Der Streamer Hulu
- 2008 gegründet
- bietet bereits existierende Fremdserien und eigenen Content an
- Eigentümer: Comcast (30%), 20th Century Fox (30%), Walt Disney (30%), Time Warner (10%)
- Exklusive Serien u.a. «The Handmaid's Tale», «The Path», «11.22.63», «The Mindy Project» (S4-6)
Original Content ist das Zauberwort in der Branche: Mit exklusiven Inhalten hat es Netflix geschafft, den Nerv zahlreicher Zuschauer zu treffen und Programme zu kreieren, über die man spricht – oder sprechen muss. So setzt sich der Anbieter von der Konkurrenz ab, ablesbar an den Abonnentenzahlen. In den USA ist man mit Abstand die Nummer 1, vor Amazon Prime Video und eben vor Hulu. In Zahlen ausgedrückt: Netflix beziehen in den USA 53 Millionen Menschen, Hulu schätzungsweise 15 Millionen. Die 2,5 Milliarden für neue Inhalte sind damit eine aggressive Ansage an Netflix: Dort gibt man 2017 insgesamt 6 Content-Milliarden aus, relativ also deutlich weniger pro Kunde als Hulu.
Hulus Geschäftsmodell baut auf zwei Säulen auf: „Vor drei oder vier Jahren war Hulu größtenteils bekannt als die Website, auf der man das Fernsehprogramm des letzten Tages schauen konnte. Aber wir sind mittlerweile viel mehr als das“, fasst Unternehmenschef Ben Smith zusammen. Neben dem fremden TV-Content sind es die exklusiven Eigenproduktionen, mit denen man neue Kunden gewinnen will. Das Problem: Schon in den letzten Jahren versprach man großspurig, dass man „größer und stärker“ werde, auch bezogen auf die Abonnentenzahlen. Doch das Wachstum hielt sich hier deutlich in Grenzen, die Zuwachsraten schrumpften.
Bis zuletzt. Doch 2017 könnte tatsächlich das Jahr sein, in dem Hulu seine Versprechungen wahr macht. Im Frühjahr startete mit «The Handmaid’s Tale» eine exklusive Serie, die viel Aufsehen in den USA erregte und Kritiker überzeugte. Die Serie spielt in einer dystopischen Zukunft, in der Frauen aufgrund von Umweltverschmutzung und Krankheiten größtenteils unfruchtbar sind. Auf dieser Basis gründet sich eine neue soziale Ordnung, die totalitär-fundamentalistisch organisiert ist.
«The Handmaid’s Tale» zeigt das Dilemma von Hulu beispiellos auf: Einerseits hat es großen Erfolg in den USA und zeigt das Potential des Streamers, auch qualitativ. Es ist die Serie, mit der man den Durchbruch schaffen kann: Elf Emmys gewann die Zukunftsparabel, und zahlreiche neue Abonnenten: Seit dem Start von «The Handmaid’s Tale» hätten sich die täglichen Anmeldungen bei Hulu nahezu verdoppelt, wie der Hollywood Reporter berichtet. Doch andererseits offenbart das Format auch eine große Schwäche des Streamers: Hulu ist außerhalb der USA kaum bekannt und kann auf keine eigene Infrastruktur zurückgreifen, um seine Serien zu bewerben und anzubieten. Dies führt dazu, dass die Serie in Deutschland beispielsweise beim Videodienst Entertain TV der Telekom gezeigt wird und dort ein nahezu unbeachtetes Dasein fristet.
«Runaways» von Marvel: Superkräfte für den Streamer
«The Handmaid’s Tale» ist ein Ergebnis der oben angesprochenen Content-Milliarden, die Hulu zum Angriff auf Netflix und Co. locker macht. Ein anderes Ergebnis startet dieser Tage: die Serie «Runaways», die auf einer Marvel-Comicvorlage basiert. Es geht um Teenager, um Superkräfte, um einen bösen Kult: Wir lernen sechs Jugendliche und ihre Highschool-Probleme kennen, und wir merken, dass diese sechs einst ein Freundschaftsband verbunden hat, das mittlerweile zerbrochen ist. Doch als eine der Jugendlichen in Gefahr gerät und gerettet werden muss, finden sich die Ex-Freunde wieder zusammen – und merken, dass sie mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet sind. Diese helfen ihnen Bald im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind: einen bösen Kult voller krimineller Erwachsener, der Macht über die amerikanische Unterwelt ausüben will.
Mit «Runaways» hat Hulu eine hervorragende Comic-Adaption geschaffen, die abwechslungsreich erzählt ist, sich gleichzeitig aber Zeit für ausführliche und tiefgründige Charakterisierungen nimmt – von der ersten Folge an. In den Zeiten erfolgreicher Teenager-Serien («Riverdale», «Tote Mädchen lügen nicht») hat sich Hulu erfahrene Branchengesichter geangelt: Josh Schwartz und Stephanie Savage, die Erfolgsproduzenten von «O.C. California» und «Gossip Girl».
Ihr neues Format könnte tatsächlich ein wichtiger Baustein für die Hulu-Zukunft sein: Der Name Marvel ist international bekannt und zieht zahlreiche Fans – und damit Kunden – an. Nicht ohne Grund hat Netflix sich zahlreiche Verwertungsrechte für eigene exklusive Serien unter diesem Markenbanner gesichert. Weiterhin hat «Runaways» eine junge Zielgruppe im Blick, die sonst von Hulu kaum bedient wurde. Denn bisher war der Streamer eher bekannt für schweren, hochdramatischen Content wie beispielsweise «The Path» – oder eben zuletzt «The Handmaid’s Tale». Schließlich hat «Runaways» international großes Potenzial. Und kann bei richtiger Vermarktung klug als die Serie eingesetzt werden, mit der der Name Hulu bekannt gemacht wird. Die eigenen Vertriebsplattformen außerhalb der USA fehlen zwar immer noch größtenteils, doch dies ging beispielsweise auch Netflix so: mit «House of Cards», das man Sky in Deutschland exklusiv verkauft hat.
Will Hulu sich nicht nur als abgeschlagene Nummer drei im Streamer-Markt etablieren, muss es aber andere Wege gehen als nur den der Internationalisierung oder der neuen Marvel-Serie. Diese Schritte wirken wenig innovativ. Man muss beispielsweise das große Potenzial nutzen, das Hulu mit seinem Pool an TV-Content-Kunden hat. Eine bereits umgesetzte Idee ist ein Hulu/Spotify-Bundle für Studenten, das neuerdings in den USA angeboten wird und reißenden Absatz findet. Vielleicht sollte man stark auf mobilen Content setzen, auf kurze Geschichten. Vielleicht kann man sich als Discount-Streamer positionieren, oder als der Anbieter, der altes und neues Fernsehen zusammenbringt. In jedem Fall braucht Hulu eine Idee, ein Leitbild, eine klare Strategie für die nächsten Jahre. Die ist bisher leider kaum erkennbar. Trotz der 2,5 Milliarden.
Dieser Artikel erschien erstmals im November 2017. Jetzt kommt die Serie nach Deutschland. Pay-Sender SYFY hat sich die Rechte geschnappt und zeigt die Episoden ab 9. Mai mittwochs um 21 Uhr.
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