Interview

'Wir fühlten uns bestätigt in unserem Drang, die Geschichte auf unsere Weise zu erzählen'

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Wenn Hollywood plötzlich mit derselben Idee um die Ecke kommt: Die «Lockdown – Tödliches Erwachen»-Macher Bogdana Vera Lorenz und Max Permantier sprechen über ihren ZDF-Thriller und dessen Parallelen zwischen «10 Cloverfield Lane».

Wir haben den Trailer zu «10 Cloverfield Lane» im Februar 2016 gesehen und natürlich war der Schock groß. Zu dem Zeitpunkt haben wir gerade unser Projekt zur Förderung beim FilmFernsehFonds Bayern eingereicht. Das Drehbuch war also fast fertig und wir waren schon mitten in den Vorbereitungen für den Dreh im Juli 2016. Zu dem Zeitpunkt steckten bereits eineinhalb Jahre Arbeit in unserem Debütprojekt.
Bogdana Vera Lorenz und Max Permantier
Wann und wie kam die Idee zu «Lockdown – Tödliches Erwachen» zustande?
Da kamen zwei Dinge zusammen. Zum einen war der Redakteur Christian Cloos im Sommer 2014 an uns herangetreten. Er hatte unseren Kurzfilm «Heimspiel» (mit Wotan Wilke Möhring) gesehen und fragte, ob wir eine Idee für die Thrillerreihe «Stunde des Bösen» des kleinen Fernsehspiels hätten. Da es sich hier um eine Fernseh-Koproduktion und einen Erstlingsfilm handelt, war klar, dass das Budget überschaubar und die Produktionszeit knapp sein wird. Um mit diesen Möglichkeiten einen intensiven Thriller hinzubekommen, haben wir uns von Anfang an auf ein Kammerspiel konzentriert.
Der zweite Punkt, der zu unserer Story geführt hat, war, dass Bogdana als Kind einer Ostberliner Theaterfamilie mit dem Gefühl von Grenzen, Überwachung und der Frage, wie man damit umgeht, aufgewachsen ist. Für sie sind das ganz persönliche Erfahrungen, die heute leider für uns alle wieder aktuell werden. So ist eins zum anderen gekommen und wir haben einen Kammerspiel-Thriller entwickelt, bei dem es um das Eingesperrtsein und die Frage geht, ob die Figuren daraus einen Ausweg finden oder nicht.

Gab es vom Sender gesetzte kreative Grenzen jeglicher Art?
Nein, kreative Grenzen gab es keine. Mit dem kleinen Fernsehspiel hatten wir einen aufgeschlossenen Partner zur Seite, der uns in allem unterstützt hat. Wir haben mit unserem Redakteur Christian Cloos die verschiedenen Drehbuchfassungen eingehend diskutiert, er hat uns dramaturgisch und später auch in der Produktion immer konstruktiv unterstützt, ohne uns einzuschränken.
Da das Projekt innerhalb der Reihe «Stunde des Bösen» beim ZDF - das kleine Fernsehspiel entstanden ist, gab es aber klare Rahmenbedingungen, die für alle vier Filme der Reihe galten. So sollten alle unter weiblicher Regie stattfinden und in 2017 ausgestrahlt werden. Die Filme hatten also alle einen hohen Zeitdruck, was für Erstlingsfilme außergewöhnlich ist. Für alle vier Filme gab es auch dasselbe Budget vom Sender. Somit waren es eher Zeit und Budget, die uns eingeschränkt haben.

Wie weit war die Produktion eigentlich vorangeschritten, als Sie der «10 Cloverfield Lane»-Trailer ereilte?
Wir haben den Trailer zu «10 Cloverfield Lane» im Februar 2016 gesehen und natürlich war der Schock groß. Zu dem Zeitpunkt haben wir gerade unser Projekt zur Förderung beim FilmFernsehFonds Bayern eingereicht. Das Drehbuch war also fast fertig und wir waren schon mitten in den Vorbereitungen für den Dreh im Juli 2016. Zu dem Zeitpunkt steckten bereits eineinhalb Jahre Arbeit in unserem Debütprojekt.

«10 Cloverfield Lane» war ja wie ein kleines Geheimprojekt von J. J. Abrams. Er hat es sehr lange unter Verschluss gehalten und damit dann natürlich maximale Aufmerksamkeit erzielt, was ansonsten für ein Kammerspiel auch in Hollywood wohl nicht so einfach gewesen wäre. Neben dem Schock fanden wir es aber auch ziemlich erstaunlich, dass die beiden Filme so eine verblüffend ähnliche Prämisse haben - ein psychologisches Kammerspiel mit 3 Figuren. Eine weibliche Protagonistin, die nicht weiß, ob sie gerettet worden ist oder beschützt wird, während draußen angeblich eine Katastrophe tobt.

Wir denken ein solches Phänomen lässt sich nur mit einem Wort erklären – Zeitgeist. In so einem Stoff manifestiert sich die heraufziehende globale Krise. Als wir 2014 angefangen haben «Lockdown - Tödliches Erwachen» zu entwickeln, wirkte so eine Figur wie Veith noch ziemlich fiktional: ein Prepper, dessen skeptisches Weltbild von Verschwörungsszenarien geprägt ist und seine Wohnung in einen Bunker umbaut. Als wir diesen Sommer die Arbeit an unserem Film beendet haben, ist Donald Trump Präsident, der Terror tägliches Thema und die Angst vor einem weltweiten Atomkonflikt real.

Wir denken ein solches Phänomen lässt sich nur mit einem Wort erklären – Zeitgeist. In so einem Stoff manifestiert sich die heraufziehende globale Krise. Als wir 2014 angefangen haben «Lockdown - Tödliches Erwachen» zu entwickeln, wirkte so eine Figur wie Veith noch ziemlich fiktional: ein Prepper, dessen skeptisches Weltbild von Verschwörungsszenarien geprägt ist und seine Wohnung in einen Bunker umbaut. Als wir diesen Sommer die Arbeit an unserem Film beendet haben, ist Donald Trump Präsident, der Terror tägliches Thema und die Angst vor einem weltweiten Atomkonflikt real.
Bogdana Vera Lorenz und Max Permantier
Was war Ihre Reaktion darauf – und wie lief danach die produktionsinterne Kommunikation und die zum Sender ab, wurde die Situation zum Thema für die erweiterte «Lockdown»-Familie?
Es waren gemischte Gefühle. Wir hatten Angst, dass unser Film an dieser Ähnlichkeit scheitern könnte, aber wir fühlten uns auch bestätigt, in unserem Drang die Geschichte auf unsere Weise zu erzählen. Denn es gibt ja auch deutliche Unterschiede – bei uns sind die beiden „Insassen“ ein Paar, die eine komplexe Backstory in der Biotech-Branche haben, die sie wiederum sehr eng mit der Katastrophe draußen verzahnt. Wir haben keine Aliens – im Gegenteil, die „Monster“ sind die Gefangenen selber, die sich ihrer Verantwortung stellen müssen.

Natürlich haben wir darüber mit unseren Finanzierungspartnern geredet. Zunächst mit unserem Redakteur. Er hat ganz klar die Unterschiede, was Thema und Verstrickungen angeht, gesehen und stand deshalb hinter uns. Auch die anderen Partner haben unserem Projekt vertraut. Das Drehbuch, der Cast (Alice Dwyer, Götz Schulte, Maximilian Meyer-Bretschneider) und der Produktionsrahmen haben überzeugt. Was letzteren betrifft, sind die beiden Filme natürlich nicht zu vergleichen. «10 Cloverfield Lane» hatte ungefähr 30 Mal mehr Budget als wir, große Namen an Bord und das Studiobackup mit einem enormen Marketingbudget.

Wann wurde «Lockdown» fertiggestellt?
Unser Dreh endete im August 2016. Knapp ein Jahr danach, im Juli 2017, war unsere Arbeit an «Lockdown - Tödliches Erwachen» beendet.

Gab es Überlegungen, den unglücklichen Zufall im Pressematerial gezielt zu adressieren?
Als Künstler möchte man ja nicht, dass sein Werk permanent mit einem ähnlichen Werk verglichen wird. Es soll für sich sprechen und die Zuschauer entweder mitnehmen, oder nicht.
Bogdana Vera Lorenz und Max Permantier
Ja, wir haben uns kurz überlegt, ob wir proaktiv darauf eingehen. Es gab sogar in der Postproduktion die Überlegung, ob wir nicht noch im Film selbst ein auf «10 Cloverfield Lane» referenzierendes Element einbauen, um kurz die vierte Wand zu brechen. Beide Überlegungen haben wir aber beiseite gelegt. Es hätte der Selbstständigkeit unseres Films nur geschadet. Als Künstler möchte man ja nicht, dass sein Werk permanent mit einem ähnlichen Werk verglichen wird. Es soll für sich sprechen und die Zuschauer entweder mitnehmen, oder nicht.

Haben Sie für Verwunderung über die Parallelen zwischen «10 Cloverfield Lane» und Ihrem Film Verständnis? Der Produktionszeitraum ist ja dem Außenstehenden nicht bekannt …
Natürlich, absolut. Es passiert ja wirklich nicht alle Tage, dass so etwas vorkommt. Dass jedoch die Gemeinsamkeiten so auffällig sind, liegt auch daran, dass wir es hier mit zwei Kammerspielen zu tun haben, die sich ihre Prämisse teilen. Von Natur aus ist man da in den Handlungsräumen, Personen und Verwicklungsmöglichkeiten beschränkt. Beide Filme entwickeln sich hin zum selben Story-Höhepunkt, der Antwort auf die Frage, ob der Anschlag stattgefunden hat, oder nicht. Dass es Ähnlichkeiten auf dem Weg dahin gibt, ist fast unausweichlich. Innerhalb der Beschränkung auf einen Raum und drei Personen gibt es nur eine begrenzte Zahl an möglichen Auslösern für aktives Handeln. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei verschiedene Autoren sich für dieselbe Antwort auf eine dramaturgische Frage entscheiden.

Wir würden uns wünschen, dass man bei aller Ähnlichkeit auch die erheblichen inhaltlichen und inszenatorischen Unterschiede wahrnimmt. Für diejenigen, die das tun, könnten sich dadurch auch interessante Fragen ergeben - wie wurde eine ähnliche Geschichte zur selben Zeit in zwei verschiedenen kulturellen Räumen von sehr unterschiedlichen Filmemachern erzählt - und vor allem: zu welchen unterschiedlichen Aussagen gelangen sie?
Bogdana Vera Lorenz und Max Permantier
Wir haben uns aber innerhalb dieses Rahmens für eine Geschichte entschieden, in der es nicht nur die Haupt-Story gibt, die den Thriller vorantreibt. Auf der zweiten Ebene geht es vor allem um das Beziehungsdrama zwischen Liv und Lex, sowie deren inneren Konflikt rund um ihre Arbeit als Virologen. Daraus ergibt sich eine ganz andere Dynamik. Unsere Zuschauer erleben über den Versuch der jungen Frau, zu entkommen, hinaus einfach noch etwas mehr - ein komplexes menschliches Beziehungsgeflecht und überraschende Wendungen bis zum Schluss.

Wir würden uns wünschen, dass man bei aller Ähnlichkeit auch die erheblichen inhaltlichen und inszenatorischen Unterschiede wahrnimmt. Für diejenigen, die das tun, könnten sich dadurch auch interessante Fragen ergeben - wie wurde eine ähnliche Geschichte zur selben Zeit in zwei verschiedenen kulturellen Räumen von sehr unterschiedlichen Filmemachern erzählt - und vor allem: zu welchen unterschiedlichen Aussagen gelangen sie?

Wer den Film im TV verpasst hat: «Lockdown – Tödliches Erwachen» lässt sich in der ZDF-Mediathek nachholen.

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