Cast und Crew
- Regie: Manuel Meimberg
- Drehbuch: John-Hendrik Karsten, Manuel Meimberg, Anika Soisson
- Darsteller: Bruno Bruni, Frederic Heidorn, Jerry Kwarteng, Daniel Rodic, Julia Jendroßek, Anna Louise Weihrauch, Malina Ebert, Peter Pertusini
- Produzenten: Joachim Kosack, Markus Brunnemann
- Ausführender Produzent: Dirk Scharrer
- Kamera: Benjamin F. Wieg
- Schnitt: Patrick Saleh-Zaki
- Produktionsfirma: UFA Serial Drama
Deutsche Fernsehserien und -reihen hinkten in Sachen Sexualität bislang indes hinterher. Es gibt alle paar Monate mal einen freizügigen «Tatort», der kurz das Publikum überrascht aufschauen lässt, und die kurzlebige Serie «Alles außer Sex» versuchte vor zwölf Jahren, das «Sex and the City»- und «Coupling»-Publikum für sich zu gewinnen. Aber sonst? Sonst heißt es: Kurz noch etwas gedulden. Denn neben der bereits angesprochenen «Milk & Honey»-Adaption von VOX steht zudem eine Callboy-Serie vor der Tür. Auch diese wird für einen Sender der RTL-Gruppe verwirklicht – und zwar für RTL II. Als Vorgeschmack (und Testballon) wird die Pilotfolge der UFA-Serial-Drama-Produktion vorausgeschickt. Und selbst wenn sie noch nicht die reine Ekstase hervorruft, so ist sie ein sehr viel versprechendes Vorspiel, das Lust auf mehr macht:
Die vier Berliner Freunde Pascal, Janni, Lukas und Kaambiz arbeiten und Leben zusammen: Über der von Lukas geführten Kneipe befindet sich das Vier-Männer-WG-Loft, in dem sie sich ein kleines, stilvoll (zurückhaltend, nicht protzig) eingerichtetes Paradies eingerichtet haben. Doch es gibt auch ein semi-geheimes Liebeszimmer. Denn die vier Kumpel schmeißen nicht nur einen Ausschankbetrieb – sie sind auch Liebesdienstler. Ihr Callboy-Gewerbe ist allerdings nicht angemeldet. Lukas braucht nämlich jeden einzelnen Cent, den er einnimmt, um seine gewaltigen Schulden abzubezahlen und so den muskulösen Schlägertypen zu entgehen, die unregelmäßig vorbeischauen.
Aber dies ist nicht der einzige Ärger, der der gepflegten und trainierten Männerwirtschaft ins Haus steht. Da schauen auch mal eifersüchtige Partner der Frauen vorbei, deren heimlich erkaufte Sexeskapade mit den Callboys ans Licht gekommen ist. Zum Glück lässt sich die Neue von der Theke, Lukas alte Schulbekannte Orphelia, so schnell nicht einschüchtern. Pascal hat es wiederum gerade mit einer anhänglichen Kundin zu tun, die sich in ihn verguckt hat – und trauert derweil seiner Ex hinterher. Der muntere Kaambiz will gerade das Ende des Ramadan feiern und dies als Anlass nehmen, um das Gemeinschaftsgefühl in der WG wiederzubeleben – da beißt er im Moment aber auf Granit. Janni indes erfährt davon, dass seine Tochter Opfer rassistischer Beleidigungen wird, was den fürsorgenden Papi in ihm weckt. Und auch er selbst hat es bei einem, ähem, Berufsmeeting mit rechter Gesinnung zu tun.
Regisseur/Autor Manuel Meimberg und seine Schreibpartner John-Hendrik Karsten sowie Anika Soisson sparen sich das vorsichtige Anfahren und schalten bei «Call The Boys» direkt in den zweiten Gang. Statt in der Pilotfolge mühselig die Geschichte zu erzählen, wie sich die vier Freunde finden und anschließend durch diverse Verwicklungen den Schritt ins Sexgewerbe tätigen, siedeln sie die erste Folge zu einem späteren Zeitpunkt an. Das Geschäft läuft, frühere Kundinnen empfehlen den Service des Quartetts halb-vorsichtig weiter. Als Publikums-Stellvertreterin, die unvorbereitet diese recht gut geschmierte Maschine vorfindet, dient Lukas' Schulbekannte Orphelia. Julia Jendoßek betont in ihren ersten paar Szenen das Quirlige ihrer Rolle vielleicht leicht über. Doch die Art, mit der sie leicht scherzend, aber vorbehaltlos das geheime Gewerbe hinter ihrer neuen Arbeitsstätte hinnimmt und mit den Jungs interagiert, lässt diese "Comic Relief"-Figur im Laufe der 45 Minuten zu einer angenehmen, unbeteiligten "Kollaborateurin" der Hauptfiguren werden.
Und auch auf andere Weise lässt «Call The Boys» das erste, vorsichtige Beschnuppern einfach aus: Der Episodenauftakt ist eine Parallelmontage zwischen dem heißen, leidenschaftlichen Liebesakt, den Kaambiz einer Kundin beschert und den gut bemühten, aber unbeholfenen Versuchen einer verheirateten Frau, ihren Ehemann für etwas mehr Erotik in ihrer Beziehung zu erwärmen. So wird sofort einer der grundlegenden Konflikte in der Serie etabliert: Wenn das Körperliche in der alteingesessenen Beziehung nicht mehr prickelt, sollte frau sich dann ein aufregendes Sexabenteuer leisten? Das Autoren-Trio ist zweifelsfrei seinen Protagonisten und ihrem Job gegenüber aufgeschlossen, gleichwohl offenbaren sie in der Pilotfolge einen differenzierten Blick auf dieses Dilemma. So gestehen sie dem vorübergehend die Bedürfnisse seiner Frau ignorierenden, gehörnten Ehemann Momente ein, in denen er Mitleid verdient hat. Diese in Bewegung befindliche, Argumente abwägende Haltung zum bezahlten Sex und klassischeren Modellen verspricht, dass «Call The Boys» als Serie noch Raum hat, längere Debatten innerhalb der Story zu führen und so größere Bögen zu schlagen.
Zum Auftakt wird noch etwas kleinschrittiger vorgegangen – vielleicht auch, um die Zuschauer nicht zu sehr zu enttäuschen, sollte die Quote nicht stimmen und es leider nicht weitergehen. Mit Jannis peinlich-absurdem Aufeinandertreffen mit einer Rechtsradikalen, durch das er sich bemüht durchbeißt, finden Meimberg und Co. aber einen pfiffigen Mini-Plot. Vor allem gibt dieser Handlungsfaden Jerry Kwarteng die Gelegenheit, schon zum Serienstart all seine Schauspielmuskeln zu zeigen und gleichzeitig mit einem amüsanten "Was zur Hölle?"-Blick und einer gequält-angewiderten Leidensmiene aufzuspielen. Daniel Rodic alias Kaambiz unterdessen schlägt in der Pilotfolge vor allem in die Kerbe "Die spaßige Seele der Truppe", was er dank seines lockeren Timinings aber auch mühelos über die Bühne bringt.
Daniel Bruni alias Pascal scheint Kaambiz eingangs diese Rolle streitig zu machen, ist seine Figur doch augenscheinlich der Callboy, der zum Einsatz kommt, wenn eine Kundin etwas Zärtlichkeit und die Illusion braucht, geliebt zu werden. Wie aber eine Auseinandersetzung mit einem eifersüchtigen Partner zeigt, können Bruni als auch Pascal in Sekundenschnelle ins Abgebrühte wechseln. Soap-Veteran Frederic Heidorn schlussendlich punktet insbesondere dann, wenn er als Lukas abrupt in den Verkäufermodus abdriftet, wenn er am Telefon den nächsten Deal klar macht. Diese subtile Dualität der Rolle hat noch viel Potential.
Gemeinhin gefällt am Piloten, dass die Hauptdarsteller eine gute Chemie untereinander haben und daher Meimbergs Ziel, diese Figuren allem etwaigen Trubel, den sie erzeugen, als Kumpel darzustellen, mit denen man gerne länger rumhängen will, aufgeht. Gepaart mit dem ästhetischen Look der Serie (schmeichelnde Lichtsetzung, hübsches Produktionsdesign) hat «Call The Boys» also genügend Aspekte, die Lust auf eine Fortführung machen. Wie bei vielen Pilotfolgen gilt aber auch hier: Eine Steigerung sollte her. Packendere Konflikte und mehr Szenen, die den Figuren mehr Tiefe verleihen – sollte «Call The Boys» zu den Serien gehören, die durchweg auf dem Level der Pilotfolge operieren, wäre es nach all der Einstimmung dann doch zu wenig Ekstase.
In diesem Sinne: Hoffentlich stimmt die Quote, so dass wir erfahren werden, was mit den Jungs passiert, wenn sie erst so richtig in Fahrt kommen.
«Call The Boys» ist am 11. September ab 21.15 Uhr bei RTL II zu sehen.
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