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Ich lass mich gar nicht erst auf inhaltliche Debatten ein. Ich lass mir nicht sagen, was ich schreibe. Ich lass mich nur auf Debatten über die Form ein: Funktioniert es besser, wenn man es so schreibt oder so aufbaut? So etwas ist hilfreich und nützlich, es ist besser als monatelang allein vor sich herzuschreiben. Aber das, worum es geht, das muss vom Autor alleine kommen.
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Andreas Steinhöfel
Nein, so war das nicht ganz. Die Initiative des ZDF ging zwar durchaus in die Richtung, über eine multikulturelle Freundschaft zu erzählen, aber meine Antwort darauf lautete: Wenn ihr auf mich zukommt, dann müsst ihr bitte das nehmen, was ihr von mir bekommt. Ich lass mich gar nicht erst auf inhaltliche Debatten ein. Ich lass mir nicht sagen, was ich schreibe. Ich lass mich nur auf Debatten über die Form ein: Funktioniert es besser, wenn man es so schreibt oder so aufbaut? So etwas ist hilfreich und nützlich, es ist besser als monatelang allein vor sich herzuschreiben. Aber das, worum es geht, das muss vom Autor alleine kommen.
Ich habe auch gesagt, dass ich mit einer Frau als Redakteurin zusammenarbeiten will. Einfach, weil ich viel besser mit Frauen zusammenarbeiten kann als mit Männern – das ist halt so. Auf die Bitte kam vom ZDF zuerst zurück: "Muss das sein, wir kennen keine, die wir in dem Bereich gerade einsetzen könnten …". Ich erwiderte, dass wir es dann auch einfach lassen könnten. Als das ZDF dann meinen Bitten zustimmte, war mir klar: Das wird gut laufen mit uns. Ich bin da ganz andere Sachen vom Fernsehen gewöhnt.
Daher: Wenn ich hier die Zusammenarbeit mit dem ZDF lobpreisen darf, so möchte ich hiermit die Zusammenarbeit ganz offiziell lobgepriesen. Die verlief sehr konstruktiv, der Austausch war nie behindernd. Es mag eine abgedroschene Floskel sein, aber die Zusammenarbeit war von gegenseitiger Wertschätzung geprägt – das war sehr schön.
Wenn Sie gerade dem ZDF Honig um den Bart schmieren dürfen, erwidere ich, indem ich nun Ihnen Honig um den Bart schmiere – denn ich finde, dass in Ihren Werken Kinder und Jugendliche sehr authentisch sprechen. Oft ist das Vokabular von Kindern und Jugendlichen in deutschen Büchern, Filmen und Serien sehr unecht. Entweder sprechen sie forciert-hip, oder in völlig veralteter Jugendsprache …
… oder wie erwachsene Professoren.
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Nicht so verkopft drangehen. Ich lass die Figuren reden, wie ich reden würde. Das bedeutet auch, dass es bei mir nicht immer so dudenkonform ist. Vor allem die Zeiten sind nicht immer korrekt im gesprochenen Deutsch – wir haben völlig verlernt, den Imperfekt korrekt zu benutzen.
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Andreas Steinhöfel, darüber, wie er authentisch klingende Dialoge schreibt
Ganz ehrlich? Keine Ahnung! (lacht) Ich denke darüber nicht nach, ich schreibe einfach drauf los. Ich kümmere mich da nicht drum. Vielleicht ist genau das das Geheimnis: Nicht so verkopft drangehen. Ich lass die Figuren reden, wie ich reden würde. Das bedeutet auch, dass es bei mir nicht immer so dudenkonform ist. Vor allem die Zeiten sind nicht immer korrekt im gesprochenen Deutsch – wir haben völlig verlernt, den Imperfekt korrekt zu benutzen. Das beachten aber nicht alle Autoren.
Ich stolpere immer wieder über Sätze wie: "Aber Mutter" … Allein schon: "Mutter" statt "Mama", "Mami" oder "Mutti" … So spricht doch niemand! Und dann halt die Zeit: "Aber Mutter, ich sagte dir doch gestern schon, dass ich die Hausaufgaben nicht machen konnte." Wenn ich sowas höre, schalte ich sofort den Fernseher aus. So redet niemand! Wir benutzen da den Perfekt. Alle würden sagen "Ich hab dir doch gesagt", selbst wenn das grammatikalisch falsch ist.
Und sonst ist halt der Verzicht auf zeitgenössische Jugendsprache wichtig. Beim Fernsehen hat diese Regel besonders hohe Priorität! Bis da was durch ist, hat sich alles längst überholt, was man da so frisch aufgeschnappt und dann zu Papier gebracht hat. Wir haben mit der Arbeit an «Dschermeni» 2015 angefangen. Hätte ich in der damaligen Jugendsprache geschrieben … Ohwei! Sowas kann nur peinlich enden.
Da wir beim Thema Sprachwahl sind: Gerade bei «Dschermeni» finde ich es spannend, zu wissen, wie Sie zu dem Balanceakt stehen, dass von Autorinnen und Autoren einerseits eine realistische Dialogsprache gefordert wird, andererseits aber auch die Erwartung vorherrscht, dass sie eine Vorbildfunktion ausfüllen und daher vielleicht nicht ganz so viel sexistisch oder rassistisch aufgeladene Sprache nutzen, wie sie im realen Alltag vorkommt …
Da gibt es ganz ehrlich nur eine Lösung: Man muss sich ein dickes Fell zulegen. Dieses Hin-und Her-Gezerre von beiden Seiten bringt einen sonst nur um den Verstand. Bei der «Sendung mit der Maus» gab es Beschwerden von beiden Seiten, weil eine kleine Türkin mit Kopftuch gezeigt wurde. Die eine Seite regte sich auf, dass es ja rassistisch sei, türkische Mädchen so zu zeigen, weil es ja auch welche gibt, die ohne Kopftuch rumlaufen. Und die andere Seite empfand es schon als Zumutung, überhaupt eine kleine Türkin in der «Sendung mit der Maus» zu zeigen. Da stehst du in der Mitte, schüttelst den Kopf und denkst dir nur: Ach, labert ihr Mal … Ich sehe das so: Ich mach mein Zeug, und solange es der Mehrheit gefällt, kann ich so falsch nicht liegen. Zwei Millionen Zuschauer haben sich nicht beschwert, das ist wichtiger, als dass sich 15 Leute aus diesem oder jenem Grund aufregen.
Im Fall von «Dschermeni» gab es dennoch eine Dialogzeile, die wir abgeändert haben. Die Heimleiterin Elke sagte im Drehbuch nämlich in zwei Szenen zu Aminata "Nougatprinzessin". Die Darstellerin der Aminata, Jodyna Basombo, sagte aber, dass sie das doof findet – sie würde sich niemals so nennen lassen. Also haben wir auf ihr Urteil vertraut und das rausgenommen. Hätte sie es okay gefunden, hätten wir es dagegen drin gelassen.
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Ich habe nicht mehr die Energie, die Sprache im Namen anderer zu regeln, egal, ob es um Sexismus oder Rassismus geht. Ich bin nun schon 55 Jahre alt, das schaffe ich nicht mehr. Sollen sich andere darum kümmern. (lacht) Wobei ich eh von der Überzeugung bin, dass wir die Welt nicht dadurch verbessern können, wenn wir den Leuten ihre Sprache diktieren. Das ist ein linguistischer Trugschluss.
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Andreas Steinhöfel
Die waren bewusst provokant angelegt, weil ich zeigen wollte, dass es Menschen gibt, die es gut meinen, auch Mal Worte wählen, die in anderem Kontext schockierend wären. Ich wollte damit die Diskussion anregen, dass es letztlich alle untereinander klären müssen, was sie angenehm finden und was nicht, und dass es auch immer darauf ankommt, wer es in welchem Zusammenhang zu wem sagt.
Bestimmt hätte das einige Leute aufgeregt – aber so reden die Leute nun einmal. Und ich kann das nicht dadurch ändern, indem ich nun so tu, als sei das anders. Ich habe da auch nicht mehr die Energie zu, die Sprache im Namen anderer zu regeln, egal, ob es um Sexismus oder Rassismus geht. Ich bin nun schon 55 Jahre alt, das schaffe ich nicht mehr. Sollen sich andere darum kümmern. (lacht) Wobei ich eh von der Überzeugung bin, dass wir die Welt nicht dadurch verbessern können, wenn wir den Leuten ihre Sprache diktieren. Das ist ein linguistischer Trugschluss. Da stehe ich ganz bei Orwell und «1984»: Die Sprache ihres emotionalen Gehaltes zu berauben, ist ein Anzeichen eines totalitären Staates. Damit sehen mich manche vielleicht auch auf der Seite der politisch inkorrekten, aber: Soll doch jeder reden, wie er will. Dann weiß ich wenigstens sofort, welcher Art Mensch ich gerade gegenüberstehe.
Genauso finde ich auch, dass die Begriffe "Nazi" und "Rassist" aktuell überreizt werden. Natürlich mache auch ich mir Sorgen darum, was politisch gerade so abgeht. Aber wenn bei jedem Piep, der falsch rüberkommt, direkt die Nazi- oder Rassist-Keule geschwungen wird, bewegen wir uns in eine ganz gefährliche Richtung. Dann verlieren diese Begriffe nämlich an Wirkung. Und dann kann es dazu kommen, dass wir uns bei Nichtigkeiten oder kleinen Ärgernissen verbal die Köpfe einschlagen, während wir den echten, bedrohlichen, ideologischen und öffentlich betriebenen Rassismus aus den Augen verlieren.
Besten Dank für das spannende Gespräch.
«Dschermeni» ist ab dem 27. November 2017 von Montag bis Mittwoch um 20.10 Uhr im KiKA zu sehen – und zwar in Doppelfolgen.
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