Serientäter

«The Good Fight»: Aus Eins mach Drei

von   |  4 Kommentare

Eine der unterschätztesten Serien der vergangenen Jahre erhielt in diesem Jahr ein Spin-off. Kann «The Good Fight» an die Stärken von «The Good Wife» anknüpfen?

Cast & Crew

  • Showrunner: Michelle King, Robert King, Phil Alden Robinson
  • Hauptdarsteller: Christine Baranski, Rose Leslie, Cush Jumbo
  • Nebendarsteller: Erica Tazel, Delroy Lindo, Paul Guilfoyle, Sarah Steele, Bernadette Peters
  • Sender: CBS All Access (USA), FOX (Deutschland)
Da sitzt sie nun, in ihrer dunklen Wohnung. Das Entsetzen in ihrem Gesicht könnte kaum größer sein, als der Fernseher sein kühles Licht auf sie wirft. Die Worte im Hintergrund sind ein Hinweis darauf, welche Bilder Diane Lockhart sämtliche Züge entgleisen lassen. „I, Donald John Trump, do solemnly swear that I will faithfully execute…” Die Amtseinführung von Donald Trump. Ausgerechnet in einer Serienwelt, deren Hauptprotagonistin einst eindeutige Parallelen zu Hillary Clintons Leben aufwies.

«The Good Wife» ist wohl eine der unterschätztesten Serien auf dem Markt. Auf den ersten Blick eine einfache Familiengeschichte, auf den zweiten Blick ein tiefschichtiges Drama mit einem grandiosen Drehbuch, in dem alle Handlungsstränge stets ineinandergriffen. Nun startete auch in Deutschland das Spin-off «The Good Fight», das mehr oder weniger nahtlos an das Ende von «The Good Wife» anschließt und mit Diane Lockharts entsetztem Blick auf Donald Trumps Amtseinführung beginnt. Doch diese Szene ist kein Gradmesser für die eigentliche Serie, schließlich war Politik auch schon in «The Good Wife» kein Haupttreiber der Handlung, sondern ein omnipräsenter Teil der gesamten Geschichte.

Aus Eins mach Drei


«The Good Fight» ist wie seine Vorgängerin vor allem eine Anwaltsserie mit starken Frauencharakteren im Mittelpunkt. Die Ausgangssituationen von Mutterserie und Spin-off unterscheiden sich somit kaum. Während sich Alicia in «The Good Wife» mit dem Sex- und Korruptionsskandal ihres Mannes konfrontiert sah, muss die junge Maia Rindell ebenfalls einen Familienskandal verkraften. Ihr Vater soll im großen Stil Anlagenbetrug begangen haben und wandert zu Beginn der Serie ins Gefängnis. Vom Prinzip her ein ähnlicher Start in beide Serien – da haben sich die beiden Showrunner Michelle und Robert King wahrlich kein Bein ausgerissen. Doch zumindest die Perspektive verschiebt sich in «The Good Fight»: Alicia Florrick musste sich nach Jahren in der Rolle als gute Haus- und Ehefrau wieder in das Berufsleben zurückkämpfen, Maia steht gerade am Beginn ihrer Karriere.

Ob dieses bereits aus anderen Serien zu Genüge bekannte Konzept (talentierter Berufsanfänger kämpft sich gegen alle Widrigkeiten durch, vgl. «Suits») eine Serie tragen könnte, die eine hochklassige Produktion wie «The Good Wife» im Rücken hat? Fraglich. Man würde Michelle und Robert King jedoch unterschätzen, wenn man ihnen einen solch einfachen Erzählansatz unterstellt. «The Good Wife» legte viel Wert auf die sich verändernden Charaktere. Alicia Florricks ambivalenter Charakter stand stets im Zeichen des Wandels – in jeder Staffel traf sie Entscheidungen, die sie ein Jahr zuvor niemals in Betracht gezogen hätte. Das – und noch vieles mehr – machte «The Good Wife» zu einer der besten Serien auf dem Markt. Während es «The Good Wife» auf beeindruckende Art und Weise gelang, die Geschichte einer Frau und ihres beruflichen wie privaten Kampfes in den Mittelpunkt zu stellen, geht «The Good Fight» jedoch einen anderen Weg und rückt nicht nur eine, sondern drei Protagonistinnen ins Zentrum des Geschehens. Neben der für die Zuschauer bis dahin unbekannten Maia Rindell kehrt Lucca Quinn in einer Hauptrolle zurück, die bereits in den letzten beiden Staffeln «The Good Wife» den Weg von Alicia begleitet hat.

Lucca Quinn war nur ein Beispiel für eine der großen Stärken von «The Good Wife». Die Serie zeichnete sich durch eine Dichte an interessanten Figuren aus, wie sie kaum eine zweite Serie vorzuweisen hat. Selbst die Nebenfiguren erfreuten sich einer erstaunlichen Tiefe und hatten Wiedererkennungswert. Viele Fans der Originalserie werden sich «The Good Fight» auch über die wiederkehrenden Charaktere freuen. Man nehme beispielsweise die raffinierte Marissa Gold, die Tochter von Eli Gold, die bereits in «The Good Wife» viel zu wenig Screentime bekommen hat. Auch der ein oder andere liebgewonnene und schrullige Richter wird in «The Good Fight» erneut auftauchen und der Serie mit den gewohnt gut platzierten, aber wohl dosierten Humor verleihen.

Noch lange nicht auserzählt


Trotz der enormen Dichte der Drehbücher und der erzählten Handlung gelang «The Good Wife» etwas Bemerkenswertes: Viele Figuren kamen in den insgesamt sieben Staffeln sogar noch zu kurz. Bestes Beispiel ist Diane Lockhart, die dritte Hauptfigur im «Good Fight»-Ensemble – ihre Entwicklung zwischen intriganten Kanzleipartnern und politischen Ambitionen sowie Überzeugungen kam im Vergleich zu Alicia Florricks persönlichem Aufstieg einst zu kurz. Hier kann «The Good Fight» einiges nachholen, was in den Jahren zuvor vielleicht hintenübergefallen ist. Denn auch für Diane ist die Reise nach «The Good Wife» noch lange nicht vorbei: sie ist dazu gezwungen, ihre Rentenpläne ad acta zu legen und sich in einer neuen Kanzlei beweisen. Spannend am neuen Arbeitsplatz: als weiße Frau in einer rein afroamerikanischen Kanzlei sieht sie sich ganz neuen Herausforderungen gegenüber.

Dank der altbekannten, aber noch lange nicht auserzählten Charaktere ist der Übergang zwischen «The Good Wife» und «The Good Fight» fließend. Die ersten Folge mag als Verbindungsstück zwischen den beiden Serien noch ziemlich holprig wirken: Die neuen Figuren erleben beinahe dieselben Dramen wie einst Alicia Florrick, die Etablierung der bekannten «Good Wife»-Charaktere wirkt zu gewollt. Doch spätestens ab der zweiten Episode kommt «The Good Fight» in den «Good Wife»-Rhythmus und präsentiert uns nicht nur ein übergreifend erzähltes Drama, sondern auch wieder den klassischen ‚Fall der Woche‘. Die wendungsreiche Erzählstruktur innerhalb der einzelnen Folgen war eine der großen Stärken von «The Good Wife», da man hierdurch nicht nur die Geschichte von Alicia Florrick und die Krisen der Kanzlei fortentwickelt, sondern auch zeitgemäße Themen wie das Spannungsverhältnis von Digitalisierung und Recht aufgearbeitet hat. Hieran schließt «The Good Fight» nahtlos an und dürfte die Fans der Originalserie rundum zufriedenstellen.

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
02.12.2017 21:42 Uhr 1
.....unterschätzte Serie?? Mag sein, aber, zumindest ICH bin bis Anfang von Staffel 5 garnicht mit warm geworden und daann auch ausgestiegen.
STAC
03.12.2017 08:22 Uhr 2
"The Good Wife" war wirklich eine großartige Show, die auf famose Weise klassisches Network-Procedural mit komplexer Kabel-Erzählweise verband.



Auf das Spinoff bin ich sehr gespannt.
Vittel
03.12.2017 10:29 Uhr 3
Meine Frau schaut Good Wife, meist so nebenher wenn sie irgendwelche Frauensachen macht.

Was ich so mitbekomme, ist die Serie sehr konservativ und moralinsauer. Ob das die unterschwellige Botschaft sein soll oder eben genau diese moralinsauere und konservative Sichtweise der Figuren aufgezeigt und kritisiert werden soll, das habe ich noch nicht verstanden.
STAC
03.12.2017 19:41 Uhr 4
Das ist genau die Qualität der Show: man kann sie so nebenher sehen und wird unterhalten, oder man schaut sie aufmerksam und verfolgt, was wirklich geschieht. "Moralinsauer" kann ich aber nun wirklich nur damit erklären, dass mein Vorschreiber noch weniger Aufmerksamkeit aufzubringen vermochte als seine Frau während der Verrichtung ihrer "Frauensachen": Dreck hat in "The Good Wife" ja nun wirklich fast jeder zu stecken und gerade dies - dass man eben keine moralisch einwandfreie Person sein darf, um in Justiz und Politik erfolgreich zu sein - und zwar gerade als ehemalige Hausfrau, die nach Jahren in den Beruf zurückkehrt - das ist eine Grundstärke der Show.



"Konservativ" ist die Show übrigens schonmal gar nicht, wo doch nicht nur klassische Rollenverteilungen und Moralvorstellungen der bürgerlichen Mittelschicht auf den Kopf gestellt werden, sondern schon gar nicht in vielen Episoden, die die Erzählweise über den Haufen werfen.
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