Cast & Crew
Vor der Kamera:Maximilian Brückner als Martin Luther
Jan Krauter als Thomas Müntzer
Johannes Klaußner als Andreas Bodenstein
Aylin Tezel als Ottilie von Gersen
Frida-Lovisa Hamann als Katharina von Bora
Joachim Król als Erzbischof Albrecht
Armin Rohde als Dominikaner Hartmann
Hinter der Kamera:
Produktion: Ufa Fiction GmbH und Mia Film
Drehbuch: Stefan Dähnert und Marianne Wendt
nach einer Vorlage von Kai Hafemeister
Regie: Uwe Janson
Kamera: Michael Wiesweg
Produzenten: Benjamin Benedict und Joachim Kosack
Ein solcher Fall ist diese Produktion über Martin Luther, ausgestrahlt anlässlich des fünfhundertjährigen Jubiläums der Reformation. Doch Luther ist in einer aufgeklärten Gesellschaft eine ungünstige Persönlichkeit zur Verklärung. Der Geistliche war ein Antisemit bis ins Mark, verfasste fürchterliche Hetzschriften und propagierte, behinderte Kinder zu ermorden. Das wird gerne damit exkulpiert, dass man ihn, gerade vor dem Hintergrund seiner geistesgeschichtlichen und historischen Verdienste, als Kind seiner Zeit auffassen und werten müsse. Doch das ist freilich nicht nur eine intellektuelle Zumutung, sondern passt nicht zu jener Idee, die gerne als Leitmotiv der von Luther angestoßenen Reformation verstanden wird: Sapere Aude, der Mut zum eigenständigen Denken, das geistige Herausfordern etablierter und (über)mächtiger Autoritäten.
«Zwischen Himmel und Hölle» rühmt sich zwar in seinem Pressetext damit, die Figur Martin Luther in all ihren Widersprüchlichkeiten zeigen zu wollen. Aber von „den Juden und ihren Lügen“ und seinen absonderlichen Vorstellungen vom Wechselbalg findet sich in diesem Film: nichts.
Stattdessen wird Luther als charismatische Figur geführt, der mit schneidigen Sprüchen, klugen, überfälligen Thesen, einem messerscharfen Verstand und einer eifrigen Lust am Diskutieren die Kirche erneuern will. Diese Beschreibung mag in vielerlei Hinsicht auf den historischen Luther passen – doch das Bild, das dieser Film von ihm zeichnet, ist damit eben nicht vollständig und unterschlägt wichtige Haltungen und Weltvorstellungen. Sie hätten freilich schlecht zu einem Film gepasst, der die Reformation und ihre historische Bedeutung feiern möchte. Umso wichtiger wären sie gewesen.
Denn es hat etwas Bezeichnendes, dass Luthers charakterlicher Fehler in diesem Film Superbia ist – und nicht seine eigentliche Sünde, der Antisemitismus, und die Menschenverachtung, die er marginalisierten Gruppen seiner Gesellschaft entgegenbrachte. Ebenso fehlt die für seine Zeit typische Vulgarität, die nur den negativ geführten Figuren dieses Films gestattet wird – allen voran dem Ablass vertickenden, masochistischen, gruseligen Benediktinermönch Hermann, den Armin Rohde schaurig und abgründig darstellt. Im Gegenzug legt Hauptdarsteller Maximilian Brückner seinen Martin Luther besonders charismatisch und einnehmend an. Das gelingt ihm gleichsam gut. Wichtig wäre es aber gewesen, dieses Charisma auch zu hinterfragen.
Die besten Passagen dieses Films sind jene, in denen der Dualismus zwischen Luther und seinem Weggefährten Thomas Müntzer (Jan Krauter) erkundet und betrachtet wird. Mit seinem Leitmotiv „Omnia sunt communia“ nimmt die Reformation auch eine soziale Dimension an: Müntzer und seine Gefolgschaft plündern Klöster und verteilen deren immensen zusammengerafften Reichtum an die zahlreichen Armen und Bedürftigen des Landes; aus einer theologischen und politischen Diskussion, an der der allergrößte Teil der Gesellschaft der Zeit gar nicht teilnehmen konnte, wurde so eine Massenbewegung. Schließlich kommt es durch unüberwindliche geistige Differenzen zum Bruch der beiden Männer.
Gelungen ist in dieser Konstellation auch die Zeichnung der von Aylin Tezel äußerst stark gespielten Figur Ottilie von Gersen, einer ehemaligen Nonne, die das Kloster verlassen hat, weil es ihren Ansprüchen an ein freies Leben mit eigener Meinung und Bedürfnissen nicht gerecht werden kann. Sie nimmt die Strapazen und die Ächtung auf sich, findet schließlich in Thomas Müntzer einen ihr ebenbürtigen Partner und erweitert so das Figurenpersonal – so gut das eben geht – um eine wichtige feministische Stimme. Am Schluss sind es gerade ihre theologischen und geistigen Ansätze, die am weitesten in die Zukunft hineinreichen, denen der größte intellektuelle Wagemut innewohnt: die Vorstellung des Glaubens als eine höchstpersönliche Frage, ohne jegliche politische Implikation. Damit ist sie einer Vielzahl heutiger CSU-Politiker voraus.
Das führt uns freilich zur grundsätzlichsten Frage: Nämlich was dieser Film eigentlich soll? Sicher: Die Reformation ist ein bedeutendes Kapitel der deutschen, europäischen und westlichen Geschichte. Martin Luthers Übersetzung der Bibel ist ein Eckpfeiler des romantischen Nationalismus auf dem Weg zu einer deutschen Einigung, die geistesgeschichtlichen Ideen des Protestantismus sind in vielerlei Hinsicht philosophische Grundlagen der modernen Welt. Aber ist die für uns heute weit wichtigere Periode nicht die, die nach der Reformation kam: die des Humanismus in Renaissance und Aufklärung. Vielleicht lieber dazu mal einen Film?
Das ZDF zeigt «Zwischen Himmel und Hölle» am Montag, den 30. Oktober um 20.15 Uhr.
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