In diesem Jahr jedoch kehren die «Löwen» nicht alleine auf die Fernsehbildschirme zurück, sondern nehmen gleich zwei weitere Neustarts mit an die Hand, die von der immensen Brüllkraft Profit am späten Abend schlagen sollen: Zunächst das zunächst auf vier Ausgaben taxierte «Meine Familien-Firma», anschließend ab Oktober dann das sechs Folgen umfassende «Vorstellungsgespräch» - zwei dokumentarische Stoffe, die rund um das Themenfeld Unternehmertum und Arbeit anzusiedeln sind. Ein durchaus intelligenter Schachzug, wenn man bedenkt, dass der Privatsender in den vergangenen Jahren seinen Spätabend vorwiegend mit alten «Goodbye Deutschland!»-Folgen bestückt hatte und damit das starke Lead-In häufig weitgehend ungenutzt ließ. Wie lässt sich der Dienstagabend denn nun so an, der ja immerhin über rund drei Monate nun tragen soll?
«Meine Familien-Firma»: Heimeligkeit zum Tagesausklang
Betont zurückgenommen kommt diese zunächst recht moderat dosierte Dokusoap daher, die mit ihrem Untertitel «Verwandt und fleißig» bereits andeutet, welcher Schlag Menschen porträtiert werden soll: Ambitionierte Klein- und Kleinstunternehmer, die im Familienkreis ihrer Passion nachgehen und ebenso um Selbstverwirklichung wie um ökonomische Etablierung ringen. In der ersten Folge sind das etwa Peggy und Patrick Walter (Foto), die mit fair gehandelter handgemachter Schokolade punkten möchten, die Familie Henze, die aus verschiedensten Steinen alle möglichen charmanten Figuren produzieren und die Brüder Christian und Thomas Wiestner, die aktuell noch in etablierten Brauereien arbeiten, um so genannte Craftbiere (also ungewöhnliche, kreative Spielformen des Bieres) zu entwickeln - eigentlich aber von davon träumen, in Bälde eine eigene Brauerei finanzieren zu können.
All diese Menschen mit ihrer Leidenschaft, ihren Träumen und Wünschen, aber auch ihren Problemen im unternehmerischen Alltag begleitet das von Tokee bros. produzierte Format, ohne sich in irgendeiner Form in den Fokus zu rücken. Zu sehen bekommt man stattdessen eine äußerst straight runterproduzierte Sendung, die in sich schlüssig und rund wirkt und von ärgerlichen inszenatorischen Dramatisierungselementen ebenso absieht wie von wünschenswerter narrativer Innovation. Sollte sich jemand also ein kreatives Element erhoffen, wie es im (indirekten) Nachgang an «Sing meinen Song» zuletzt etwa «One Night Song» mit Daniel Wirtz zu bieten hatte, wird enttäuscht werden. Wer sich dagegen authentische Einblicke in das tägliche Denken und Handeln kleiner Betriebe erhofft und im Nachgang an die spannenden «Löwen»-Pitches den Abend mit ruhigen, sympathischen kleinen Underdogs, die hart für die Umsetzung ihrer charmanten Ideen arbeiten, ausklingen lassen möchten, ist hier an der richtigen Adresse - zumal man sich bei allen drei in der Auftaktfolge vorgestellten Betrieben ohne weiteres vorstellen kann, dass sie vielleicht schon im nächsten Jahr um das große Investment feilschen.
Und damit mag man «Meine Familien-Firma» einen Erfolg schon einmal weitaus mehr gönnen als «Fürst Heinz», mit dem VOX im Vorjahr vier Wochen lang am Spätabend angetreten war und in dem noch das "Leben in Gold und Luxus" eines Multimillionärs im Fokus des Interesses gestanden hatte. Mit immerhin rund zehn Prozent Zielgruppen-Marktanteil hatte dieses Format gar nicht mal schlechte Werte generiert, war den Programmverantwortlichen aber dann ganz offensichtlich nicht stark genug unterwegs, um eine weitere Staffel zu rechtfertigen. Ob der erste von zwei Neustarts mehr zu leisten imstande ist, erscheint in Anbetracht seiner Harmlosigkeit erst einmal fraglich - zum Senderimage passt er aber mittlerweile fraglos ungleich besser.
«DHDL»: Ist da noch Wachstumspotenzial?
Infos zum «DHDL»-Store in Köln
- wartet mit einer Optik auf, die in vielen Facetten stark an die Show erinnert (u.a. mit fünf Sesseln, auf die sich die Kunden setzen dürfen)
- das Sortiment besteht aus diversen Produkten, die bereits in der Sendung angeboten wurden
- jeweils am Tag nach der Ausstrahlung einer neuen Folge sind die Pitches, die einen Investor gefunden haben, bereits im Sortiment erhältlich
- Store soll nicht ganzjährig geöffnet bleiben, sondern erst einmal nur bis zum Jahresende
Insofern stellen sich zu Beginn der vierten Runde in erster Linie zwei Fragen: Kann man das sensationelle Vorjahresniveau mindestens aufrecht erhalten oder ist der Gipfel des Erreichbaren bereits erklommen? Und gelingt es Dagmar Wöhrl, den Abgang des charismatischen Erlebnisunternehmers Jochen Schweizer zu kompensieren? Bezüglich ersterer Frage findet man nach Sichtung der Auftaktfolge zunächst einmal keine Argumente, die gegen einen großen Erfolg sprechen. Weder inhaltlich noch audiovisuell kommt die neueste Staffel sichtbar verändert daher, sodass einzig und alleine das Thema Frische über die kommenden drei Monate irgendwann ein Problem darstellen könnte. Andererseits gibt es mit zunehmender Laufzeit des Formats auch zunehmende Möglichkeiten, nicht nur neue Pitches zu präsentieren, sondern auch auf welche der Vorjahre zu rekurrieren. Eine Chance, die bereits von Beginn an mehrfach ergriffen wird, wenngleich manch einem Zuschauer wieder die Ehrlichkeit ein wenig abgehen wird, auch über die im Nachgang noch gescheiterten oder schlichtweg nicht so erfolgreichen Deals auf dem Laufenden gehalten zu werden. Hier setzt VOX auf die große Erfolgsgeschichte, lässt aber Möglichkeiten aus, mit noch mehr Authentizität zu punkten.
Was die neuen Pitches anbetrifft, setzt die Folge aber gleich mal eine deutliche Duftmarke und hat von der großen Zukunftsvision eines unsichtbaren Schutzstoffes für Handy-Displays über die erste Gründerin, die originär von «DHDL» inspiriert mit der Produktentwicklung begonnen und ihr erstes "Baby" nun vorstellen möchte bis hin zur ganz großen Emotion einer Mutter, die für ihr halbseitig gelähmtes Kind ein künstliches Gleichgewichtsorgan entwickelt hat, so Einiges zu bieten. Dass die neue Löwin Dagmar Wöhrl bei ihrem ersten Einsatz dagegen nicht gerade den Eindruck vermittelt, hinsichtlich ihrer Strahlkraft an den Kultfaktor eines Ralf Dümmels heranzureichen und über weite Strecken recht unscheinbar im Schatten ihrer Kollegin Judith Williams verbleibt, ist zwar etwas bedauerlich und weckt ernste Zweifel, dass sie gegenüber Schweizer einen Gewinn darstellen könnte. Sie stört aber das Gesamterlebnis nicht und scheint auch nicht in die Fußstapfen einer Lencke Steiner treten zu wollen, die ihren zweifelhaften Kultfaktor in erster Linie dadurch generierte, dass sie um kein Argument verlegen war, das gegen ein Investment in... nahezu jedes Projekt sprach.
Fazit: Der Selbstläufer und der Wackelkandidat
VOX-Quoten am Dienstag
«Sing meinen Song» (8 Folgen): 14,5%«Hot oder Schrott» (8): 9,3%
«Ewige Helden» (8): 8,5%
«Wunderbare Welt...» (2): 8,4%
«Story of My Life» (6): 4,0%
Durchschnittliche MAs (14-49 Jahre) aller im Jahr 2017 am Dienstagabend (20:15 Uhr) ausgestrahlten Shows.
«Meine Familien-Firma» hingegen kommt bei seinem Auftakt fast etwas zu nett und harmlos daher, als dass man sich eines Erfolges sicher sein könnte. Hier muss man darauf hoffen, dass nach knapp drei Stunden Hochspannung in der Höhle keine abendliche Übersättigung einsetzt und die Zuschauer im Zuge ihrer Vorbereitungen aufs Schlafgemach weiterhin Lust auf kleine Firmengründer haben, die unaufgeregt bei ihrem Alltag begleitet werden. Kann funktionieren, kann auch schiefgehen - Sendeplatz und Lead-In steigern aber die Erfolgsaussichten dieser Sendung spürbar, die alleine im Abendprogramm wohl kaum überlebensfähig wäre. Und wenn es nicht klappen sollte, wärs auch halb so wild: Im Oktober wartet ja dann immerhin schon der nächste Neuankömmling auf den 23-Uhr-Slot.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel