Cast & Crew
Vor der Kamera:Louis Hofmann als Jonas Kahnwald
Oliver Masucci als Ulrich Nielsen
Caroline Eichhorn als Charlotte Doppler
Andreas Pietschmann als der Fremde
Lisa Vicari als Martha Nielsen
Moritz Jahn als Magnus Nielsen
Daan Lennard Lebrenz als Mikkel Nielsen
Hinter der Kamera:
Produktion: Wiedemann & Berg Television
Schöpfer: Baran bo Odar und Jantje Friese
Executive Producer: Baran bo Odar, Jantje Friese, Max Wiedemann, Quirin Berg und Justyna Müsch
Kamera: Nikolaus Summerer
Der Suizident war der Vater des 16-jährigen Jonas Kahnwald (Louis Hofmann). Seine Mutter scheint der Freitod ihres Mannes nicht sonderlich mitzunehmen: Sie vergnügt sich mit dem Polizisten Ulrich Nielsen (Oliver Masucci), der selbst mit einer anderen Frau verheiratet ist, mit der er drei Kinder hat, die wiederum mit Jonas befreundet sind.
Ulrichs akutes Problem ist derweil beruflicher Natur. Denn im beschaulichen Spielort Winden taucht ein Jugendlicher seit zwei Wochen nicht mehr auf: Er ist wie vom Erdboden verschluckt, und obwohl er schon früher öfter von seinen degenerierten Eltern weggelaufen ist, deutet diesmal immer mehr daraufhin, dass ihm etwas zugestoßen ist. In der örtlichen Schule werden Sitzungen mit den verstörten Eltern des Dorfes abgehalten, die Polizei tappt im Dunkeln. Ulrichs Kinder und Jonas, der ein Auge auf Ulrichs Tochter geworfen hat, hecken derweil einen Plan aus, mit dem sie dem Verschwinden ihres Schulkollegen etwas Positives abgewinnen könnten: Im Wald gibt es eine Höhle, in der der abhanden gekommene Jugendliche immer seine umfangreichen Drogenvorräte gebunkert haben soll: Die will die Bande an sich reißen. Dass es dabei zu einem Unglück kommt, dürfte sich von selbst verstehen.
Es ist ungewöhnlich, dass sich Netflix für seine erste deutsche Serienproduktion des Thriller-Mystery-Genres annimmt. Schließlich haben sich seine bisherigen europäischen Serien, ob das französische «Marseille», die spanischen «Chicas del Cable» oder das italienische «Suburra» immer damit begnügt, im jeweiligen Markt typische Erzählmuster nachzubauen. An deutschen Mystery-Serien hat es zumindest in der jüngsten Vergangenheit jedoch nur ein relevantes Beispiel gegeben: «Weinberg», das – ähnlich wie «Dark» – dem breiten Publikum vorenthalten blieb und nur für zahlende Zuschauer zu sehen war.
Man erkennt freilich sofort, welche Formate für «Dark» Pate gestanden haben – und das sind keine deutschen. Die düstere Atmosphäre, die seltsam entrückt gezeichneten Charaktere im Dorf, von denen einige vermeintlich verrückt oder zumindest ziemlich tattrig sind, der wabernde Nebel in der unwirtlichen Gegend, die trist grauen Bilder, von denen trotz oder gerade wegen ihrer trostlosen Komposition doch eine gewisse Heimeligkeit ausgeht. Das Vorbild von «Dark» ist klar «Twin Peaks», während Anklänge an «Stranger Things» wohl rein zufällig, aber eben unvermeidlich sind. Ob sich die Macher bewusst an ihnen orientiert haben, ist ohnehin vollständig nebensächlich. Und genau deshalb gelingt diese Serie so gut: Denn auch wenn sie stark von großen Kunstwerken des Fernsehens inspiriert ist, versteht sie dieses Spannungsverhältnis zwischen eigenem künstlerischen Schaffen und (vermeintlichem?) Vorbild perfekt: «Dark» kupfert nicht ab, baut nicht nach, klaut sich nichts zusammen, schreibt nicht ab.
- © Netflix
Barab bo Odar und Jantje Friese ist eine Serie von enormer erzählerischer Stärke gelungen – doch «Dark» gelingt nicht nur dadurch, dass die Anklänge an ein Vorbild vom Kaliber eines «Twin Peaks» frei von Anmaßung und Lächerlichkeit sind, sondern dass die Serie auch dann noch funktioniert, wenn man sie außerhalb dieses Kontexts betrachtet. «Dark» ist weder Plagiat noch Hommage, weder Anspielung noch Imitation, sondern schafft sich einen eigenen, unabhängigen mystischen Kosmos, der in sich vollständig sinnhaft ist.
Interessant – und wohl ein erstes auszeichnendes Merkmal – ist dabei, dass sich «Dark» mit einschlägigen amerikanischen Produktionen wesentlich treffsicherer vergleichen lässt als mit deutschen Serien. Zwar ist die Ästhetik mit all den Mietshäusern, den großen Schulaulas mit ihren quietschgelben 80er-Jahre-Metall-Türen, muffigen Klassenzimmern und abgestanden grauen Brandschutzdecken eine unverkennbar deutsche, die Kameraführung mit ihren weiten Winkeln und ihren zahlreichen Tracking Shots jedoch eine ebenso unverkennbar amerikanische. Das ist Think local, act global kohärent zu Ende gedacht: Der Handlungsort ist für ein deutsches Publikum klar als Heimat erkennbar, der Stil allerdings für ein internationales wie ein mit angelsächsischen Formaten sozialisiertes deutsches Publikum unaufdringlich und fügt sich nahtlos in die Tradition von «Twin Peaks», «Stranger Things» und ähnlichen Formaten ein. Nur dass der Spielort diesmal eben in Europa ist.
Die besondere atmosphärische Qualität von «Dark» liegt mitunter an der Zeit, die sich die Serie jenseits der Erzählung ihres dichten Plots nimmt, um eingehend diesen Ort und seine Bewohner zu betrachten. Dort ist alles umgeben von einem Gefühl von Mystik, des Verschworenen und des Geheimnisses, aber es geht nicht so sehr darum, was dieses Geheimnis nun genau ist. «Dark» ist reich an Symbolkraft, und diese Symbolkraft ist eine örtlich klar verwurzelte: Über dem Ort thronen die grauen Kühltürme eines Atommeilers, in dem sich, was die Serie schon früh vorstellt, wohl nicht ganz legale Dinge abspielen. Aus der nahegelegenen Höhle dringen seltsame Geräusche. Das provinzhafte Winden ist durchdrungen von einer Gefahr, aber diese Gefahr scheint niemanden sonderlich zu erschüttern, als lebte man schon lange mit ihr, als erwartete man gar, dass nun im Jahr 2019 wieder etwas Schreckliches passieren würde. Und trotzdem lebt man weiter – ganz wie in Twin Peaks, Washington. Und genau wie jener bekannte Ort im Westen Amerikas wirkt dieses Winden seltsam real und gruselig apokalyptisch zugleich.
Komplettiert wird das mit großem narrativen Gespür verfasste Drehbuch und die feinsinnige, außerordentlich kunstvolle Inszenierung von einem handverlesenen Cast, der in seiner wunderbar bedachten Besetzung die Eigenschaft dieser Serie als Ensemblestück zementiert. Es fällt schwer, präzise zu sagen, wer die Hauptfigur dieses Stoffs ist, weil «Dark» gerne die Blickwinkel wechselt, mit großem psychologischen Interesse und erzählerischem Fingerspitzengefühl verschiedene Milieus des Ortes zeigt: die Jungen, die Alten, die Erwachsenen, die Marginalisierten, die Exzentrischen, die Angepassten, die Mahner, die Verdränger.
Mit Sicherheit ist Louis Hofmann in seiner Rolle als Jonas Kahnwald der Erste, der besonders positiv auffällt. Denn seine Figur führt uns in diese Serie hinein, mit ihr verbringen wir die ersten Minuten hauptsächlich, und sofort fällt sein filigranes Spiel dieser fragilen Rolle auf. Bald darauf sticht Oliver Masucci als Ulrich Nielsen heraus, der unter den vielen Gesichtern ein außerordentlich markantes bleibt und dem Zuschauer einen Anker bietet, sich in dem großen Cast nicht zu verlieren. Lisa Vicari und Moritz Jahn fallen als Darsteller der jüngeren Figuren derweil mit besonderem spielerischen Geschick auf, das ihre Charaktere ebenbürtige Rollen mit den erwachsenen Protagonisten werden lässt.
Schon nach wenigen Minuten lässt «Dark» seine Zuschauer nicht mehr los. Eine solche Sogwirkung können nur besonders klug geschriebene und gekonnt inszenierte Stoffe auslösen. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es gerade das Serienentwicklungsland Deutschland ist, das den ersten europäischen Netflix-Stoff liefert, der mit seinen amerikanischen Pendants ernsthaft mithalten kann.
Netflix zeigt mit «Dark» ab dem 1. Dezember seine erste deutsche Serieneigenproduktion.
Es gibt 27 Kommentare zum Artikel
23.11.2017 12:44 Uhr 1
Aber jetzt kommen wahrscheinlich wieder Kommentare die mich in die Hölle wünschen, aber ich sehe wenigstens klar und nicht nur Eingeschränkt!
23.11.2017 13:17 Uhr 2
Das ist ja ein recht hartes urteil. Hast du die Serie bereits gesehen?
23.11.2017 14:53 Uhr 3
23.11.2017 15:05 Uhr 4
Ihr habt schon sooft richtig guten Werken in ARD und ZDF weniger als 35% oder noch weniger gegeben und, und, dann kommt das große Netflix daher und ihr seit wahrscheinlich schon echt verblendet....
23.11.2017 15:13 Uhr 5
Ich finde den Trailer weiterhin sehr interessant und selbst wenn viel kopiert wird, lieber gut kopiert als schlecht selbst gemacht.
Ich freue mich auf die Premiere und gebe gerne ein paar Vorschusslorbeeren. Es muss natürlich dann auch was geliefert werden.
23.11.2017 17:10 Uhr 6
Einige für,meinen Geschmack, gute Filme haben nur zwischen 40 und 70% bekommen während die richtig schlechten(z.B. "Unfriended") Bewertungen zwischen 80 und 90% bekommen haben,was überhaupt nicht nachvollziehbar ist.
Aber 100%?! Muss man nicht auch als "Medienmagazin" Werbung vom redaktionellen Inhalt trennen? Wenn es 100% gibt, kommt mir das automatisch komisch vor und da denke ich ihr wurde von Netflix für diese "Kritik" bezahlt. Muss man dies nicht dann als "Werbung" oder ähnliches kennzeichnen? Wie gesagt, die Kritik hört sich heftig nach "Werbung" an.
23.11.2017 18:13 Uhr 7
23.11.2017 23:54 Uhr 8
Sollte sich ihr Kommentar bewahrheiten, stünde dies wohl im Kontrast zu ihrer eigenen Orthographie und ihrem Syntax. Beides strotzt geradezu vor Innovation und eigenen Ideen - so etwas hat man tatsächlich noch nicht gesehen, wenn auch wesentlich besser und vor allem richtiger!
24.11.2017 06:39 Uhr 9
Auch Who Am I war nicht sonderlich neu - hat aber im Vergleich zu anderen deutschen Filmen Maßstäbe gesetzt und war durchweg spannend. Dark setzt im Vergleich zu anderen deutschen Serien ebenfalls Maßstäbe. Darum geht es ihm.
24.11.2017 21:55 Uhr 10