
Die Fernsehwelt hat sich selbst in dieser relativ kurzen Zeit massiv gewandelt. Ein goldenes Fernsehzeitalter ist zum sogenannten Peak-TV übergegangen, also eine Ära, in der vielmehr hochwertige Serien produziert werden, als ein Normalsterblicher konsumieren kann. Ob der Name «Star Trek» in dieser fragmentierten Medienwelt noch ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, wird sich ebenfalls noch beweisen müssen. Die bisherigen Herausforderungen, denen sich die Produktion stellte, lassen Fans jedenfalls mit den Zähnen knirschen.
Problematische Produktionsgeschichte mit gutem Ausgang?
Der zum ausführenden Produzenten ernannte Alex Kurtzman besitzt mit Filmen wie «Transformers», «The Amazing Spiderman 2: Rise of Electro» und zuletzt dem Reboot von «Die Mumie» eine nicht sehr überzeugende Filmografie. Immerhin besitzt er mit den J.J. Abrams-Kinofilmen bereits «Star Trek»-Erfahrungen, auch wenn diese unter Fans höchst umstritten sind. Andere prominente Autor-, Showrunner- und Produzenten-Namen wie Bryan Fuller kamen und verschwanden wieder. Aber auch wenn sich Fuller lieber seiner anderen Serie, der Neil Gaiman Adaption «American Gods» widmete, überließ er seinen zwei Vertrauten Gretchen J. Berg und Aaron Harberts das Feld, welche die Grundideen ihres Vorgängers weitestgehend weiterführen wollten. Und dafür engagierten sie ein Autorenteam, das sich aus regelrechten «Star Trek»-Nerds zusammensetzt.

Auch für CBS hängt viel an dem Projekt. Zumindest handelt es sich hierbei für die amerikanischen Zuschauer um die zweite Serie, die ausschließlich auf der hauseigenen Streaming-Plattform laufen wird (die erste war das «Good Wife»-Spin Off «The Good Fight»). Das internationale Publikum hat immerhin das Glück, den schon etablierten Netflix-Service in Anspruch nehmen zu können. Das Network scheint jedenfalls reichlich nervös: Die Presse durfte vor der Ausstrahlung noch keinen Blick auf die neue Sternenreise werfen. Welche Erfolgserwartungen CBS in diese Veröffentlichungsstrategie setzt, ist noch unklar, entscheidet aber sicherlich über die Zukunft des Serienfranchises. Ein schlechtes Zeugnis der viralen Internet-Schwarmintelligenz und/oder gnadenloser «Star Trek»-Fans kann sich aber verheerend auf den Erfolg des Experiments auswirken. Viele Fans gehen auch nicht gerade zimperlich mit den neuen Kino-Interpretationen und dem J.J. Abrams Sequel-Prequel-Paralleluniversum um. Wie wird da erst eine Serie aufgenommen, die noch vor den Abenteuern von Kirk, Spock, Pille und Co. spielt und potenziell am heißbeliebten Kanon herum schrauben könnte?
Prequel mit neuen Protagonisten
Wir schreiben nämlich das Jahr 2256. Zehn Jahre bevor Captain Kirk mit seiner Enterprise auf eine fünfjährige Forschungsmission aufbrechen wird, erkundet die Mannschaft der USS Shenzhou die Grenzen des Föderationsraumes. Ganz vorne mit dabei ist Commander Michael Burnham («The Walking Dead»-Star Sonequa Martin-Green), ihrerseits erster Offizier des Raumschiffs und Adoptivtochter des hochangesehenen Vulkaniers Sarek (Spocks leiblicher Vater). Sie dient unter der resoluten Philippa Georgiou (Michelle Yeoh), Captain der USS Shenzhou. Die beiden verbindet jedoch darüber hinaus eine innige Beziehung einer Mentorin und ihres Protegés. Eine Beziehung, die während der kommenden Mission auf eine harte Probe gestellt wird.
Ab diesen Punkt könnte Vieles schon als Spoiler angesehen werden, also Obacht, sehr geehrter «Star Trek»-Fan oder diejenigen, die es noch werden möchten!
Relativ friedlich geht die USS Shenzou ihrer Mission nach, bis sie auf ein unbekanntes Flugobjekt trifft. Wie sich schnell herausstellt, handelt es sich hierbei um ein Klingonenschiff, welches vom reaktionären T’Kuvma (Chris Obi) geführt wird. Dieser möchte das klingonische Reich und seine 24 Häuser vereinen und zu alter Stärke zurückführen. Die einzige Sternenflottenoffizierin, welche die kriegerischen Pläne recht schnell durchschaut, ist Michael. Um ihre Crew und die Menschheit zu schützen, geht sie ziemlich rabiat vor, schließlich musste sie schon in ihrer Kindheit bittere Erfahrungen mit dem kriegerischen Volk machen.

Cliffhanger, Storytwists und ein großer Knall
Die Intention scheint klar: Mit Cliffhangern, diversen Storytwists und einem großen Knall möchte CBS wahrscheinlich auch Zuschauer jenseits der Fanbasis zum Abonnement des eigenen Streamingdienstes verführen. Das klingt zwar zynisch, dennoch hat die neue Serie weitaus mehr zu bieten als Explosionen, Photonentorpedos und Phaserduelle. Immer wieder legen die Autoren wert drauf, dass sich die Sternenflottenoffiziere mit Köpfchen und nicht nur mit Action aus der Affäre ziehen, etwa wenn Commander Michael Burnham mit logischer und überlegter Vorgehensweise den Schiffscomputer austrickst und sich aus einer prekären Situation befreit.
Die Beziehungen der Protagonisten untereinander bieten Raum für kleine Sticheleien und gehaltvolle Emotionen: Sonequa Martin-Green kann sowohl die Kompetenz eines Sternenflottenoffiziers als auch ihre menschlichen Schwächen überzeugend wiedergeben, die sie versucht mit ihrer vulkanischen Erziehung zu vereinen. Michelle Yeoh dürfte schon allein durch ihre langjährige Erfahrung als Kung Fu-Actionstar als starke und resolute Sternenreisende überzeugen. Als Mutterfigur für ihren Schützling Michael strahlt sie Wärme und gleichzeitig die notwendige Strenge aus.

Dennoch darf Saru anschaulich und überlegt seinen Standpunkt vermitteln und die Figurenkonstellation kann noch zu einer interessanten Dynamik auf der Brücke führen. Eine wenig mehr Charme hätte jedoch allen Beteiligten gutgetan.
Zufriedenstellender Start
Zum Auftakt lief «Star Trek Discovery» übrigens auch im linearen Fernsehen - vor 8,19 Millionen Zuschauern. Aber nicht nur das: Dem Dienst CBS All Access soll das Format Medienberichten zufolge etliche Neukunden beschert haben. Zwar nannte das Unternehmen CBS keine genauen Daten, sprach aber von einem "Rekordtag" was Neuanmeldungen angeht. Zum CBS-All-Access-Angebot rund um «Star Trek» gehört übrigens auch ein begleitender Talk: «After Trek».Erwartungsgemäß versucht «Star Trek: Discovery» eine Brücke zwischen dem klassischen Geist der früheren Serien und einer modernen Erzählweise zu schlagen. Dazu gehören natürlich Entscheidungen, Handlungen und Geschehen, die in der Zukunft der Serie noch weitreichende Konsequenzen fordern werden sowie komplexere Geschichten und Charaktere abbilden sollen. Ob dies letztendlich gelingen wird, kann an diesen ersten beiden Episoden noch nicht abgelesen werden. Momentan besitzt die neue Serie trotz ihrer kleinen Fehler vor allem Eines: Potenzial.
In Deutschland gibt es die Folgen von «Star Trek: Discovery» wöchentlich, immer montags neu bei Netflix.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
27.09.2017 07:30 Uhr 1
Die neuen Klingonen finde ich aber auch sehr gewöhnungsbedürftig. Da geht man doch in eine ganz andere Richtung - optisch wie auch religöser? Sehr gut finde ich das Sounddesign. Da kommt öfters mal nen Fetzen bekannter Sounds durch. Technik finde ich okay. TOS war eine Serie mit begrenztem Budget, schon ENT hat sich da visuell nicht mehr dran gehalten. Man kann - gerade in postHD Zeitalter - kein SciFi auf den Effektlevel machen, ohne das es billig aussieht. Im Orvill Trailer sind so ein paar Szenen, die Aussehen, als hätten die einfach im Keller gedreht.
Interessant fand ich die Wahl des Spocks. Mensch unter Vulkaniern. Nachdem wir schon nen Androiden, Vulkanier, Borg, etwas Formwandler hatten. Interessante Variation.
27.09.2017 09:45 Uhr 2
27.09.2017 13:46 Uhr 3
Über den Unsinn, das die Klingonen mal wieder ein neues Aussehen bekommen, muss man nicht mehr viel schreiben.
Noch eine Frage an das Synchronstudio: Wer zum Geier kam auf die Idee, als deutsche Stimme für die Kommandantin die Synchronsprecherin von Roxann Dawson, aka Lieutenant B`Elanna Torres (Voyager), einzusetzen?
28.09.2017 06:49 Uhr 4
Muss aber auch sagen, das ich alle Star Trek Serien gesehen habe, bis auf die Animierte Serie und die originale. Bei der habe ich nur die erste Staffel und ein bisschen geschaft, weil ich die Machart zu altbacken finde. Die Schauspielerei ist mir zu sehr Theater (mit Beleuchtung von unten, wenn wahnsinnig) und das Tempo ist deutlich behäbiger.
28.09.2017 21:34 Uhr 5
Ich halte mich nicht mit Details auf oder hinterfrage irgendwelche Ungereimtheiten sondern genieße einfach, dass es endlich mal wieder eine neue Star Trek Serie gibt.