Filmfacts: «Mr Long»
- Kinostart: 14. September 2017
- Genre: Drama/Actionfilm
- FSK: 16
- Laufzeit: 129 Min.
- Kamera: Kôichi Furuya
- Musik: Junichi Matsumoto
- Buch und Regie: SABU
- Darsteller: Chang Chen, Yi Ti Yao, Run-yin Bai, Shô Aoyagi, Masashi Arifuku, Ritsuko Ohkusa
- OT: Ryu san (JP/HKG/TWN 2017)
Doch selbst dieser Gewissenskonflikt ist SABU nur eine beiläufige Betrachtung wert. Sein bei der Berlinale gezeigter Film über Liebe, Rache und das Recht auf eine zweite Chance ist ein sensibles Porträt über einen Menschen, der versucht, in der Abgeschiedenheit alles besser zu machen, als im ersten Leben. Ob er dazu das Recht hat, darüber urteilt SABU nicht. Gleichzeitig überlässt er es dem Zuschauer, genau das zu tun, während er ihn mit mal virtuosen, mal niederschmetternden Einstellungen und Kamerafahrten konfrontiert.
An den Rand gedrängt
Ein taiwanesischer Auftragskiller (Chen Chang) strandet in einer japanischen Vorstadt. Seine Mission ist missglückt und ihm bleiben fünf Tage, um Geld für die geplante Rückreise aufzutreiben. Unvermittelt erhält er dabei Hilfe: Der kleine Jun (Runyin Bai) weicht nicht von seiner Seite und ahnungslose Anwohner zeigen sich von seinen Kochkünsten so begeistert, dass sie ihm ein berufliches Standbein schaffen wollen. Eifrig organisieren sie ihrem schweigsamen „Mr. Long“, wie sie den Killer nennen, eine fahrbare Garküche, mit der er, gemeinsam mit Jun, seine chinesischen Spezialitäten unter die Leute bringen kann. Unheil droht, als Juns Mutter (Yiti Yao) von ihrem ehemaligen Dealer aufgesucht wird und dieser Mr. Longs Fährte aufnimmt. Aber auch wenn die Vergangenheit ihn einholt – es wird für Mr. Long nicht leicht zu gehen.
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So vergeltet SABU Gleiches mit Gleichem, ohne dabei die Frage aufzuwerfen, ob wir das auf der Leinwand gezeigte gutheißen. Denn wir gönnen dem offensichtlich hoch emotionalen und liebenswürdigen Ziehvater des kleinen Jungen Jun zwar den heilen Ausstieg aus dem illegalen Milieu, doch seine Zugehörigkeit zur Auftragskillerszene einfach im Sander verlaufen zu lassen, wäre moralisch höchst fragwürdig. «Mr Long» geht tiefer und lässt seine Zuschauer mit der komplexen Ausgangsfrage allein, was in dieser Situation das Richtige wäre. Muss wirklich jede Schandtat gerächt werden? Muss jedem illegalen Schritt eine Strafe folgen und reicht es aus, auf einer Ebene Gutes zu tun, um die Fehler auf der anderen auszugleichen?
Zwischen Brutalität und Zärtlichkeit
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Damit macht es einem dieser Mr Long zunächst ziemlich schwer, ihm tatsächlich die Daumen zu drücken; stattdessen schaut man ihm fasziniert zu, immer mit dem Hintergrundwissen, dass die Unberechenbarkeit seines Charakters auch schnell umschlagen könnte. Doch SABU lässt all die positiven wie negativen Eigenschaften seiner Figur gleichermaßen zur Geltung kommen und seinen Mr Long eine glaubhafte und jederzeit nachvollziehbare Entwicklung durchlaufen, ohne dabei den Kern der Figur zu verleugnen – der Mr Long vom Anfang ist auch noch der Mr Long vom Ende – nur eben gereifter und mit vielen neuen Eindrücken versehen.
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Ganz ohne gefühlsduselige Musik oder das Geschehen hochstilisierende Zeitlupen macht sich der Filmemacher das Wissen um die Vergangenheit sämtlicher Figuren zunutze, und lässt es in Zusammenarbeit mit unaufgeregten Bildern und genau ausgewählten Dialogfetzen für sich stehen. Dass es SABU zeitgleich immer mal wieder an Fingerspitzengefühl darin mangelt, Humor in der Geschichte zu platzieren, ist da schon verwunderlich. Aber all das sind Kleinigkeiten; Wenn sich am Ende offenbart, worauf „Mr Long“ – und zwar sowohl der Film, als auch seine Hauptfigur – zusteuern, erkennt man, dass auch kleine erzählerische Unebenheiten dafür sorgen, dass sich das Gesamtbild noch besser beim Zuschauer einprägt – und damit sind nicht bloß die verboten leckeren Aufnahmen diverser japanischer Köstlichkeiten gemeint.
Fazit
Das Ende bricht einem das Herz: SABUs bisweilen äußerst brutale Todesballade «Mr Long» erzählt unaufgeregt und hochemotional von einem Auftragskiller, der sich nichts sehnlicher wünscht, als eine zweite Chance – und erkennt, dass er diese nie haben kann.
«Mr Long» ist ab dem 14. September in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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