Die Kritiker

«München Mord - Auf der Straße, nachts, allein»

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«München Mord» will seinen narrativen Fokus besonders auf die wiederkehrenden Ermittlerfiguren legen. Das geht auch in der neuen Folge wieder schief.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Bernadette Heerwagen als Angelika Flierl
Marcus Mittermeier als Harald Neuhauser
Alexander Held als Ludwig Schaller
Christoph Süß als Helmut Zangel
Nina Franoszek als Anne Fink
Ludwig Blochberger als Lukas Finke
Tilman Strauß als Holger Gerl

Hinter der Kamera:
Produktion: TV60 Filmproduktion
Drehbuch: Friedrich Ani und Ina Jung
Regie: Anno Saul
Kamera: Nathalie Wiedemann
Produzenten: Andreas Schneppe und Sven Burgemeister
Kriminalhauptkommissar Ludwig Schaller (Alexander Held) hat sie nicht alle. Er hat ein besonderes Talent für seinen Beruf und ein exzellentes, herausragendes Verständnis für logische Zusammenhänge. Aber er tickt nicht ganz richtig. «München Mord» bemüht sich schon seit seiner Premiere vor dreieinhalb Jahren, seine exzentrische Hauptfigur als die Fleisch gewordene Symbiose aus Genie und Wahnsinn zu zeichnen – und das Verb „bemüht“ drückt besonders aus, wie angestrengt das versucht wird, und wie anstrengend das Format in dessen Folge wirkt.

Dass der Fokus dieser Reihe eher auf den Ermittlern als auf den Episodenrollen oder dem Mord-Plot liegt, lässt sich in ihrer neuen Folge schon an der Eröffnung erkennen, die ausführlich die Charaktere in ihrer jeweiligen aktuellen Verfassung vorstellt, bevor der Fund einer frischen Wasserleiche in der Isar ihren Alltag unnötig stört. Durch eine Verkettung von Zufällen und noch mehr Zufällen stellt das Drehbuch weiterhin sicher, dass sich die Privatgeschichten des Ermittlertrios möglichst durchgehend mit dem Fall vermischen, in dem sie ermitteln.

Schnell stellt sich heraus, dass der Tote sein sehr attraktives Äußeres gerne zu Geld machte: Als Mann für gewisse Stunden hat er betuchten Frauen sexuelle Dienstleistungen angeboten. Kommissarin Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen) bringt das natürlich auf gewisse Ideen. Da sie sich im Privaten ohnehin gerade ziemlich einsam zu fühlen scheint, verbindet sie folgerichtig das Angenehme mit dem Nützlichen, bucht sich über die Agentur, für die das Mordopfer gearbeitet hatte, einen Callboy, und hört ihn kräftig aus, bevor es zur Sache geht. Um ihre (betont weiblich inszenierten) Hemmungen zu überwinden, säuselt ihr der Gigolo angenehme Sätze ins Ohr, wie selbstbewusst und attraktiv sie sei, was sie der Charakterwandlung wegen und ihrem Intellekt unangemessen erst sehr viel später endgültig als typische Callboy-Masche erkennen darf. „Auf der Straße, nachts, allein“ ist in diesen Szenen und Sequenzen, die in sich das Potential tragen, psychologisch besonders interessant zu sein, lieber effekthascherisch als narrativ ambitioniert – und schlägt damit den Bogen zum Plot um Flierls Kollegen Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier):

Der ist nämlich seit zwei Monaten mit einer attraktiven, kultivierten, intelligenten Frau zusammen, die jedoch kein Interesse hat, ihre Anbandelei zu einer Beziehung mit allen Konsequenzen zu verfestigen. Als ihre Handynummer dann noch im Telefonbuch des toten Callboys auftaucht – ja, in «München Mord» werden Telefonnummern der Dramaturgie wegen immer noch analog gesammelt – läuten bei Neuhauser freilich alle Alarmglocken. Anstatt bei seinem Dienstvorgesetzten reinen Tisch zu machen, ermittelt er freilich auf eigene Faust weiter, widerstreitende Interessen hin oder her. „Ich müsste dich entbinden wegen Befangenheit, aber ich brauche objektive Ermittlungen“, gibt der forciert kauzige Kriminalhauptkommissar Schaller später als Dienstanweisung raus, als er doch endlich dahinterkommt. So geht das in Bayern.

Während „Reiß dich zusammen, Neuhauser!“ so zum Leitmotiv dieses Krimis wird und „die bürgerliche Fassade“ zur Implosion gebracht werden soll, offenbart sich gleichzeitig, wie sehr sich «München Mord» an den Themen verhebt, die es angeht: selbstbestimmte, aufrichtige Sexualität, Einsamkeit, Ausgeschlossenheit. Denn statt einer emotional einnehmenden, sinnhaften Auseinandersetzung bietet uns diese Folge wenig mehr als aufgeblasene Schlagwörter und alberne Allegorien. Die sonderbare Hauptfigur verstärkt diesen Eindruck noch, wenn man sie mit einschlägigen Vorbildern vergleicht: Denn diesem gezwungen eigenbrötlerischen Ludwig Schaller fehlt eben die feine psychologische Führung eines Adrian Monk, die nihilistisch-zynische Haltung eines Gregory House, die hochfunktionale Soziopathie eines Sherlock Holmes oder die fatalistische Leck-mich-am-Arsch-Einstellung eines vom Schicksal gebeutelten Peter Faber.

Das ZDF zeigt «München Mord – Auf der Straße, nachts, allein» am Samstag, den 14. Oktober um 20.15 Uhr.

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