Doch dann macht ihr Eugene bei einem Bankett einen Heiratsantrag – und die Formulierung dieser romantischen Geste lässt in Rapunzel einen Schwall der Unsicherheit hochkommen: Jetzt schon niederlassen, den Mittelpunkt des Lebens ins Schloss ihrer Eltern verlegen, nur noch an die Zukunft und sichere Planungen denken? Bei aller Liebe für den Ex-Dieb – dafür hat Rapunzel gerade keinen Nerv, sie will einfach nur ihr Leben leben. Cassandra bemerkt, wie sehr bei ihrer neuen Freundin die Moral durchhängt, also schlägt sie ihr vor, bei Nacht auszubüxen und an einen mysteriösen Ort zu reiten, um den Kopf frei zu kriegen. Doch dort kommt es zu einem seltsamen Ereignis, wodurch Rapunzel ihr magisches Haar wiedererlangt – und es ist widerstandsfähiger denn je.
Durch diesen Kniff schafft Storyautor Jase Ricci die Grundlage für die Abenteuerstorys in der Serie. Rapunzels magisches, meterlanges Haar ermöglicht originelle Actionszenen und erschafft sowohl Episodenplots, da immer wieder Schurken versuchen, an dieses Zauberhaar zu gelangen, als auch einen der seriellen Grundkonflike: "Wie befreien wir Rapunzel von diesem ungewöhnlichen Problem?" Was «Rapunzel – Die Serie» von "Vorgängern" wie den Serien zu «Hercules» und «Aladdin» abhebt, ist, dass auch ein emotionaler roter Faden gegeben ist. Denn Eugene/Flynn hatte, im Gegensatz zu Rapunzel, bereits ein Abenteurerleben und will sich daher lieber schon jetzt als erst später einem gemächlicheren Lebensstil hingeben.
Diese Grunddifferenz zwischen Rapunzel und ihrem Herzensdieb sorgt für eine reife, facettenreife Dynamik, die nicht disneytypisch ist – die Liebenden zanken sich nämlich dem Dilemma zum Trotz nicht. Sie lieben sich weiterhin bedingungslos, und versuchen, mit dem "Ich kann deinen Wunsch nicht vollauf teilen"-Ärgernis umzugehen. Zusammen mit der ausdrucksstarken Figurenanimation und den hingebungsvollen Sprecherleistungen schwingen sich Rapunzel und Flynn somit zum komplexesten, hinreißendsten Paar unter den Disney-Märchenpaaren auf.
- © Disney
Die wiedererblondete Rapunzel und Eugene alias Flynn haben zwar kleine Differenzen, aber sie sind gewillt, damit zu leben.
Auch Rapunzels Eltern gewinnen im Pilotfilm an Dimension hinzu. Zudem gibt es mit der tätowierten Lady Caine eine neue, kesse Schurkin, die Rache an Rapunzels Vater nehmen will, weil dieser einst nach Rapunzels Entführung zu einem harschen, selbst Kleinstkriminelle überaus streng bestrafenden König wurde. Von solch einer interessanten Motivation können diverse Disney-Leinwand-Fieslinge nur träumen – schade, dass Lady Caine in der «Rapunzel»-Serie nicht die reguläre Rolle spielt, die der Pilotfilm suggeriert.
Mit strammem Pacing und dezent eingesetztem, energiereichem Slapstick rund um die aus dem Originalfilm bekannten, tierischen Sidekicks Maximus und Pascal wird «Rapunzel – Für immer verföhnt» endgültig zu einem starken Stück Disney-Fernsehunterhaltung. Die größte Schwäche sind überraschenderweise ausgerechnet die Songs: Disneys Hofkomponist Alan Menken und Songtexter Glenn Slater, die bereits die Lieder zu «Rapunzel – Neu verföhnt» beisteuerten, verfassten drei neue Stücke für den Film. Diese sind jedoch wenig einprägsam – da haben sie für die Musical-Realserie «Galavant» (die ebenfalls die Geschichte nach einem Märchenende erzählt) deutlich schmissigere Arbeit geleistet.
«Rapunzel – Für immer verföhnt» ist am 29. September 2017 um 20.15 Uhr im Disney Channel zu sehen. «Rapunzel – Die Serie» läuft ab dem 9. Oktober 2017 montags bis freitags um 18.40 Uhr im Disney Channel.
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