Doch damit steht «Designated Survivor» nicht alleine, denn viele Serien verlieren, gerade bei einer langen Laufzeit, ihre eigentliche Storyline aus dem Blick. So geschehen bei «Pretty Little Liars», wo Zuschauer gerade in den letzten zwei Staffeln das Mystery-Element suchen durften, «Vampire Diaries», bei dem es lange Zeit gefühlt gar keinen roten Faden mehr gab oder «The Blacklist», welches das große Geheimnis rund um Lizzie und Red aus dem Blick verlor. Auch «Lost», welches gegen Ende immer verwirrender wurde, wäre hier zu nennen. Doch abseits diesen Vorwurfes ist «Designated Survivor» nicht komplett durchgefallen und überzeugt als Mainstream-Polit-Thriller mit einem herausragendem Kiefer Sutherland als unvorhergesehenen, neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Um was geht es in «Designated Survivor»?
Bei der jährlichen Rede zur Nation, in der der amerikanische Präsident üblicherweise seine Erfolge des vergangenen Jahres und seine Pläne für die kommende Zeit vorstellt, finden sich alle Abgeordneten im Repräsentantenhaus ein. Doch sollte es zu einem Anschlag kommen, dem die gesamte amerikanische Politik-Riege zum Opfer fällt, wird mit einem „designierten Überlebenden“ vorgesorgt. Dieser wird dann zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt. Und genau diese Katastrophe ereignet sich in «Designated Survivor», die den Wohnungsbauminister Tom Kirkman plötzlich zum Präsidenten macht. Als letztes noch lebendes Kabinettsmitglied muss er nicht nur den Anschlag aufklären, sondern auch das politische System wieder in Stand setzen und sich dabei gegen intrigierende Kollegen behaupten. Seine neue Position hat jedoch auch Auswirkungen auf seine Familie und sorgt nicht nur für Streitigkeiten, sondern verlangt auch seiner Frau Alex und seinen zwei Kindern Leo und Penny einiges ab, die sich ebenfalls erst noch an ihre neuen Rollen gewöhnen müssen.
«Designated Survivor»: Vor allem der typische Mainstream-Zuschauer kommt auf seine Kosten
Bis zum Mid-Season Finale der ersten Staffel gestaltete sich «Designated Survivor» als rasanter Polit-Thriller, dessen Stärke vor allem in seiner Leichtigkeit liegt. Anders als Genrevertreter «House of Cards» zielt die Produktion mit Kiefer Sutherland ganz klar auf ein Mainstream-Publikum ab und gestaltet sich deshalb auch weniger anspruchsvoll und zäh als sein Netflix-Pendant mit Kevin Spacey. Bei «Designated Survivor» setzen die Produzenten auf eine rasante Storyline, stereotypische Figuren und einen bunten Mix aus Politthriller, Familiendrama und Krimiserie, der den Reiz der Serie ausmacht. Nicht nur all die Probleme, die Tom Kirkman als neuer amerikanischer Präsident begegnen, werden erläutert, sondern auch die familiären Herausforderungen, die deswegen entstehen, rücken in den Mittelpunkt. Ein weiterer Handlungsstrang befasst sich mit FBI-Ermittlerin Hannah Wells, die mit der Aufklärung des Attentates betraut wird und hierbei bald auf eine Verschwörung größten Ausmaßes stößt. Garniert wird das Ganze wöchentlich mit einem spannenden Cliffhanger, der sicherstellt, dass das Publikum auch nächste Woche wieder mit Kirkman mit fiebert. Schon in der ersten Hälfte lassen sich zwar einige vorhersehbare Wendungen wiederfinden, wie die beginnende Romanze zweier Mitarbeiter von Tom Kirkman, doch das flotte Erzähltempo und ein Kiefer Sutherland in Höchstform machen dies wieder wett. Zumal die Hauptgeschichte in einem spannendem Mid-Season Finale gipfelt.
Unter Showrunner Nummer 3, Jeff Melvoin, rückt die Produktion jedoch von ihrer einstigen so vielversprechenden Prämisse ab. Noch mehr Sendezeit erhalten in der zweiten Hälfte der Staffel die Ermittlungen von Hannah Wells, aber auch Tom Kirkman hat sich als Präsident behauptet und etwaige Komplikationen hervorragend gemeistert. Er hat Feinde aus dem Weg geräumt, das Volk von sich überzeugt und sich so als neuer Präsident etabliert, sodass der Fokus nun nicht mehr auf seinen ersten Gehversuchen im Amt liegt – wie es die Prämisse verspricht - sondern auf aktuell vorherrschende Themen und Konflikte, wie die Restriktion von Schusswaffen, umschwenkt. Damit möchte «Designated Survivor» politisch relevant sein und auf derzeitige Probleme verweisen. Doch anders als «House of Cards» oder «Westwing» wird das Format zur Utopie, die Amerika den Spiegel vor Augen hält und zeigt, wie man es besser machen könnte, wenn Kirkman auch das umstrittene Waffengesetz erfolgreich durchboxen kann. In der Realität wäre dies mit der übermächtigen Waffenlobby unvorstellbar. Zu Gute halten muss man «Designated Survivor» aber, dass dadurch die Mechanismen der amerikanischen Politik, die für deutsche Verhältnisse oft verrückt und komisch anmuten, auf eine verständliche Art und Weise dargestellt werden und so auch dem Durchschnittsbürger zugänglich sind.
In den Hintergrund geraten derweilen das Familiendrama und die Beziehungsgeflechte der Charaktere. Auffällig ist vor allem die stark beschnittene Sendezeit von Leo und Penny Kirkman, den Kindern des Präsidenten. Melvoin verlangsamt zudem aber auch das Erzähltempo, welches nach Folge zwölf deutliche Längen aufweist und mit weniger Cliffhangern aufwarten kann. Das liegt vor allem daran, dass recht schnell die Verräter im Weißen Haus für das Publikum entlarvt werden, genauso wie die Gruppierung, die hinter dem Attentat steckt und deren ständige Erfolge etwas ermüdend wirken. Denn sie sind Hannah Wells immer einen Schritt voraus und das meist dank stereotypischer und vorhersehbarer Wendungen. Zumal auch das Ausmaß der Verschwörung übertrieben anmutet.
Das Finale der ersten Staffel macht trotzdem Lust auf die kommende zweite Staffel. Der Cliffhanger fällt zwar kleiner und unspektakulärer aus als erwartet, aber trotzdem dürfte es spannend werden, wie die Serie sich unter dem nun vierten Showrunner entwickelt. Fans müssen aber schon jetzt einen weiteren schmerzhaften Abschied verkraften, denn Virigina Madsen wird kein Teil der Serie mehr sein, obwohl ihre Figur Kimble Hookstraten flott zum Zuschauerliebling mutierte. Trotz ihrer Anfangs unklaren Absichten erwies sie sich bald als wichtige Verbündete von Tom Kirkman. Ob ihr Ausscheiden sich als Fehler erweist, muss sich erst noch zeigen. Aber „Americas Sweetheart“ Kiefer Sutherland, der schon länger als einer der beliebtesten Seriendarsteller gilt, wird sicherlich weiterhin für gute Zuschauerzahlen sorgen, denn immerhin bildet er das Herz von «Designated Survivor» und weiß als besonnener, aufrichtiger und gutmütiger Tom Kirkman zu überzeugen.
Hierzulande mögen seine Reden vielleicht ab und an etwas zu patriotistisch ausfallen, doch in Amerika treffen sie den Geschmack der Zuschauer. Von Staffel Zwei darf gehofft werden, dass der aktuelle Politikbezug beibehalten wird, jedoch auf etwas realistischere Art und Weise: Auch Kirkman darf einmal scheitern, denn das passiert in der amerikanischen Politik tagtäglich und würde seiner Figur ebenfalls gut tun, die mittlerweile moralisch überlegen und makellos daherkommt. Zudem wäre mehr Raum für Nebenfiguren wie Emily Rhodes oder Seth Wright wünschenswert, denen bisher eine spannende Hintergrundgeschichte fehlt, die sie aus ihren klassischen Stereotypen ausbrechen lassen würde. Das Tempo darf dabei aber gerne dem der ersten Staffelhälfte entsprechen, wobei weniger Cliffhanger auch akzeptabel wären, wenn die Figuren dadurch mehr Tiefe erhalten und der Fokus stärker auf die Beziehungen gelenkt würde. Denn vor allem letzteres braucht «Designated Survivor» wenn es langfristig bestehen möchte. Weg von den Klischees und Stereotypen, hin zu realistischen Charakteren mit Ecken und Kanten, die alles andere als perfekt sind.
«Designated Survivor» gibt es hierzulande exklusiv auf Netflix zu sehen. Ab dem 6. Oktober erwartet euch dann wöchentlich (und wenige Tage nach US-Ausstrahlung) die zweite Staffel. In den Hauptrollen gibt es neben Kiefer Sutherland, Natascha McElhone, Adan Canto, Italia Ricci, LaMonica Garrett, Kal Penn, Virgina Madsen und Magie Q zu sehen.
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28.09.2017 09:35 Uhr 1