Popcorn & Rollenwechsel

Popcorn, Rollenwechsel und Kritikerklischees: Die Lärmritter der Bäckertüte

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Da frohlockt das Hater-Herz: Manche Kritiker nerven, selbst wenn sie weder etwas sagen, noch etwas schreiben. Unser (vielleicht etwas kleinlicher) Kolumnist verrät, wann genau …

Pressevorführungen beginnen üblicherweise nicht vor 10 Uhr morgens – frühere Termine stellen absolute Ausnahmen dar. Kino um 10 Uhr – das ist für Leute außerhalb des Metiers unmenschlich früh. Das bekomme ich jedes Mal zu hören, wenn ich mal Begleitungen mitnehmen darf oder aber selber zu Kinoevents zu solch früher Stunde einlade. Doch an und für sich ist 10 Uhr eine sehr humane Uhrzeit.

10 Uhr, das ist spät genug, damit alle das Frühstück bereits hinter sich gebracht haben dürften. Entweder, weil sie in der Nähe des Veranstaltungsorts wohnen und zuhause frühstücken konnten, oder aber, weil sie zum Kino pendeln mussten und problemlos im Zug, im Bus oder auf dem Weg vom Parkplatz zum Foyer Gelegenheit hatten, ihren beim Bäcker erworbenen Snack wegzumampfen. Gleichzeitig ist 10 Uhr früh genug, damit die ersten PVs nicht in die übliche Mittagszeit fallen. Anders gesagt: Es gibt keinen Grund, um während einer 10-Uhr-Pressevorführung eine Fressorgie zu veranstalten. So der naive, leichtgläubige Gedanke.

Die Realität sieht anders aus. In einem Großteil der Pressevorführungen gibt es immer mindestens ein Exemplar (je nach Menge der Anwesenden kann diese Gruppe bis zu zwölf Vertreter umfassen), das sich denkt: "So, ich hatte in meinen eigenen vier Wänden noch keinen Hunger. Während meiner 87 Minuten Pendelfahrt hier her, bei der ich drei Mal umgestiegen bin, habe ich mich vor den vielen Fremden geschämt, meinen saftigen Bäckereinkauf wegzuknuspern, und als ich um 9.30 Uhr im Kino ankam, da musste ich ja erst Mal mit Kollegen quatschen, da konnte ich auch nicht essen. Jetzt, wo der Film anfängt, da kann ich endlich mein Frühstück nachholen!"

Und, klar: Ich will hier kein Kulinarik-Fascho sein, der Leuten vorschreibt, wann sie ihr Frühstück zu sich zu nehmen haben. Jeder Mensch wie er mag! Aber … So ein Hauch Respekt vor der Kunst und seinem Umfeld, ist das zu viel verlangt? Kann man an PV-Tagen nicht eine Ausnahme machen und vor 10 Uhr oder nach JenachdemwielangderFilmhaltist Uhr frühstücken?

Es wäre ja auch nicht so ein Drama, wären die Lärmritter der Bäckertüte von der leisen Seite auf dem Spektrum der Essensgeräusche. Aus irgendeinem verschwörerischen Grund kommen diese Typen aber stets während stummer Szenen oder sehr leisen, emotional wichtigen Dialogmomenten auf die Idee, an ihrem Platz rumzukramen, die Bäckertüte aufzuknistern, ihren ersten Snack halb aus ihr rauszuschieben, und ihn dann mit der bei jeder Bewegung knirschenden Papiertüte in der Hand wegzuknuspern und hinfortzuschmatzen. Dann knüllen die Kollegen die Tüte wieder zu, verstauen sie geräuschvoll, nur um sie dann zehn, 15 Minuten später wieder in einer leisen Szene hervorzukramen und das Spiel mit Snack Nummer zwei zu wiederholen.

Und, ja, ich habe bewusst durchweg die männliche Form gewählt, denn es sind, weshalb auch immer, stets Männer, die mit ihrem geräuschvoll vollzogenen Frühstück ihre Mitmenschen zudröhnen, während diese versuchen, einem Film zu folgen. Vielleicht sind Frauen einfach klüger, was das Abstimmen ihrer Mahlzeiten angeht …

Den lärmenden Vogel schoss aber neulich ein Zuspätkommer ab, den ich hiermit zum Obersten Lärmritter der Bäckertüte ernennen möchte. Zehn Minuten nach Filmbeginn stapft er in den maximal zu einem Drittel gefüllten Saal, setzt sich neben mich und verharrt während der sich gerade auf der Leinwand abspielenden Actionszene regungslos auf seinem Platz … Dann kommt es zu einem ausführlichen Expositionsdialog. Währenddessen entledigt sich der Gute seiner Jacke und nimmt dann seinen Rucksack auf den Schoß, um ganz tief aus dessen Inneren eine Bäckertüte zu kramen. Er packt den Rucksack auf den freien Platz zu seiner Linken, und dann zerreißt er die Bäckertüte komplett, um sie als Schoßserviette auf seine Oberschenkel zu legen.

Daraufhin versucht er, sie glattzustreichen (was bei einer ziemlich zerknüllten Bäckertüte ebenso lange dauert wie es laut ist). Meine strengen Blicke ignoriert er, um dann aus seinem Rucksack geräuschvoll eine leere Tüte rauszukramen, die er öffnet, um da seinen Snack halb reinzustecken (damit es weniger rumkrümelt, ist ja klar). Zu diesem Zeitpunkt habe ich ihm schon längst zugeflüstert, dass das nervt, aber offenbar war der Kollege taub. (Er scheint den Film, der ohne Untertitel gezeigt wurde, also nur ob seiner Bilder zu besprechen). Es kommt zu einer Actionszene, während der er wie eingefroren sitzen bleibt, aber, oh, ihr könnt euch denken, was beim nächsten Dialog passierte …

Obwohl, nein, könnt ihr nicht … Denn da die Szene was länger ausfiel, hatte er die Gelegenheit, seinen Snack aufzuessen, beide Bäckertüten kleinzuknüllen und dann einen zweiten Snack aus dem Rucksack zu kramen und den ganzen Mist zu wiederholen!

Und da beschweren sich Normalsterbliche über gelegentliches Popcorngeraschel in "richtigen" Kinovorführungen …

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