Filmfacts: «Schneemann»
- Kinostart: 19. Oktober 2017
- Genre: Thriller
- FSK: 16
- Laufzeit: 119 Min.
- Kamera: Dion Beebe
- Musik: Marco Beltrami
- Buch: Hossein Amini, Peter Straughan, Søren Sveistrup
- Regie: Tomas Alfredson
- Darsteller: Michael Fassbender, Rebecca Ferguson, J.K. Simmons, Charlotte Gainsbourg, Val Kilmer, Chloë Sevigny, James D'Arcy, Jamie Clayton
- OT: The Snowman (UK/SWE/USA 2017)
Dabei sind nicht nur innerhalb des Endergebnisses einige indiskutable Schwachstellen auszumachen, genauso sehr kann man dem Verleih Universal Pictures vorwerfen, mithilfe des Trailers – von dem rund die Hälfte der Szenen überhaupt nicht im fertigen Film vorkommt – falsche Erwartungen geschürt zu haben. Doch ein solcher Rohrkrepierer, wie ihn die US-amerikanischen Zuschauer- und Kritikerstimmen suggerieren, ist „Schneemann“ nicht geworden; dafür sind die äußerst namhaften Schauspieler zu stark und der Thrillerplot gefällt nach klassisch-schnörkellosem Whodunit-Prinzip.
Oslo. Winter. Der erste Schnee fällt.

Der gemeine Thriller ist im modernen Kino ziemlich unterpräsent. In Zeiten, in denen große Franchises das Blockbusterkino dominieren, ist es ohnehin schwer, Stoffe finanziert zu bekommen, die für sich alleine stehen; insofern hatte das Projekt «Schneemann» wohl ganz einfach Glück, dass ihm ein Bestsellerroman zugrunde liegt, an dem sich Tomas Alfredson gleichermaßen orientiert wie entscheidende Szenen und Wendungen abändert; sein Film kommt im Gewand eines typisch düsteren Schwedenkrimis daher, der es nach Erfolgen wie «Verblendung» und diversen TV-Filmen und –Serien zugegebenermaßen schwer hat, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten. In «Schneemann» sieht alles so aus, wie man es von „denen da oben im hohen Norden“ nun mal gewöhnt ist – Kameramann Dion Beebe («Into the Woods») sorgt mit seiner Arbeit aber immerhin dafür, dass der Film optisch Leinwandausmaße erhält. Das verschneite Norwegen – von den hohen Berggipfeln bis in die kleinen, gemütlichen Städtchen – bildet die ideale Kulisse für die kühl-pessimistische Atmosphäre einer Stadt, in der die Morde eines Serienkillers lange nicht das einzige Problem sind.
Die Drehbuchautoren Hossein Amini («Verräter wie wir»), Peter Staughan («Die Wahlkämpferin») und Søren Sveistrup («The Killing») reißen im Laufe der zwei Stunden Laufzeit viele verschiedene Thematiken an, die den Eindruck erwecken, hinter den im Mittelpunkt stehenden Morden stecke so etwas wie ein großes Ganzes, das es zu entschlüsseln gilt. Da spielt in einem Nebenplot dann sogar die Ausschreibung für die Olympischen Winderspiele in Oslo eine Rolle, genauso wie Korruption, das Ausnutzen von Machtpositionen und Sexismus. So richtig zu packen kriegt man diese Themen als Zuschauer jedoch nie; dafür wirkt «Schneemann» trotz seiner ausladenden zwei Stunden bis zuletzt nicht ausgereift – Alfredson gab später selbst zu, dass er aufgrund produktionsinterner Hektik zehn bis fünfzehn Prozent des Skripts nicht mehr drehen konnte.
Her mit der Langfassung!

Das weniger Gute: Vieles im Film wirkt konstruiert, die aufgrund der bemühten Unberechenbarkeit in Kauf genommenen Logiklücken drängen sich dem aufmerksamen Zuschauer fast schon unangenehm auf. Trotzdem macht es «Schneemann» einem leicht, über derartige Dinge (zu denen aus technischer Sicht leider auch solche banalen Dinge wie Anschlussfehler gehören) hinwegzusehen, denn als über Atmosphäre und Spannung funktionierender Thriller macht der Film dann nämlich doch eine überraschend unterhaltsame Figur.

Mit einer Eisenschlinge hat «Schneemann» den inoffiziellen Kinokampf um das perfideste Mordwerkzeug 2017 auf jeden Fall gewonnen. Trotzdem könnten sich all jene Zuschauer, die sich nach den Trailern ein dynamisches Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kommissar und Mörder erhofft hatten, vom Film schlussendlich enttäuscht sein: Tomas Alfredson ist eben eher ein Freund leiser Töne.
Fazit
«Schneemann» ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite funktioniert der auf einem Bestseller von Jo Nesbø basierende Serienkillerthriller darüber, den Zuschauer bis zuletzt über den Täter im Unklaren zu lassen und bei der Auflösung schließlich zu überraschen. Auf der anderen Seite lässt Tomas Alfredson zu viele Fragen offen und Handlungsstränge ins Leere laufen, sodass der Eindruck entsteht, der Film sei vorab der Schere zum Opfer gefallen. Die Folge: Vieles wirkt konstruiert und nicht immer logisch. Unterhalten tut es trotzdem – auch Dank des starken Casts!
«Schneemann» ist ab dem 19. Oktober bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
17.10.2017 01:46 Uhr 1
17.10.2017 12:52 Uhr 2