Fröhlicher Partnertausch: RTL II lädt auf die «Love Island» ein
Wer denkt, es ginge nicht mehr extremer, der wird schon bald eines Besseren belehrt – natürlich erneut von RTL II. Anfang Oktober zeigt der Privatsender erstmals «UNdressed» worin, Singles sich nackt in einem Bett begegnen und dabei Fragen und Aufgaben gestellt bekommen. Quotentechnisch legt RTL II jedoch die größte Hoffnung in ein Format, das auf dem Papier vergleichsweise harmlos klingt, es aber faustdick hinter den Ohren hat: Am Montag, den 11. September, startet bei RTL II «Love Island – Heiße Flirts und wahre Liebe» zur besten Sendezeit. Daraufhin zeigt RTL II täglich ab 22.15 Uhr Zusammenfassungen seines Neustarts und übernimmt damit die Vorgehensweise von RTL und Sat.1 im Rahmen ihrer Reality-Aushängeschilder «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» und «Promi Big Brother».
Eine gewagte Programmierungsstrategie, die auch stark nach hinten losgehen kann. Woher rührt die Einschätzung RTL IIs, das Format könne täglich erfolgreich Zuschauer vor die Bildschirme locken? Die Idee der Sendung ist recht schnell erklärt: Unter der Moderation von Jana Ina Zarrella (Foto) findet sich eine Gruppe von Singles beider Geschlechter in einer luxuriösen Villa ein, um dort ihr Traum-Date oder die, Zitat, ‚wahre Liebe‘ zu finden. Dass es mit der wahren Liebe klappt, dürften erfahrene Zuschauer von Reality-Shows mit Dating-Fokus stark bezweifeln, allerdings gewinnt das Sieger-Pärchen letztlich nach der Abstimmung der Zuschauer 50.000 Euro, was zusätzlich zu Liebeleien unter den Kandidaten motivieren soll. Echte Liebe steht jedoch ohnehin nicht im Mittelpunkt des Zuschauer-Interesses, dafür skandalöse Partnerwechsel, Liebeskummer und vorprogrammiertes Drama, denn die „Islander“, so werden die Bewohner der Luxus-Villa genannt, dürfen bis zum Finale am 2. Oktober einem fröhlichen Partnertausch nachgehen.
Für Reality-Formate wie «Big Brother» oder «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» altbewährt, gehen die Kandidaten dabei verschiedenen Spielen und Challenges nach, die sie einander gleichzeitig näherbringen sollen. Garniert werden soll die prickelnde Seherfahrung durch ein interaktives Element, das RTL II mit einer App zur Show einbaut, die dem Fernsehpublikum in verschiedenen Fragen Entscheidungsgewalt verleiht. Zunächst zelebriert das Format aber die Oberflächlichkeit. Zum Einzugstag formieren die Islander Pärchen auf der Basis erster Eindrücke, über den Verlauf des Runs werden die Kandidaten dann gezwungen zu entscheiden, ob sie ihren aktuellen ‚Partner‘ behalten wollen oder sich einen neuen aussuchen wollen. Wer nach der Partnerwahl außen vor bleibt, scheidet aus der Sendung aus. Neue Islanders, die sich zwischendrin immer wieder zum Format gesellen, sollen den Bewohnern mehr Entscheidungsmöglichkeiten liefern und den Zuschauern mehr Gesprächsstoff. Eifersüchteleien oder Herzschmerz scheint dabei nämlich sehr wahrscheinlich zu sein.
Nicht die feine englische Art: «Love Island»-Skandale in Großbritannien
«Love Island» in Großbritannien
- Ursprungsland: Vereinigtes Königreich
- Produktion: ITV Studios
- Premiere: 7. Juni 2015 (ITV2)
- Episodenzahl: 109 (3 Staffeln)
- Moderatorin: Caroline Flack
- Executive Producer: Richard Cowles
- Produktionsort: Mallorca, Spanien
- Durchschnittliche Reichweite (Staffel 3): 2,52 Mio.
Bereits drei Staffeln hat «Love Island» beim britischen Sender ITV2 hinter sich, davor lief das Format bereits 2005 und 2006 in zwei Staffeln bei ITV, wo noch prominente Teilnehmer auf die Liebesinsel zogen. Die erste Staffel mit unbekannten Teilnehmern lief 2015 noch recht reibungslos bzw. zumindest nur so skandalträchtig ab, dass die Serie keine größeren öffentlichen Debatten nach sich zog. Allerdings musste das Publikum auch erst einmal an die sehr explizite Natur der Sendung herangeführt werden, denn schon in Staffel eins kamen sexuelle Eskapaden in der Luxus-Villa nicht zu kurz. Kandidaten, die während ihrer Teilnahme eigentlich Beziehungen führten, aber in der Show trotzdem zwanglosen Romanzen nachgingen, sorgten dann schließlich doch noch für einige Aufreger.
Ruppiger ging es ein Jahr später in Staffel zwei zu, als eine der Bewohnerinnen schon am ersten Tag nach ausfallenden Äußerungen im Eifersuchtswahn aus der Sendung geschmissen wurde. Unterdessen wurde der damaligen amtierenden ‚Miss Großbritannien‘ Zara Holland ihr Titel nach einem Techtelmechtel mit einem Bewohner in der Villa entzogen und darüber hinaus lieferte das erste gleichgeschlechtliche Pärchen weiteren Gesprächsstoff. Die Skandalstaffel war perfekt, als von Cara De La Hoyde, Teil des letztlichen Siegerpärchens, schließlich bekannt wurde, dass sie zuvor eine Karriere als Porno-Sternchen verfolgt hatte. Doch nicht jede Kuppel-Show bleibt folgenlos: Nun erwartet sie mit Sendungspartner Nathan ihr erstes Kind.
Und dann kam Staffel drei. Diese enthielt: Teilnehmer Mike Thalassitis, der zurück in die Villa gevotet wurde, nachdem er zuvor Drogen hineingeschmuggelt hatte. Geleakte Sex Tapes der Islanderinnen Tyla Carr und Jessica Shear. Und den 27-jährigen Craig Lawson, der weder seine Ex-Verlobte noch seine drei Kinder mit ihr über die Teilnahme am Format informierte. Dass Sex zwischen den Kandidaten über alle drei Staffeln hinweg an der Tagesordnung lag, muss an dieser Stelle als selbstverständlich hingenommen werden und wirft die Frage auf, ob die neuen Teilnehmer des bislang vergleichsweise prüden deutschen Reality-Fernsehens ähnlich freizügig sein werden. Für deutsche Verhältnisse würde dies jedenfalls eine bislang nie dagewesene Dimension der Zwanglosigkeit im Fernsehen bedeuten.
Folgt RTL IIs nächster Dating-Coup?
Doch wie reagierte Großbritannien? Geißelte die Öffentlichkeit das Format als promiskuitiven Sittenverfall? Forderten Medien die Absetzung des Formats, Änderungen oder Eingriffe seitens der Produktion? Oder zeigten Zuschauer angesichts der offenbaren Niveaulosigkeit der Sendung schlicht Desinteresse und straften «Love Island» mit miesen Quoten? Ganz im Gegenteil: Die Sendung steigerte sich von Jahr zu Jahr und lief nie besser als 2017. Mit durchschnittlich 0,57 Millionen Zuschauern 2015 gestartet, schalteten ein Jahr später bereits 1,47 Millionen Personen ein. 2017 stieg die durchschnittliche Reichweite beim kleinen ITV2 sogar auf 2,52 Millionen Personen pro Folge, als die Episodenzahl von anfangs 29 bereits auf 43 Ausgaben erhöht worden war. Bereits 80.000 Briten sollen sich für die kommende Staffel im nächsten Jahr beworben haben.
Folgt nach dem überaus erfolgreichen «Naked Attraction» mit «Love Island» also der nächste Dating-Coup von RTL II? Die Sendung täglich im Abendprogramm zu zeigen, wirkt vorerst genauso verwegen, wie das Konzept von «Love Island» selbst. Ob die ITV-Produktion in Deutschland tatsächlich Anklang findet, wird auch eine Mentalitätsfrage sein. Ist Deutschland, dessen Öffentlichkeit und Medienlandschaft gegen grenzüberschreitende neue TV-Formate meist schnell das Wort erhebt und diese als Trash abstempelt, bereit für ein Format wie «Love Island»? Die Vergangenheit zeigt jedenfalls, dass häufig die TV-Sendungen hinter vorgehaltener Hand geschaut werden und damit zu Quotenerfolgen führen, die gleichzeitig medial am vehementesten kritisiert werden. Diese Tatsache kennzeichnet die scheinbar überaus deutsche Vorliebe am TV-Bashing. Keiner will’s gesehen haben, aber jeder redet darüber. Auch über «Love Island»?
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
09.09.2017 17:56 Uhr 1
10.09.2017 10:50 Uhr 2
10.09.2017 12:06 Uhr 3
Jeder dort will maximale Sendezeit, also versucht einer den anderen im "dumme Dinge anstellen und den nackten Hintern in die Kamera strecken" zu übertrumpfen.