Die Kritiker

«Detour»: Der Subkosmos Autobahnraststätte

von

Die zweite 'Stunde des Bösen' für dieses Jahr entführt das Publikum auf eine Raststätte. Dort lernt ein Außenseiter eine fliehende Frau kennen.

Cast und Crew

  • Regie: Nina Vukovic
  • Drehbuch und Schnitt: Nina Vukovic, Benjamin Talsik
  • Darsteller: Luise Heyer, Alex Brendemühl, Lars Rudolph, Ilja Bultmann
  • Kamera: Tobias von dem Borne
  • Musik: Leonard Peterson
  • Redaktion: Jörg Schneider
Sieben Tage, nachdem das ZDF die zweite Runde der Thriller-Dachmarke "Stunde des Bösen" mit dem Spielfilmdebüt einer erfahrenen Dokumentarfilmerin eröffnet hat, geht es mit dem Langfilmdebüt von Nina Vukovic weiter. Die studierte Drehbuchautorin und Robert-Bosch-Stipendiatin verantwortete zuvor den Kurzfilm «Purple Sunrise», ein Pilotprojekt der DFFB. Im Rahmen der Thriller-Dachmarke der Redaktion ZDF – Das kleine Fernsehspiel lieferte die gebürtige Bremerin als ihren ersten Langfilm einen Suspensefilm ab, der von einer Frau handelt, die aus einer ungesunden Beziehung flieht und dabei eine unangepasste Zufallsbekanntschaft macht:

Alma hat die Schnauze voll davon, dass Jan nicht zu seiner Affäre mit ihr steht. Als die Beiden einmal mehr über ihre etwaige Zukunft streiten, nimmt Alma kurz entschlossen Jans kleinen Sohn Juri heimlich mit auf eine Reise. Auf dieser lernen sie den Lieferanten Bruno kennen. Zunächst sind sich die beiden Erwachsenen, trotz Brunos leicht ungelenken Kommunikationskünsten, grün. Schließlich erkennt er Almas Ausgestoßensein und ebenso scheint sie jemand zu sein, der ihn versteht. Auf einer Raststätte versucht er, ihr in seiner überaus unbeholfenen Weise näher zu kommen. Doch Alma lässt ihn abblitzen …

Filmemacherin Nina Vukovic beschreibt «Detour» als Film, welcher der "sozialen Abzweigung von Menschen [folgt], die den Anschluss an 'die Anderen' längst verloren haben.“ Für Vukovic leben diese Menschen in einem eigenen Subkosmos: "Die Autobahn und die temporäre Welt der Raststätten ist die Heimat der Anonymen, der Umherstreifenden, der Heimatlosen, aber auch derjenigen, die nicht tiefer eintauchen wollen in die Welt der anderen. Sie ist ein Sinnbild für temporäre menschliche Beziehungen, die periphere Anteilnahme am Leben. Wir schaffen es, für die Länge einer Currywurst zuzuhören, Musik ist das Verhindern von Stille durch vulgäres Formatradio, Glück ist ein Spielautomat in einer Spielhalle. Selbst das Klo funktioniert nur bezahlt, die Liebe wartet als Pornoheft im Handschuhfach, und Hoffnung gibt es nur noch in Form eines Wackel-Jesus auf dem Armaturenbrett."

«Detour» ist dieser Beobachtung zum Trotz keine unreflektierte Skizze dieser eigenen Welt. Mit Bruno gibt es eine zentrale Figur, die Teil des Ganzen ist und zugleich ein wandelndes Signal gegen sie. Die Regisseurin und Autorin beschreibt die Rolle: "Gegen diese Welt und ihre Stellvertreter stemmen sich Brunos Unterströmungen von Wut, Unzulänglichkeit und dem ungestillten Wunsch nach menschlicher Nähe und richten Schlimmes an."

Tatächlich ist Vukovic diese Figur so komplex gelungen, wie sie es sich vorgenommen hat: Lars Rudolph («Er ist wieder da») ist in der Rolle eine durchweg unberechenbare Person – ein verletzlicher Außenseiter, der bemüht das Verhalten anderer Menschen nachahmt, hoffend, so eine bedeutungsvolle Beziehung aufbauen zu können. Und gleichzeitig strahlt er mit seiner unsauberen Aussprache und seinem durchdringenden Blick eine rohe, vor Frust brodelnde Art aus, die suggeriert, dass er jeden Moment brutal austicken könnte.

Abseits dessen ist «Detour» jedoch leider Stangenware: Das Drehbuch ist vorhersehbar und überreizt daher seine bereits kurze Spielzeit, und Hauptdarstellerin Luise Heyer wirkt in ihrer Rolle der traurigen Alma unterfordert – was womöglich auch an der wenig unterfütterten Beziehung zu Film-Stiefsohn in spe Juri liegen könnte. Alex Brendemühl kann in seinen wenigen Szenen ebenfalls kaum Akzente setzen, ist seine Figur Jan doch zumeist nur wandelnder Plotmotor, der das tut, was die Handlung benötigt, um vorwärts zu gelangen. Dabei leisten die überdeutlichen Metaphern bereits mehr als genug narrativen Antrieb.

«Detour» ist am 9. Oktober 2017 ab ca. 23.55 Uhr im ZDF zu sehen.

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