers entstanden was politische Information angeht, obwohl es eigentlich eine Bringschuld der Politiker ist.

Am Sonntag wird es das TV-Duell zwischen Kanzlerin Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz geben. Für Sandra Maischbeger (ARD) und Claus Strunz (Sat.1) ist es das erste TV-Duell.

Wie bereiten Sie sich auf die Sendung vor?


Claus Strunz:Der entscheidende Teil der Arbeit beginnt morgen nach unserer gemeinsamen Pressekonferenz. Wir kennen zwar schon die Themenblöcke und welche Moderatoren sie bearbeiten. Aber ins Detail gehen wir gemeinsam erst am Wochenende.

Dabei gab es im Vorfeld der Sendung schon viel Kritik. Kanzlerin Merkel meinte, das weiterhin gültige Konzept „habe sich bewährt“. 2013 aber sahen das nicht alle so. Damals hatte sich vor allem der lockere Stefan Raab als Fragesteller bewährt. Die Sender wollten 2017 nun eigentlich ein anderes Konzept wählen. Angeblich auf Druck der Kanzlerin, das Duell ganz platzen zu lassen, bleibt nun alles beim Alten.

Wenn es um das TV-Duell geht: Sind Sie hier Team A oder Team B?


Claus Strunz: Wir haben 90 Minuten, 4 Fragesteller, 2 Kandidaten. Die Moderatoren stehen dabei nicht im Mittelpunkt. Sie müssen eine Dienstleistung erbringen, nämlich so zu fragen, dass die beiden Kandidaten miteinander kontrovers diskutieren. Das lässt sich in dem Konzept gut leisten. Alles andere ist nicht mein Thema. Ein Fußball-Profi sitzt vor einem wichtigen Spiel ja auch nicht in der Kabine und sagt, dass er lieber neun gegen neun spielen würde, weil er dann mehr Platz auf dem Spielfeld hätte.

Nach dem TV-Duell und bis zur Wahl vergehen dann noch drei Wochen. Wahltag ist der 24. September, erste Hochrechnungen der Wahlforscher sind für 18 Uhr angekündigt.

Wie verbringen Sie den Wahlabend?


Claus Strunz: Ganz genau weiß ich es noch nicht. Wohl in Berlin, sicher vor dem Fernseher. Im Laufe des Abends werde ich mich auf das «Frühstücksfernsehen» am Montag danach vorbereiten, wo wir den Ausgang der Wahl intensiv beleuchten und kommentieren werden.

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