Die Kritiker

«Tatort: Böser Boden»

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Zombies im «Tatort»? Rassistische Öko-Bauern auf Ausländerjagd? Wotan Wilke Möhring im Beinahe-Alleingang gegen das böse Fracking? Hat der neuste nordische «Tatort» mit fauligen Ökonazis den originellsten Schurken der ARD-Krimigeschichte gefunden?

Cast und Crew

  • Regie: Sabine Bernardi
  • Drehbuch: Marvin Kren, Georg Lippert
  • Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Franziska Weisz, Cristin König, Niklas Post, Lenja Schultze, Hendrik Heutmann, Christian Hockenbrink, Hadi Khanjanpour, Sahin Eryilmaz, Rainer Furch, Sanam Afrashteh
  • Produktion: Dagmar Rosenbauer
  • Musik: Axel Huber, Philipp Noll
  • Kamera: Oliver-Maximilian Kraus
  • Schnitt: Anne-Kathrein Thiele
In Niedersachsen ist die Hölle los. Ach, was: In Niedersachsen sind sogleich mehrere Höllen los! Da ist der multinationale Großkonzern, der sich eine Sondererlaubnis ergattert hat, um im beschaulichen, niedersächsischen Ländle Fracking durchzuführen – ein verteufeltes Verfahren zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl. Da wären militante Naturschützer, die bei der Verfolgung ihres hehren Ziels meilenweit über die Stränge schlagen.

Und dann kommt eine noch relativ kleine, aber nicht minder finstere Gruppierung aus dem Loch gekrochen: "Ökonazis", wie sie der von Wotan Wilke Möhring gespielte, unangepasste Bundespolizist Thorsten Falke halb hämisch-verschmitzt, halb schockiert-wütend tituliert. Menschen, die ihre Naturverbundenheit mit Heimatverbundenheit potenzieren, die "Unterstützt lokale Bauern" mit "Unterstützt reindeutsche Landwirte" verwechseln und denen Produkte, die nicht bio sind, ebenso sehr als Feindbild dienen wie Menschen, die nicht regional gezüchtet wurden. Aber damit noch lange nicht genug: Nahezu seelenlose, blasse, starr reinblickende Zeitgenossen mit fauliger Haut und hoher Aggression stolpern durch die Gegend. Zombiealarm?!

Nur wenige Wochen, nachdem der Frankfurter «Tatort» mit dem Titel «Fürchte Dich» Kritiker spaltete (wir stellten uns auf die Seite der Experimentierfreude), enttäuschende Quoten holte, das Netz dennoch vor lauter Debatten hochgehen ließ und letztlich die ARD zu einem Statement drängte, künftig seltener solche Versuche zu wagen, planscht die alteingesessene Krimireihe erneut in Genregewässern. Tja, der Niedersachsen-Fall war halt schon längst im Kasten, als der Backlash gegen unkonventionelle «Tatort»-Projekte den popkulturellen Diskurs erreicht hat.

Was jene freuen dürfte, die sich atypischen «Tatort»-Folgen verweigern: Selbst wenn Falke zu Beginn des Films den The-Cranberries-Klassiker "Zombie" hört und Kameramann Oliver-Maximilian Kraus Außenszenen bevorzugt in ein milchig-graues Schauerlicht hüllt, so macht «Böser Boden» nicht solch eine gepfefferte Arschbombe vom Zehner, rein ins Horrorgenre-Profibecken, wie es «Fürchte Dich» getan hat. Stattdessen dreht dieser Neunzigminüter gemächlich seine Runden im Horroranfänger-Planschbecken – es gibt Horrorgenre-Anleihen, trotzdem ist dies primär ein Krimi. Ein verspielter, andersartiger Krimi, der mit boshaftem Vergnügen nach links und rechts, gegen rebellische und übervorsichtige Leute austeilt. Aber noch immer ein zugänglicher Krimi.

Das Drehbuch von Georg Lippert («Schuld um Schuld») und Zombie-Experte Marvin Kren («Rammbock») schielt auf die subversiv-konsumkritischen Wurzeln des Zombiegenres und leiht sich dezent-grinsend dessen Slowburner-Spannung sowie einige dramaturgische Allgemeinplätze.

Regisseurin Sabine Bernardi tauscht den hell beleuchteten, magischen Realismus von «Club der roten Bänder» gegen eine solide Krimiästhetik, die sich eine kleine Horrorgrippe eingefangen hat: Sie verwendet kühl schneidende Musik, deren Lautstärke gelegentlich explodiert. Szenerien werden in weiten Aufnahmen eingeführt, die ganz bewusst einen Takt zu lange stehen bleiben. Lang genug, um die Furcht davor zu erzeugen, dass sich irgendwo das Böse verstecken könnte. Und doch gibt es für das genrefremde Publikum genügend alltäglich inszenierte "Rettungsinseln", die halt schlicht nach Ermittlergeschichte aussehen. Der Balanceakt zwischen Horroranleihe und «Tatort»-Normalität gelingt Bernardi scheinbar mühelos, höchst selten erweckt sie den Eindruck, etwas forcieren zu wollen. Wenn dieser Eindruck erweckt wird, dann durch übermäßigen Gebrauch des alten "Die Tonspur dreht auf, obwohl nichts Schlimmes passiert"-Tricks – und das ist fast schon Berufskrankheit, wenn es um Horror geht.

Zum Bedauern aller, die vom «Tatort» mehr wollen als einen "Wo waren Sie am Abend des Soundsovielten um dieseundjene Uhrzeit?"-Abfragekrimi nach dem anderen: Ein Blick auf den Feuilleton-Blätterwald verrät, dass «Böser Boden», wie schon «Fürchte Dich», die Geister scheidet. Dabei ist der bedauernswerteste Schrecken an «Böser Boden» doch nur, dass er beim Tänzeln zwischen freudig-verspieltem Genreclash und kritisch-schaurigem Problemkrimi humpelt. Beides gleichermaßen abzudecken ist zweifelsohne möglich, aber dieser «Tatort» verfolgt das Hin und Her in einem holprigen Takt, was es dezent erschwert, sich darauf einzulassen. Unterm Strich ausgewogen bleibt der Mix trotzdem: Die Rundumattacke auf Öko-Klischees, Bio-Terrorismus, Geldgier, ruchlosem Umgang mit der Natur und übertrieben stilisierte Feindbilder macht Laune, ist aber trocken und dramatisch genug, um nicht zur Satire zu werden.

Kurzum: Nicht immer gleich meckern, nur weil auch Mal ein «Tatort» ohne Tukur anders ist. Sonst kommt der böse Junge mit dem Zombieausschlag und beißt!

«Tatort: Böser Boden» ist am 26. November um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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