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Gore Verbinski, um das Ganze abzukürzen, ist einer dieser Regisseure, die einerseits sehr flexibel sind und munter zwischen Genres und Zielgruppen springen können, die andererseits jedoch eine klar erkennbare Handschrift haben. Der «Fluch der Karibik»-Regisseur setzt bevorzugt auf Weitwinkelobjektive und eine enorme Schärfentiefe, um das betont vitale Geschehen seiner Filmwelten einzufangen, während es ihn inhaltlich zu potentiell massentauglichen Stoffen hinzieht, die er allerdings mit absurdem Humor, leichtem Surrealismus und gewollt inkonsistenter Tonalität zu eckigeren, kantigeren Materialien verarbeitet.
Und eben dieser beeindruckende, unangepasste Ex-Punkmusiker ist nun im Gespräch, den seit Jahren in Vorentwicklung befindlichen «X-Men»-Ableger «Gambit» zu übernehmen, bei dem Frauenschwarm Channing Tatum die Titelrolle Mutanten mit Spielkartentick spielen soll. Für mich als eifrig Verbinskis Schaffen verfolgenden Filmfreak ist dies eine … nun ja … kuriose, aber umso spannendere Neuigkeit. Denn ich hätte Verbinski nicht im Verdacht gehabt, so einfach ins Superheldenfach einzusteigen. Doch da 20th Century Fox für «Gambit» bereits ähnlich ungewöhnliche Kandidaten wie J. C. Chandor («All is Lost», «A Most Violent Year») und Bennett Miller («Capote», «Foxcatcher») an den Verhandlungstisch gelockt hat, scheint das Studio bei diesem Film auch nicht gerade den typischen Weg bestreiten zu wollen – und den werden sie mit Verbinski zweifelsohne eh nicht beschreiten können.
Denn wenn Verbinski eines nicht ist, dann ein konventioneller Auftragsfilmer. Gore Verbinski ist ein kreativer Sturkopf, der wegen seiner Ideen und Ambitionen öfters mit dem jeweiligen Studio aneinander rasselt, und das stört ihn nicht nur kein Stück, er erachtet es sogar als seinen Job.
Es gibt in Hollywood Dutzende und Aberdutzende an Regisseuren, die willens sind, die Vision eines Studios auf die Leinwand zu bringen – wenn Fox sich für «Gambit» einen selbstbewussten Querkopf ins Boot holt, der eher auf Piraten und Westernhelden steht als auf klassisches Superheldenmaterial, dann muss da ein Grundkonzept vorhanden sein, dass es in sich hat. Oder, das ist die negativere Lesart des Ganzen: Nach dem wirtschaftlichen Flop von «A Cure for Wellness» ist Verbinski auf einmal doch willens, seine "Ich mache keine Projekte, die sichere Dinger sind"-Attitüde über Bord zu werfen, um mit einem Superheldenerfolg im Rücken wieder seine eigenen, verschrobenen Ideen umzusetzen. Andererseits: Das passt einfach nicht. Jemand, der nach «Lone Ranger» so etwas wie «A Cure for Wellness» inszeniert, sucht nicht nach Comebackgeschichten.
So oder so: Es heißt zunächst einmal, gespannt zu bleiben und abzuwarten. Der «Gambit»-Film durchlief bereits zahlreiche Regisseure, wer weiß, ob Verbinski das Ding wirklich durchzieht. Wenn er es sehr wohl tut, wird sich wahrscheinlich früh genug zeigen, ob sich der «Ring»-Regisseur treu bleibt und, passend zum Titelhelden, ordentlich zockt. Oder ob er es auf einmal mit Nummer sicher versucht.
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