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Ich habe eine andere Herangehensweise als die Politikredaktionen von ARD und ZDF. Vor meiner Sendung läuft normalerweise die Sitcom «The Big Bang Theory». Mit Politik rennen Sie also keine offenen Türen ein. Wenn sich da jemand eine Stunde hinsetzen und dranbleiben soll, muss ich auch unterhalten.
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Klaas Heufer-Umlauf im 'Spiegel' über Konzept und Intention seiner neuen Sendung.
Dass dieser schwierige Spagat gelingen kann, ja sogar zu einem weitaus erfrischenderen Seherlebnis führen kann als in manchem konventionellen öffentlich-rechtlichen Talk, zeigte noch in den vergangenen beiden Wochen der Kabarettist Abdelkarim mit seiner sehenswerten Sendung «Endlich Klartext!» bei RTL II. Klaas hingegen will konzeptionell noch mehr und begnügt sich nicht damit, anderthalb Stunden lang Politikinteressierte bei ihren Begegnungen mit Berufspolitikern zu begleiten, sondern teilt sein Ich in den Liberalen, den Konservativen und den Linken auf, um Interviews mit Politikern wie Meinungsmachern und eben einfachen Leuten auf der Straße zu führen. Das alles droht sehr schnell in eine völlig falsche Richtung abzudriften - und kann sich dann doch noch fangen.
Zu Beginn sieht der Zuschauer aber erst einmal einen längeren Prolog, in dem mit allerlei augenzwingernden Medienreferenzen die drei Klaase ihr Vorgehen besprechen. Alle drei sollen danach den nimmermüden SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz interviewen, wobei dieser von den ständigen Klogängen und Hemdwechseln seines Interviewers doch sichtlich irritiert ist. Ein wirkliches Gespräch kommt unter diesen Bedingungen leider nicht zustande, was ohne jede Frage viel mehr der ambitionierten, aber letztlich doch klar eher störenden als bereichernden Wechselspielchen auf Seiten Heufer-Umlaufs geschuldet ist als einem Fehlverhalten auf Schulz' Seite. Und so irritieren die ersten Minuten doch sehr mit innovativen Spielereien, die letztlich zu nichts führen und das Seherlebnis sehr hektisch und chaotisch wirken lassen.
Das merken Klaas und sein Team - also das hinter der Kamera, nicht er selbst mit seinen beiden anderen Pullis - gottlob rasch selbst und kündigen eine veränderte Vorgehensweise an: Fortan soll jeder Gast nur noch von einem der drei Klaase ausgefragt werden. Und von hier an findet sich das Projekt so allmählich: Mit Christian Lindner entwickelt sich ein interessanter Dialog, bei dem vor allem Klaas' Mimik Bände spricht, wie sehr er sich zusammenreißen muss, im Zuge der Ausführungen seines Gesprächspartners die Sachlichkeit zu bewahren. Mit Bela B. trifft er sich am Schießstand, lässt einige Passanten auf der Straße kurze Statements abgeben und unterhält sich mit Cem Özdemir über den Klimawandel und warum dieser aktuell im Bundestagswahlkampf kaum zu mobilisieren scheint. Den besten Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Kurzweil schafft er aber im Gespräch mit Bild-Chef Julian Reichelt, in dem er sichtlich in seinem Element ist.
Allzu sehr in die Tiefe gehen all diese Gespräche natürlich nicht, was alleine schon dem Umstand geschuldet ist, dass kaum einer Episode mehr als fünf Minuten Sendezeit gewidmet ist. Was aus Sicht eines Politikinteressierten und vielleicht sogar des Moderators selbst bedauerlich sein mag, ist mit Blick auf das typische ProSieben-Publikum aber nur allzu gut nachvollziehbar - und kann eigentlich auch kaum anders laufen, möchte man nicht komplett an der Masse vorbeisenden. Und zumindest bei Schulz, Özdemir oder Lindner macht sich während der Sichtung beim Polittalk-Stammzuschauer auch rasch eine gewisse Müdigkeit breit, immerhin hat man die dort geäußerten Floskeln eigentlich auch schon oft genug an anderer Stelle gehört.
Als kaum problematisch stellt sich übrigens Klaas' Nähe zur SPD dar, die inmitten eines prall gefüllten Geschenkekorbs an Referenzen und Meta-Kommentaren zu Politik und Weltgeschehen auch formatsintern kurz angerissen wird. Von einer Werbeveranstaltung für Schulz als Bundeskanzler ist die Sendung weit entfernt - ja, eigentlich wird sie sogar erst im Anschluss daran sehenswert, wo der doch ziemlich stark nach purem Selbstzweck müffelnde Versuch des Klaas'chen Triumvirats in jeder Lebenslage überwunden wird. Das muss man den Verantwortlichen vielleicht sogar am höchsten anrechnen: Den Style zurückgefahren zu haben, nachdem sich schnell herausstellt, dass dieser in erster Linie zu Chaos führt.
Ansonsten ist «Ein Mann, eine Wahl» ein löblicher, kleiner Versuch von ProSieben, kurz vor der Bundestagswahl doch einmal wieder kurz politisch zu werden - müßig zu erwähnen, dass Klaas natürlich auch diese plötzliche Ambition seines Arbeitgebers augenzwinkernd aufs Korn nimmt -, der das Publikum aus der tristen Einöde der «Big Bang»-Dauerbeschallung kurzzeitig einmal herausholt und vielleicht ja den einen oder anderen jungen Zuschauer dazu motiviert, sich doch einmal mit politischen Inhalten und/oder Akteuren auseinanderzusetzen. Und er weckt den Heißhunger darauf, Klaas künftig häufiger einmal in ernsthaften Formaten zu sehen, die sich dann eventuell auch etwas ausführlicher den wirklich relevanten Fragen unserer Zeit widmen.
In der kommenden Woche gibt es die zweite Folge von «Ein Mann, eine Wahl» zu sehen - wieder um 22:05 Uhr und wieder eingebettet in ein volles Dutzend vorwiegend alter «TBBT»-Folgen.
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