Filmfacts: «Fikkefuchs»
- Kinostart: 16. November 2017
- Genre: Satire
- FSK: 16
- Laufzeit: 101 Min.
- Kamera: Ferhat Topraklar
- Musik: Rainer Oleak
- Buch: Jan Henrik Stahlberg, Wolfram Fleischhauer
- Regie: Jan Henrik Stahlberg
- Darsteller: Jan Henrik Stahlberg, Franz Rogowski, Thomas Bading, Susanne Bredehöft, Jan Pohl
- OT: Fikkefuchs (DE 2017)
Dabei ist «Fikkefuchs» von der Idee her eigentlich das Beste, was dem Kino nach dem großen Weinstein-Skandal und der darauf folgenden „MeToo“-Kampagne passieren kann, denn der ohnehin für seine polarisierenden Werke bekannte Jan Henrik Stahlberg («Einsamkeit und Sex und Mitleid») liefert mit seiner dritten Regiearbeit eine schonungslose Satire auf fehlgeleitete Männlichkeitsideale ab, die bewusst auf den Magen schlägt und die man danach nicht noch einmal sehen will. Gleichwohl hat sich bislang noch Niemand so frei mit einem Thema befasst, das veraltet scheint, jedoch noch lange nicht ist.
Die Frau als Objekt
Es gab mal eine Zeit, da konnte der gebürtige Wuppertaler Rocky (Jan Henrik Stahlberg) sie alle haben. Er spielte französische Chansons und die Frauen schmolzen reihenweise dahin. Das ist zwar längst vorbei, aber als der kürzlich aus der „Klappse“ geflohene Thorben (Franz Rogowski) vor seiner Tür steht, wird er noch einmal herausgefordert. Der junge Mann, der behauptet sein Sohn zu sein, weiß nicht, wie man Frauen flachlegt und Rocky soll es ihm beibringen. So gehen sie auf die Jagd: Junge, schöne Frauen sollen es sein, die nur auf sie gewartet haben – sagen sie.
Man muss «Fikkefuchs» nicht mögen. Im Gegenteil: Jan Henrik Stahlberg, der die Regie, das Skript sowie eine der beiden Hauptrollen in Personalunion übernahm und seinen Film als No-Budget-Projekt via Crowdfunding inszenierte, stößt sein Publikum von der aller ersten Szene an immer wieder brutal vor den Kopf. Seine beiden „Protagonisten“ werden nicht bloß als gewaltige sexistische und sich maßlos in ihrer Wirkung auf Frauen überschätzende Arschlöcher etabliert, sie bleiben es auch bis zum Schluss. Interessant ist dabei: Trotzdem machen Rocky und Thorben einen charakterlichen Wandel durch, der sie zwar nicht zu besseren Menschen werden lässt, sie allerdings zu (Fehl-)Erkenntnissen führt, zu denen sie ohne das Geschehen auf der Leinwand vermutlich nicht gelangt wären. Trotzdem geben sich Jan Henrik Stahlberg und Franz Rogowski («Happy End») in ihren jenseits jedweder Tabus und Eitelkeiten stattfindenden Performances Mühe, ihre durchaus karikiert konzipierten Figuren wie der Inbegriff des sexistischen Widerlings aussehen zu lassen.
Rogowski legt seinen Schwerpunkt dabei auf die generelle Dreistigkeit im Umgang mit Frauen und schiebt dabei noch nicht einmal eine Art höheres Ziel vor, während Jan Henrik Stahlberg den Part eines gealterten Möchtegerncasanovas übernimmt (bis zuletzt bleibt offen, ob die Erzählungen wahr oder ausgedacht sind), der ein ganz ähnliches Frauenbild hat, dieses allerdings dahinter versteckt, ja eigentlich ein ganz charmanter Kerl zu sein – und sich damit als das noch viel größere Arschloch entpuppt.
Bis an die Grenzen des guten Geschmacks und darüber hinaus
Beide Darsteller gehen in bester Weise in ihren widerlichen Rollen auf, kennen keine Scheu darin, Nacktheit vor der Kamera zu zelebrieren und agieren so authentisch, wie man es in solchen Projekten benötigt, um die begrenzten Budgetmittel in einen Vorteil umzukehren; so erweckt «Fikkefuchs» in vielen Szenen einen fast schon dokumentarischen Eindruck und schafft es, die angesprochenen Thematiken noch glaubhafter anzusprechen. Für den Zuschauer hat das allerdings nicht immer nur Vorteile, denn dabei zuzusehen, wie das Duo unterwegs die Handykamera zwischen die Beine fremder Frauen hält, gleichermaßen hilflose wie dummdreiste Baggerversuche an fremden Damen startet und bei entsprechenden Abfuhren zu pöbeln beginnt, ist mitunter schmerzhafter mit anzusehen, als einige um der Provokation Willen im Film untergebrachte Momente, die lediglich die Grenzen des guten Geschmacks ausloten, zur Handlung hingegen nichts beitragen.
In der Beobachtung seiner Figuren ist Jan Henrik Stahlberg dann allerdings wieder sehr differenziert und subtil; so sind Thorben und Rocky etwa zu keinem Zeitpunkt aggressive Männer (wenn die beiden im Hausflur täglich aus Versehen über ein im Weg stehendes Bobby Car stolpern, stellen sie es immer wieder brav an die Wand, anstatt sich darüber aufzuregen, wie sie es etwa im Zusammenhang mit den vielen ins Leere laufenden Flirts tun), aber doch sind sie gleichermaßen weit entfernt von der typischen „Boys Will Be Boys“-Ausrede. «Fikkefuchs» zeichnet schmerzhaft und auf extrem überspitzte Weise nach, was passieren würde, hätte sich das Mann-Frau-Bild von vor Jahrzehnten, einhergehend mit den damit verbundenen Selbstverständlichkeiten konsequent durchgesetzt und weiterentwickelt, und haut diese Erkenntnisse dem Zuschauer nur so um die Ohren, bis sich offenbart, dass in den diversen Vollprolls in Wirklichkeit auch nur bemitleidenswerte Würstchen stecken.
Besonders spannend wird «Fikkefuchs» allerdings immer dann, wenn Jan Henrik Stahlberg und sein Co-Autor Wolfram Fleischhauer («Muxmäuschenstill») nicht bloß die Gedanken des männlichen Geschlechts auseinander nehmen, sondern sich auch an die abstrakten (und bisweilen durchaus paradoxen) Vorstellungen von Emanzipation und Feminismus wagen. Das kommt insgesamt zwar etwas zu kurz, doch die interessantesten Erkenntnisse liefert «Fikkefuchs» somit im Vorbeigehen. Wenn sich Thorben freimütig aus einer versuchten Vergewaltigung herauszureden versucht, indem er als Argument anwendet, sein Fast-Opfer hätte mit ihren offen zur Schau gestellten Brüsten ja regelrecht darum gebettelt, mit ihm zu schlafen, stellt Stahlbergen derartigen geistigen Verirrungen das Prinzip von Swingerpartys gegenüber oder zeigt eine splitterfasernackte Saunabesucherin, die ihrem männlichen Gegenüber kokett grinsend ihren Schambereich zeigt.
«Fikkefuchs» ist ein Tanz auf der Rasierklinge, immer balancierend zwischen Anklage, Provokation und Entlarvung existenter Missstände. Dass dabei nicht jede Aussage voll ins Schwarze trifft, ist unumgänglich, genauso wie der Film in mancherlei Kommentar durchaus subtiler hätte sein dürfen (wenn Thorben etwa durch die Innenstadt Berlins läuft, um dort Frauenbrüste und –Hintern zu filmen, bleibt er vor einer riesigen Werbetafel stehen, auf der sich eine halbnackte Frau im Auftrag einer bekannten Marke räkelt – geduldeter Sexismus in der Werbebranche eben), doch letztlich ist «Fikkefuchs» einfach viel zu gut darin, endlich mal auszusprechen, was ausgesprochen gehört.
Fazit
«Fikkefuchs» guckt man einmal und nie wieder – und genau das ist gut so! Auch wenn Jan Henrik Stahlberg hier und da über das Ziel hinaus schießt, ist seine tabulose Satire auf ein gestörtes Mann-Frau-Verhältnis eine treffsichere Analyse über nach wie vor existierende Missstände in unserer Gesellschaft.
«Fikkefuchs» ist ab dem 16. November in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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