Facts zu «New Girl»
- sieben Staffeln beim US-Sender Fox
- damals erfolgreichster Fox-Neustart seit 2001
- Für Serienerfinderin Elizabeth Meriwether war dies die erste TV-Serie
- Hauptdarsteller: Zooey Deschanel, Jake Johnson, Max Greenfield, Hannah Simone, Lamorne Morris
- Gaststars sind u.a. Taylor Swift, Megan Fox, Jessica Biel und Prince
Sechs Jahre später finden wir eine veränderte Comedy-Landschaft vor: Multi-Camera-Formate vor Publikum, also die großen Quotenrenner der 90er und 2000er, fristen mittlerweile ein Nischendasein. «The Big Bang Theory» und «Fuller House» sind die erfolgreichen Ausnahmen. Stattdessen haben die Single-Camera-Comedys die Herzen der Zuschauer erobert, auch meines. Von ihnen gibt es unzählige bei den klassischen TV-Sendern und bei den Streamern. Tendenziell sind diese Formate eher kompatibel mit dem modernen Konsumverhalten von Serien, weil sie schneller und abwechslungsreicher erzählen können, somit also dem Binge-Watching entgegenkommen. Gleichzeitig funktionieren viele ihrer Vertreter über einen intelligenten, subtilen Humor, der bei jungen urbanen Zielgruppen gut ankommt. Klassische Sitcoms dagegen setzen oft auf das Wiederholende, den Running Gag, das wöchentliche Wiedersehen mit liebgewonnenen Charakteren.
«New Girl» gehört zur Fraktion der modernen Single-Camera-Comedy und kann damit auch als Vorreiter eines Trends bezeichnet werden, der sich in diesen Jahren immer stärker abzeichnet. Heute würde eine solche Serie bei Netflix oder Amazon starten. Es ist kein Zufall, dass ich «New Girl» jetzt bei Netflix entdeckt habe, wo die Serie auf Knopfdruck verfügbar ist und wo sie mir vorgeschlagen wurde: „Basierend auf Ihrem Interesse an…“; der Algorithmus funktioniert. Und hat also «New Girl» ausgespuckt, eine großartig skurrile Comedy, die von ihren wahnsinnigen Charakteren lebt.
Zwei Staffeln habe ich gesehen, und allein darin hat sich die Serie mehrmals neu erfunden: von einer großartig-brachialen Comedy über subtilen Humor und dramatisch-melancholische Folgen spielt das Format die Klaivatur der Emotionen hoch und runter. Dies hängt meist mit einzelnen Charakteren zusammen, auf die immer wieder für ein paar Folgen ein Fokus gelegt wird: Mal geht es um den neuen Freund von Jess, den sie nicht wirklich verehrt; dann um Nicks nihilistische Fuck-Off-Attitüde, die ihn in eine Sinnkrise führt; dann um Schmidt und sein unnahbares Selbstbewusstsein, das im Kontrast steht zu seiner oft verzweifelten Liebe zu Cece.
Gemeinsam ist allen Storylines eines: Es geht immer auch um die Suche nach einem erfüllenden Leben beziehungsweise um die Frage, wie alt man sein darf, um sich noch als ungebunden, unverantwortlich, als kindlich fehlerhaft fühlen zu dürfen. Kurz: sich als jemand zu fühlen, der mit nur einem Bein fest im Leben steht – und es auch nicht anders will. Damit spielt bereits die Prämisse von «New Girl»: Nachdem Jess von ihrem Freund betrogen wurde, zieht sie Hals über Kopf aus der gemeinsamen Wohnung aus und strandet in einer WG mit drei erwachsenen Single-Jungs. Ihr Leben und ihre Gefühle muss sie neu ordnen, auch wenn sie nicht mehr die Jüngste ist, nämlich um die 30. Genau diesen Umstand aber macht Jess zur Tugend: Gemeinsam mit ihren WG-Freunden werden die Freiheit und Unvernunft jetzt umso mehr zelebriert.
«New Girl»: Ein Plädoyer gegen Wunschlisten
Viele aktuell großartige Comedys, auch Sadcoms genannt, thematisieren diesen Lebensabschnitt junger Großstädter zwischen 25 und 35, darunter «Master of None», «Fleabag» und «Love». «New Girl» war mit all dem viel früher dran – und hat so wiederum Pionierarbeit geleistet. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum die Serie jetzt von vielen wiederentdeckt wird, auch von mir. Zum Start 2011 war ich noch zu jung, um die Ansichten und Probleme von Jess, Nick und Co. nachvollziehen zu können. Sechs Jahre später bin ich in einem ähnlichen Alter wie die Protagonisten. Hätte ich das Format damals bereits geschaut, hätte ich mit ihm vielleicht zu wenig anfangen können – und hätte 2017 nicht auf „Jetzt anschauen“, wäre nicht Netflix‘ Empfehlung gefolgt, weil ich die Serie als nicht sehenswert abgespeichert hätte. Mir wären viele großartige Stunden Unterhaltung entgangen.
Die Spätentdeckung von «New Girl» hat damit verändert, wie ich auf Serien zugehe und wie ich sie konsumiere, wieder einmal: Ich achte nun bewusster auf ältere Formate. Und ich durchstöbere meinen Kopf danach, welche Serien ich immer schon einmal lose interessant fand, aber nie auf irgendwelche Wunschlisten gepackt habe. Die Listen selbst betrachte mittlerweile kritischer, weil sie meinen Serien-Horizont künstlich einschränken: Eine Wunschliste ist wie eine Straße, die ich abfahre, ohne die wunderschöne Umgebung abseits dieser Straße zu betrachten. Man arbeitet dabei vielleicht alte Interessen ab, die längst überholt sein können und gar nicht mehr zum eigenen Geschmack passen. Umgekehrt lässt man Formate links liegen, die einen früher inhaltlich nicht interessiert haben, nun aber perfekt mit dem Serien-Ich kompatibel wären.
Die Entdeckung von «New Girl» hat also letztlich dafür gesorgt, mich wieder bewusster auf Seriensuche zu begeben – auch wenn letztlich der Algorithmus von Netflix den Vorschlag gemacht hat. Dass man bei solch einer Suche nicht immer auf unentdeckte Juwelen trifft, ist klar. Schließlich bleibt auch «New Girl» vor allem eines, unabhängig von ihrem Alter: eine richtig gute Comedy. Und davon gibt es nicht allzu viele.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel