Die Kino-Kritiker

«Girls Trip»: Eine anstrengende Partytour durch New Orleans

von

Alle, die «Girls' Night Out» in schwunglos und lärmend sehen wollen, sollten dringend Kinokarten vorbestellen!

Filmfacts: «Girls Trip»

  • Regie: Malcolm D. Lee
  • Produktion: Will Packer, Malcolm D. Lee
  • Drehbuch: Kenya Barris, Tracy Oliver
  • Story: Erica Rivinoja, Kenya Barris, Tracy Oliver
  • Darsteller: Regina Hall, Tiffany Haddish, Larenz Tate, Mike Colter, Kate Walsh, Jada Pinkett Smith, Queen Latifah
  • Musik: David Newman
  • Kamera: Greg Gardiner
  • Schnitt: Paul Millspaugh
  • Laufzeit: 123 Minuten
  • FSK: ab 16 Jahren
Eine Kritik über «Girls Trip» mit der Feststellung zu eröffnen, dass die Rüpelkomödie zeitweise eine Männerdomäne war und sich Frauen dieses Genre in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt einverleibt haben, ist zugegebenermaßen wenig originell. Andererseits ist es eine treffende Beobachtung: Auf jeden Film wie «Girls Trip», in dem eine Gruppe Freundinnen ein ausgelassenes, versautes Abenteuer erlebt, kommt eine «Hangover»-Trilogie, ein Haufen Will-Ferrell-Filme und eine gute Handvoll von Seth-Rogen-Eskapaden – und dann noch ein paar Zerquetschte. Und noch etwas spricht dafür, eine Kritik zu «Girls Trip» mit der Erkenntnis zu beginnen, dass sich das Genre der frauenzentrischen, räudigen Komödie allmählich ausdehnt. Denn als hingeschluderte Aneinanderreihung von kratzbürstigen Szenen hat «Girls Trip» keine originellere, aufwändigere Rezension verdient.

Wobei ein Blick über den großen Teich einen anderen Eindruck suggeriert: In Nordamerika generierte diese von Malcolm D. Lee («Scary Movie 5») inszenierte Saufkomödie bei einem schlanken Budget von 19 Millionen Dollar nämlich satte 115,1 Millionen Dollar – und schlug somit unter anderem «Fifty Shades of Grey – Gefährliche Liebe», «Baby Driver», «Kingsman: The Golden Circle», «John Wick – Kapitel 2», «Blade Runner 2049» sowie «Baywatch». All dies begleitet von einer Schar positiver Kritiken – irgendwas muss «Girls Trip» also an sich haben. All jene, die wissen wollen, was dies ist, sind bei dieser Filmbesprechung allerdings fehl am Platz, denn wir in der Quotenmeter.de-Kinoredaktion sind vollkommen ratlos.

Dabei ist der Plot ebenso simpel wie er eine gute Grundlage für einen zünftigen Filmabend in ausgelassener Runde darstellt: Die vier besten Freundinnen Ryan (Regina Hall), Sasha (Queen Latifah), Lisa (Jada Pinkett Smith) und Dina (Tiffany Haddish), genannt die Flossy Posse, haben sich aufgrund der Tücken des Erwachsenenseins aus den Augen verloren. Die eine reitet auf den Wellen des beruflichen Erfolgs, die nächste beißt sich an beruflichen Rückschlägen die Zähne aus, dann gibt's bei einer einen Haufen an Familienstress und dann gibt's, wie in vielen Freundeskreisen, die Person, die nicht erwachsen geworden ist und in ihrer eigenen Sphäre frei von Verantwortungen schwebt. Nun, fünf Jahre nach der letzten, richtigen, gemeinsamen Party wollen es die Ladys aber wieder so richtig krachen lassen – und zwar auf dem Essence Festival in New Orleans. Doch zwischen Flirts, Catfights mit Fremden, Konzerten und Absinthabtürzen müssen auch Mal ein paar ernste Wörtchen miteinander gewechselt werden.

Frauen, die ihre Freundschaft wieder aufleben lassen wollen und dabei eine Achterbahnfahrt aus ausgelassen-guter Laune, vulgärem Vergnügen und Minidramen durchleben – eine Kombination, die einen schmissigen Partyfilm ergeben kann. Das bewies im Kinosommer 2017 schon der (vollkommen zu Unrecht untergegangene) «Girls' Night Out» mit Scarlett Johansson und Kate McKinnon. An der Prämisse krankt es «Girls Trip» also nicht. Woran dann?

Nun, da wäre einerseits die Regieführung. Lucia Aniello lässt in den heiteren Momenten von «Girls' Night Out» die fiebrige Energie einer Partynacht aufs Publikum rüberschwappen – dank dynamischer Lichtsetzung, schwunghaftem Schnitt und einem zielstrebigen Händchen dafür, sich oft genug einfach auf die ansteckende Spielfreude ihres Ensembles zu verlassen. Malcolm D. Lee hat in «Girls Trip» sogar die besseren Startvoraussetzungen als Aniello, spielt sein Film doch während eines Musikevents in der atmosphärischen Partymetropole New Orleans – und nicht nur während irgendeinem: Das Essence Festival ist eine der größten Veranstaltungen, die die nicht-weiße Partykultur in den USA hat – und mit dem Mix aus stilvollem Jazz, sinnlichem R&B, ausgelassenem Hip Hop und diversen weiteren Einflüssen bietet dieses Festival einen idealen Hintergrund für die Eskapaden der vier afro-amerikanischen Hauptfiguren.

Und dennoch: Obwohl Lee nur eine Million Dollar weniger Budget zur Verfügung stand als seiner «Girls' Night Out»-Kollegin, besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen diesen beiden frauenzentrischen Partyfilmen. Lees Film ist überbelichtet, hat keinerlei inszenatorischen Rhythmus und weder New Orleans, noch das Essence Festival färben etwas von ihrem Flair auf den Film ab – «Girls Trip» könnte genauso gut eine charakterlose Mini-Budget-Fernsehkomödie aus Deutschland sein, die eines der Dritten Programme im Nachtprogramm versendet, weil man im Sendergremium feststellte, dass man das Werk wohl nicht unbedingt zur Primetime anbieten muss.

Noch schwerwiegender ist allerdings der Freundschaftsfaktor – oder dessen Mangel. Ob beispielsweise der erste «Hangover»-Teil oder «Girls' Night Out»: Eine gelungene Partykomödie über einen Chaos-Freundeskreis schafft es, neben all dem überspitzten Trubel eine glaubwürdige, enge Beziehung zwischen ihren Hauptfiguren zu knüpfen. In «Girls Trip» stellt sich dagegen wiederholt die Frage, wieso die besonnene Lisa die ganzen Demütigungen über sich ergehen lässt, mit denen ihre Freundinnen sie überschütten. Und weshalb irgendjemand aus dieser Clique irgendetwas mit der schrill-galligen Dauerkratzbürste Dina (Tiffany Haddish) zu tun haben will, bleibt ein Mysterium.

In «Hangover» gab es wenigstens die Ausrede, dass Problemtyp Alan als zukünftiger Schwager des bald heiratenden Doug dabei sein muss – und im ersten Teil versuchte man zudem, diese Figur über sich hinauswachsen zu lassen, so dass während der Komödie Freundschaften auf der Leinwand entstanden sind. Dina hingegen kennt nur eine einzige, grelle Note (Drogenfickenyeah!) und wenn in den schwerfälligen Holzhammer-Dramamomenten dieser Komödie alle anderen Mitglieder der Flossy Posse eine wichtige (weit voraustelegrafierte und in sülzigen Monologen ausgerollte) Lektion über Freundschaft lernen, kommt Dina ungeschoren davon. Sie hat wohl im selben Laden für unverdiente Persilscheine geplündert wie «Cars»-Nervensäge Hook, «Die Eiskönigin»-Schwester Anna oder Sid in den späteren «Ice Age»-Teilen. Was einen weiteren Problempunkt von «Girls Trip» anreißt:

Während Lee in den ruhigeren Momenten fast schon ins Melodramatische abgleitet, sind die hysterischen Rüpeldialoge in den Partyszenen sowie die Gesamtheit der Figur Dina äußerst cartoonhaft geraten, ohne dass es dem Regisseur gelingen würde, «Girls Trip» mit ausreichend Verve auszustatten, damit dieser Spagat funktioniert. Da wirkte «Girls' Night Out» trotz größerer Irreverenz in seiner Figurenzeichnung bedeutsam authentischer – vielleicht liegt's bloß an Lee, vielleicht aber auch tatsächlich daran, dass in «Girls' Night Out» eine Frau wild feiernde, sich zwischendurch zankende Frauen inszenierte und daher ein besseres Gespür dafür hat, wie ihre Heldinnen klingen, wenn die Fest- zur Zanknacht wird?

Fazit: «Girls Trip» mag ein US-Phänomen sein, aber weshalb, ist ein Rätsel: Leblos inszeniert faucht sich dieser Rüpelspaß durch langgezogene Gags und hölzerne "Charakterentwicklung". Schade um Queen Latifah, Regina Hall und Jada Pinkett Smith!

«Girls Trip» ist ab sofort in einigen deutschen Kinos zu sehen.

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